Kürzere Studienzeiten, höhere Mobilität und vergleichbarere internationale Abschlüsse waren die Ziele der Bologna-Reform. Diese werden von den Studiendekanen in einer Bilanz begrüßt, aber die Umsetzung lief alles andere als glatt.

Vor etwa zehn Jahren wurde in Deutschland damit begonnen, die alten Diplom- und Magisterstudiengänge in modularisierte Bachelor- und Masterstudiengänge umzustellen, wie sie schon vorher in den USA oder Großbritannien zu finden waren.

Forderung nach mehr Landesmitteln

Es gibt Kritik an der Bologna-Reform. Der Begriff „Bulemie-Lernen“ geht umher. Für Studenten ist der Übergang zwischen Bachelor und einem Master schwierig. So bekam Felix Scharge (Biochemie) erst eine Absage, dann aber doch eine Zusage, weil sich von den auswärtigen Studienbewerbern nur wenige einschrieben. Wie aber sehen die Fakultäten die Bologna-Reform?

Das Logo zum Bologna-Prozess

Die Philosophische Fakultät gehörte zu den Vorreitern der Bologna-Reform. Bis auf das Lehramt wurden alle anderen Studiengänge auf Bachelor und Master umgestellt. Studiendekan Prof. Patrick Donges befürwortet die Reform, „weil sie Lehre transparenter und verlässlicher macht“. Jedoch sieht er als Hauptproblem zur Verbesserung der Studienbedingungen die „immer prekärer werdende finanzielle Ausstattung“ seiner Fakultät mit dem Verlust von zahlreichen Professuren und Instituten. Um die chronische Unterfinanzierung zu bekämpfen, fordert er mehr Landesmittel. Bis 2014 sollen die Bachelor-Teilstudiengänge besser verzahnt, der Master durch integrierte Masterstudienprogramme attraktiver und die modularisierten Lehramtsstudiengänge reibungslos umgesetzt werden.

Der Bologna-Reform verweigerte sich die BWL an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Auch bei Jura gab es keine Änderungen durch Bologna. Jedoch gibt es neben dem Bachelorteilstudiengang „Wirtschaft“ auch seit Kurzem den Bachelor „Recht Wirtschaft Personal“ und den Masterstudiengang „Health Care Management“. Prodekan Prof. Steffen Fleßa hält den Masterstudiengang für „ein Erfolgsmodell mit großer Nachfrage“. Die Idee der Bologna-Reform hält er für gut, so seine persönliche Meinung, weist aber darauf hin, dass seine Kollegen diese nicht unbedingt teilen. So sieht er eine längere Studienzeit von Bachelor und Master als beim Diplom und kritisiert, dass weniger Studenten ins Ausland gehen. „Leider wurde Bologna häufig so lust- und fantasielos umgesetzt, dass die Studierenden die Leittragenden wurden. Wer ein Diplom einfach in zwei Teile zerlegt und meint, dass dabei die Ziele von Bologna herauskommen, irrt gewaltig“, fügt er hinzu. Am BWL-Diplom will er festhalten, weil Studierende die Wahl zwischen Diplom und Bachelor/Master haben sollten. Bislang zeige sich, dass sie sich für das Diplom entschieden.

Pharmazie bleibt bei Staatsexamen

An der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät wurden alle Studiengänge bis auf Pharmazie umgestellt. Studiendekanin Prof. Christine Stöhr, die die Ziele grundsätzlich gut findet, räumt aber Fehler ein, weil sich die Mobilität „nicht wirklich verbessert hat“, die Studenten weniger Freiheit hätten und die Verteilung der Credit points (Leistungspunkte, die ein Student mit bestandenen Prüfungen erhält) willkürlich sei und nicht unbedingt dem Arbeitsaufwand entspreche. Schnellere Studienmöglichkeiten begrüßt sie. Die Fehler würden Schritt für Schritt abgebaut, beispielsweise mit einem Mobilitätsfenster für ein Auslandssemester.

Hetze von Modulprüfung zu Modulprüfung

An der Medizinischen Fakultät (Universitätsmedizin) ging die Bologna-Reform weitgehend vorbei, weil Medizin weiterhin auf Staatsexamen gelehrt wird. Seit fünf Jahren gibt es dort einen Bachelor, der sich an Studenten „mit Interesse an moderner biomedizinischer Forschung richtet und das sehr gut läuft“, wie Studiendekan Prof. Rainer Rettig betont. Ferner gibt es einige Weiterbildungsstudiengänge in der Zahnmedizin, die mit einem Master abschließen. Rettig sieht die Bologna-Reform weitgehend kritisch, denn „die Universitäten haben mehr zu leisten als Ausbildung, nämlich Bildung“. Das gehe nicht, wenn man ständig von Modulprüfung zu Modulprüfung hetze mit dem einzigen Ziel, möglichst schnell in den Beruf zu kommen. Er kritisiert, dass die umgestellten Studiengänge international nicht vergleichbarer geworden sind. So gingen 40% der Medizinabsolventen für einen Teil ihres Studiums ins Ausland, ganz ohne Bachelor- und Masterstudiengang. Ihm falle es schwer, das umgestellte System noch ernst zu nehmen, als er miterlebt habe, „mit welch irrlichternden Begründungen manchmal ECTS-Punkte festgelegt werden“. Sollte die Politik über kurz oder lang Medizin und Zahnmedizin umstellen, wäre das aus Rettigs Sicht kein Fortschritt.

Zusammenfassend begrüßen die Studiendekane die Bologna-Reform, aber im Großen und Ganzen wurden die Ziele nicht erreicht. Vernichtend äußerte sich der Prorektor für Studium und Lehre, Prof. Michael Herbst im Februar 2011: die Bologna-Reform „ist eine bildungs- und wissenschaftliche Katastrophe“.
Ein Bericht von David Vössing