Nach zehn Jahren ist Schluss: Professor Rainer Westermann, seines Zeichens Noch-Rektor der Universität Greifswald wird am Donnerstag offiziell durch seine Nachfolgerin Professor Hannelore Weber abgelöst. Mit uns sprach er über Politik, Privates und Partys in den Studentenclubs. Das Interview ist im aktuellen moritz-Magazin zu finden, dies ist die lange Version.

Was war persönlich Ihr wichtigstes Projekt in Ihrer Amtszeit?

Ich möchte überhaupt kein konkretes Projekt herausgreifen. Es kommt ja darauf an, dass man die Universität im Ganzen in allen Bereichen auf einen Entwicklungsstand bringt, der sich durch hohe Qualität auszeichnet. Das betrifft die Forschung, das betrifft die Lehre, das betrifft natürlich auch die Infrastruktur, die Voraussetzung für gute Lehre und Forschung ist.

Also gibt es kein spezielles Projekt, das Ihnen besonders wichtig war?

Als ich 2003 als Rektor anfing, war die Bilanz der Universität Greifswald bei der drittmittelunterstützten Forschung eine der schlechtesten im Vergleich zu anderen deutschen Universitäten. Nach den Statistiken, bei denen die eingeworbenen Drittmittel zu der Anzahl der Professuren in Beziehung gesetzt werden, lag Greifswald ganz unten, auf Platz 65 von 82 Universitäten. Hinter uns rangierten insbesondere ehemalige pädagogische Hochschulen, die nicht wie wir den Anspruch haben, eine wissenschaftliche Volluniversität zu sein. Das war natürlich absolut unbefriedigend. Man wird nicht mehr ernst genommen; es ist, als stünde man bei der Bundesliga auf einem Abstiegsplatz. Diesen Zustand zu verbessern war eines meiner Hauptziele. Ich glaube, dass ist uns gut gelungen. Die Kollegen in den Fakultäten konnten in den vergangenen Jahren sehr viele und teilweise sehr große Forschungsprojekte einwerben. Wir, die Kollegen im Rektorat, haben sie tatkräftig unterstützt, motivierend, finanziell und institutionell. Wir nehmen jetzt in der Statistik der Drittmittel pro Professur einen guten Mittelplatz ein.

Was wollten sie während ihrer Amtszeit angehen, haben es aber nicht geschafft?

Am größten ist meine Unzufriedenheit damit, dass wir es nicht geschafft haben, in der Exzellenzinitiative zum Zuge zu kommen. Wir haben uns bemüht, aber es hat nicht gereicht.

Professor Hannelore Weber wird am 31. Januar bei der feierlichen Investitur die Amtsgeschäfte übernehmen.

Sind das Aufgaben, die auf ihre Nachfolgerin zukommen werden?

Die Exzellenzinitiative wird wahrscheinlich nicht weiter geführt, von daher kann man das nicht direkt übertragen. Ich denke aber schon, dass meine Nachfolgerin eines ihrer Ziele ebenfalls in der Verbesserung und der Sicherung der Forschungsleistungen sehen wird. Insbesondere die Einwerbungen bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft sind noch verbesserungsbedürftig.

Gibt es sonst ein dringendes Problem, was auf Ihre Nachfolgerin zukommen wird?

Das muss sie selber einstufen, was dringend ist.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Landesregierungen?

Letzten Endes sind die Unterschiede zwischen den Landesregierungen nicht so groß. Die Aufgaben bleiben gleich, die Zwänge bleiben gleich, die verschiedenen Rollen bleiben gleich, in denen man als Hochschulleitung und Landesministerium steckt. Die Landesregierungen versäumen es meiner Meinung nach durchgängig, dem Bildungs- beziehungsweise Wissenschaftsbereich genügend finanzielle Mittel zu geben. Das hat sich während der verschiedenen Regierungen nicht geändert.

Fahren Sie mit dem Fahrrad zur Uni?

Das ist ein bisschen schwierig von Stralsund aus.

Wie lange werden Sie noch an dieser Universität forschen und lehren?

Es gibt bei Beamten eine Ruhestandsregelung. Das wird bei mir im Herbst 2015 sein. In der Wissenschaft ist es aber üblich, dass man auch danach weiter forscht und lehrt. So möchte ich das auch halten.

Wie wird denn nun jetzt ihr Arbeitsalltag aussehen?

Ich werde hoffentlich viel mehr Zeit haben, mich mit den aktuellen Entwicklungen in meiner Wissenschaft zu beschäftigen. Das habe ich gründlich vernachlässigt oder musste ich gründlich vernachlässigen in den letzten zehn Jahren. In der ersten Februarwoche werde ich wieder Prüfungen abnehmen. Das habe ich die vergangenen zehn Jahre auch regelmäßig getan.

Haben Sie einen Traum, den Sie aufgrund Ihrer Rektortätigkeit sich noch nicht erfüllen konnten, wozu Sie aber nun Zeit haben?

Ja, wieder richtig intensiv Wissenschaft zu betreiben.

Wozu werden sie die freie Zeit privat nutzen?

Wir werden viel häufiger privat verreisen können. Die meisten Reisen, die ich in den letzten zehn Jahren gemacht habe, waren Dienstreisen.

Wohin wird denn die nächste Reise gehen?

Die nächste Reise wird wie immer nach Teneriffa gehen, wo ich mich von meinem letzten Jahr in dieser Amtszeit erholen werde. Das ist inzwischen mein Lieblingsreiseort geworden.

Wo entspannen Sie in Stralsund?

Am liebsten entspanne ich in meinem Sessel mit einer Zeitung in der Hand.

“Studentische Kultur liegt im Sterben.” – Bei einer Demonstration im Oktober 2012 wurde anlässlich der Wahlen zur neuen Rektoren gegen den Umgang der aktuellen Universitätsleitung mit studentischen Initiativen protestiert.

Wie war Ihre Erfahrung mit der Verfassten Studierendenschaft?

Grundsätzlich bin ich ein Verfechter der Verfassten Studierendenschaft. Es gibt ja Länder, in denen es keine Verfasste Studierendenschaft gibt, wobei sie in Baden-Württemberg wieder eingeführt werden soll. Ich halte die Verfasste Studierendenschaft für einen Vorteil, denn ohne sie erfolgt die Interessenvertretung der Studierendenschaft mehr informell, beispielsweise über politische Gruppen.

Ich finde es gut, dass die Verfasste Studierendenschaft in Greifswald sehr aktiv und engagiert ist. Die Erstsemesterwochen sind beispielsweise ein großer Verdienst der Verfassten Studierendenschaft, da sind meine Erfahrungen durchaus positiv. Dass ich im Übrigen mit den Positionen und Stellungnahmen der Studierendenschaft nicht immer übereinstimme, ist ja bekannt (lacht).

Ist die studentische Kultur ein weicher Standortfaktor?

Studentische Kultur ist ein weicher Standortfaktor, dass ist völlig klar. Das impliziert aber nicht, dass man sie noch stärker fördern muss. Erstens ist es primär nicht Aufgabe der Universität, sondern des Studentenwerks, die studentische Kultur zu fördern. Zweitens bekommen wir für eine stärkere Förderung der Kultur nicht mehr Geld, sondern wir müssen es aus den Mitteln für Lehre und Forschung nehmen. Wir fördern die studentische Kultur durch ganz erhebliche Mittel, eine noch stärkere Förderung ist aber schwierig.

Sie wurden verantwortlich gemacht, dass die studentische Kultur im Sterben liegt. Wie stehen Sie dazu?

Der Rektor ist immer verantwortlich, besonders wenn irgendetwas schlecht läuft (lacht). Wir haben dem Club 9 im Laufe der Jahre viele verschiedene Alternativen angeboten, die sich alle nicht realisieren ließen, weil sie mit den Vorstellungen der Clubmitglieder nicht kompatibel waren. Der Club hat da ganz feste Vorstellungen, die er realisieren will. Die Verwaltung hat sich dann große Mühe gegeben einen passenden Ort für den Club zu finden. Ich bin der Überzeugung, dass wir noch eine Lösung finden werden. Solche Prozesse ziehen sich hin, das war beim Studententheater genauso. Ich habe auch den Vorschlag gemacht, dass mehrere Studentenclubs eine gemeinsame Räumlichkeit haben könnten. Ein Studentenclub hat in der Regel nur einmal in der Woche Betrieb, und da ist es nicht einzusehen, dass dafür Räumlichkeiten für sieben Tage zur Verfügung gestellt werden.

Dieses Interview ist auch im aktuellen moritz-Magazin erschienen, welches ab heute überall zu haben ist. Hier geht es zur PDF-Version.

In den Clubs passiert aber noch mehr als der eine Betriebstag.

Das sagen die Verantwortlichen auch immer, aber ich schaue begierig auf die Internetseiten und finde dann nichts. Was genau da sonst noch so geschieht, haben die Mitglieder nie genau erklärt.

Waren Sie schon einmal in einen der Clubs?

Ich war noch nie in einen der Clubs, aber ich lasse mir berichten.

Welche Tipps haben Sie für ihre Nachfolgerin?

Ganz viele, aber die möchte ich nicht öffentlich sagen.

Was ist Ihre Botschaft an die Studierenden der Universität Greifswald?

Die Studierenden der Universität Greifswald sollten ihre Zeit an der Universität gut nutzen, denn das ist eine Zeit, in der man bei allen Sorgen auch viel Freiheit hat, sein Leben zu gestalten. So eine Zeit kommt so schnell nicht wieder.

Das Gespräch führten Katrin Haubold und Simon Voigt

Fotos: Johannes Köpcke (Titel), Simon Voigt, alle webMoritz-Archiv