Jörg Hochheim-David VössingNicht nur um den Einzug der NPD in den Kreistag zu verhindern ruft der stellvertretende Oberbürgermeister Jörg Hochheim (CDU) die Studenten zur Wahlteilnahme auf. Vielmehr könne man mit seiner Stimmabgabe Entscheidungen beeinflussen, äußerte der Bau- und Umweltsenator im Gespräch mit dem webMoritz. Wenn seine Partei ihn aufstelle, werde er als Oberbürgermeister 2015 kandidieren, sagte der 49-jährige CDU-Politiker. Er äußerte sich auch zur Lage im Landkreis. Das Interview führte David Vössing.

Am 25. Mai finden neben den Europawahlen auch Wahlen zur Bürgerschaft und zum Kreistag statt. Viele Studenten nehmen die Stadtpolitik nicht wahr, füllt sie doch meistens ihr Universitätsstudium und das Studentenleben völlig aus. Sie kommen für ein paar Jahre und sind dann wieder weg. Warum sollte man als Student trotzdem wählen gehen?

Jörg Hochheim: Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Eine lebendige Demokratie braucht die größtmögliche Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger. Ohne Wahlen gibt es keine Demokratie. Deshalb sollten sich selbstverständlich auch die Studierenden aktiv einbringen, selbst wenn der erste Schritt vielleicht nur der Gang zur Wahlurne ist. Und auch wenn sie sich nur zeitweilig in Greifswald aufhalten, sind den Kommunalpolitikern die Anliegen der Studierenden nicht egal. Zudem haben sie mit ihrer Stimme die Möglichkeit, die Zusammensetzung der beiden Kommunalvertretungen zu beeinflussen. Deshalb senkt eine hohe Wahlbeteiligung auch die Wahrscheinlichkeit des Einzugs undemokratischer Parteien in die Kommunalvertretungen. Zurzeit ist die NPD bekanntlich im Kreistag vertreten, in der Bürgerschaft glücklicherweise bis dato nicht. Dies wird zunächst auch so bleiben, da die NPD keinen Wahlvorschlag für die Bürgerschaftswahl eingereicht hat. Hinsichtlich der Wahrnehmung der Stadtpolitik sagen wir immer: Greifswald ist eine Universität mit einer Stadt drumherum. Bei rund 12.000 Studierenden (etwa jeder fünfte Einwohner, Anm.d.Red.) sind ihre Bedürfnisse von Wichtigkeit. Und sowohl Kreistag als auch Bürgerschaft entscheiden über Sachverhalte, die auch die Studenten betreffen.

Wo betreffen diese Entscheidungen denn die Studenten?

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Die Bürgerschaft entscheidet auch über die Anlage von Radwegen. Dadurch seien auch die Studenten durch städtische Entscheidungen betroffen, meint Hochheim.

Die Haushaltssituation der Stadt erfordert es, in den nächsten Jahren die städtischen Einnahmen zu erhöhen und möglichst gleichzeitig die Ausgaben zu senken. Davon sind auch städtische Einrichtungen nicht ausgenommen, die auch von den Studierenden aufgesucht werden. Ich denke hier beispielsweise an die Musikschule, die Stadtbibliothek, aber auch an die Sportstätten wie die Turnhallen oder das Schwimmbad. Weiterhin ist der Busverkehr zu nennen. In welchem Umfang und an welcher Stelle konkret gespart werden muss, darüber entscheidet letztlich die Bürgerschaft. Doch Sparen ist bei uns natürlich kein Selbstzweck. Wir konsolidieren den Haushalt, um weiter investieren zu können, beispielsweise in Infrastrukturmaßnahmen wie den Neubau und die Sanierung von städtischen Gebäuden oder den Ausbau und die Sanierung von Straßen sowie Geh- und Radwegen. Auch hierüber entscheidet die Bürgerschaft. Ich denke, dass man sich hier einbringen kann.

Neben der Bürgerschaft wird auch ein neuer Kreistag gewählt. Nach dem Verlust der Kreisfreiheit der Stadt, den ich sehr bedauere, ist nun der Kreis für viele Dinge zuständig, die wir zuvor hier in der Stadt regeln konnten. Damit trifft nun also der Kreistag auch Entscheidungen, deren Auswirkungen man hier vor Ort spürt, beispielsweise im Bereich der Bildung, der Förderung der Jugendarbeit, der Schulsozialarbeit oder auch im Bereich der Abfallwirtschaft. Im Kreistag wird nach meinem Eindruck keine abgehobene Politik betrieben. Eher war zu spüren, dass es im Kreistag doch regional sehr unterschiedliche Interessen gibt. Und zwar über Parteigrenzen hinweg. Ich glaube, dass es noch eine ganze Zeit dauern wird, bis sich der Landkreis und die zu ihm gehörenden Städte und Gemeinden als eine Einheit verstehen.

Sie sind selbst Kreistagsmitglied und treten für Ihre Partei, die CDU, wieder an. Steht der Kreis nicht sowieso unter Zwangsverwaltung aufgrund der prekären Finanzsituation, sodass eine Stimmabgabe nichts bringt?

Der Schein trügt. Es gibt noch keine Zwangsverwaltung. Dem Landkreis wurde allerdings ein Beratender Beauftragter zur Seite gestellt, der die Aufgabe hat, das Sparpotential des Kreises zu analysieren. Für mich steht außer Zweifel, dass der Kreis sparen muss. Zwar hat der Kreistag erfolgreich darauf hingewirkt, dass das jährliche Haushaltsdefizit des Landkreises im Plan von 38 Millionen Euro in 2012 auf 18 Millionen Euro in diesem Jahr gesenkt werden konnte. Aber natürlich ist das noch zu viel. Mit Blick auf den Sparberater muss gesagt werden: Nicht alle Erkenntnisse werden von der Kreisverwaltung einfach so umgesetzt werden können. Oft wird es Beschlüsse des Kreistages geben müssen, bei denen die konkreten Auswirkungen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung, der Jugend- und Schulsozialarbeit oder des Schülertransports zu bedenken sind. Werden hier von den Beratern Sparvorschläge unterbreitet, sind diese höchstwahrscheinlich tatsächlich umsetzbar. Am Ende sind aber immer noch politische Entscheidungen notwendig, die der Kreistag dann mehrheitlich zu treffen hat.

Ist Hochheim bald nicht mehr nur Vize-OB, sondern richtiger Oberbürgermeister?

Ist Hochheim bald nicht mehr nur Vize-OB, sondern richtiger Oberbürgermeister?

Nächstes Jahr wird auch ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Dr. Arthur König wird dann nicht mehr kandidieren und in den Ruhestand gehen. Werden Sie sein Nachfolger? Sie sind aktuell ja sein 1. Stellvertreter.

Die Frage kann ich Ihnen wirklich nicht beantworten. Hierüber haben schließlich die Wählerinnen und Wähler zu entscheiden. Was ich aber sagen kann ist, dass ich – falls mich meine Partei als Kandidat ins Rennen schickt – mich auf den anschließenden Wahlkampf freuen würde. Als derzeitiger erster Stellvertreter des Oberbürgermeisters ist ja vielleicht nicht ganz abwegig, dieses Amt anzustreben. Und falls es dann bei der Wahl für mich reichen sollte, würde ich mich natürlich sehr gern dieser spannenden Herausforderung widmen.

Als Dezernent mussten Sie in letzter Zeit auch nicht soviel Kritik einstecken wie Sozialsenator Ulf Dembski im Kita-Streit.

Dazu möchte ich aber sagen, dass ich die an seiner Person geübte Kritik für zumindest teilweise überzogen halte. Sicherlich kann man immer einiges verbessern. Das trifft auf mich zu, genauso wie auf Ulf Dembski. Am Anfang der Kita-Diskussion war zugegebenermaßen die Kommunikation über das von der Verwaltung verfolgte Ziel verbesserungswürdig. Doch als dann informiert wurde, waren die Fronten zum Teil bereits verhärtet. Bedauerlicherweise ist in dem anschließenden monatelangen Streit das ursprünglich verfolgte Ziel, nämlich die zeitnahe Absenkung der Platzkosten und damit auch der Elternbeiträge, aus meiner Sicht zu sehr in den Hintergrund getreten.

Sie hatten eben angesprochen, dass Sie die Kreisgebietsreform bedauern. Nun ist es aber so, dass es doch Ihr Parteifreund und Innenminister Lorenz Caffier war, der die Kreisgebietsreform durchgesetzt hat.

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Dr. Arthur König tritt 2015 als Oberbürgermeister ab.

Nach meinem Eindruck hatte er aber nicht darum gebeten. Ich glaube eher, dass sich die SPD mit ihrer Forderung nach einer Kreisgebietsreform in den damaligen Koalitionsverhandlungen durchsetzen konnte. Nach meiner Erinnerung ist das jedenfalls kein ausdrücklicher Wunsch der CDU gewesen. Aber manchmal muss man dann als Innenminister natürlich auch Dinge umsetzen, die weniger erfreulich sind. Ich halte die durchgeführte Kreisgebietsreform aber vor allem deshalb für bedauerlich, weil im Vorfeld zu wenig auf die von uns vorgebrachten Hinweise gehört wurde. Und heute zeigt sich, dass alle von uns geäußerten Bedenken tatsächlich eingetreten sind. Der Kreis ist schlicht zu groß, um Bürgernähe auf der einen Seite und Effizienz auf der anderen Seite zu gewährleisten. Es ist davon auszugehen, dass die erhofften Einspareffekte der Kreisgebietsreform schlichtweg als nicht realistisch zu betrachten sind. Und wenn schon eine Kreisgebietsreform, dann hätte ich mir wenigstens gewünscht, dass die neu geschaffenen Landkreise nicht mit sehr unterschiedlich schweren Rucksäcken auf die Reise geschickt werden. Den Haushalt des Kreises in den Griff zu bekommen wird schon schwer genug. Doch die Städte und Gemeinden der Altkreise Ostvorpommern und Uecker-Randow, die heute eine viel höhere Kreisumlage zahlen müssen als vor der Reform, zusätzlich mit den Schulden der Vorgängerlandkreise zu belasten, bringt die kommunale Selbstverwaltung in Gefahr. Deshalb hätte das Land diese Altfehlbeträge von aktuell noch 93 Millionen Euro übernehmen sollen. Für Greifswald ist aber noch ein anderer Aspekt von Bedeutung, der uns die Wahrnehmung der uns bei der Reform zugedachten Leuchtturm- oder Lokomotivfunktion erschwert, der gar nichts mit Geld zu tun hat: Mittlerweile kommen wir in den für Investoren wichtigen Studien und Umfragen, wie beispielsweise dem Zukunftsatlas der Prognos AG, nicht mehr vor, weil wir jetzt nicht mehr kreisfrei sind. Auch die Zahl der Arbeitslosen in Greifswald wird jetzt nicht mehr separat ausgewiesen. Wir gehen hier in der Kreisstatistik unter.

Fotos: David Vössing (Hochheim; König – Archiv), Simon Voigt (Radweg – Archiv)