Man kennt es als Containern, Dumpstern oder Mülltauchen, doch was hat es mit diesem Trend auf sich und wie lässt es sich in Greifswald containern? Rumpel aus der Sesamstraße hat‘s vorgemacht und moritz nachgefragt.

Aus dem Müll auf den Tisch

Beim Containern handelt es sich allgemein gesehen um die Mitnahme weggeworfener Lebensmittel. Dabei tendiert die Bewegung dazu, Mülltonnen von Supermarktketten zu durchforsten und die noch verwendbaren Lebensmittel herauszufischen. Der aus den USA kommende Trend ist auch in unserer Hansestadt angekommen. moritz wurde von Lias (Name von der Redaktion geändert), einer Dumpsterin, berichtet, dass es in Greifswald schätzungsweise zehn bis fünfzehn Gruppen gibt. Diese bestehen aus je vier bis fünf Personen und durchforsten immer zu später Stunde die Mülltonnen.

Doch wie genau fühlt man sich selbst, wenn man des Nachts Mülltonnen nach Essbarem durchwühlt? Sobald die Tonne geöffnet wird und einem ein säuerlicher Geruch in die Nase steigt, spürt man eine wachsende Spannung. Es ist alles noch dunkel. Erst wenn die Taschenlampen das Tonneninnere erleuchten, enthüllt sich das Geheimnis: Ein Berg voller Snacks an Obst- und Gemüsebeilagen gepaart mit Milchprodukten, die seit einem Tag abgelaufen sind, kommt zum Vorschein. Das große Wühlen beginnt, am Anfang ziemlich gehemmt und scheu, später wird die Tonne immer beherzter umgegraben. Mit einem Ohr immer nach verdächtigen Geräuschen lauschend, füllt man seine Supermarkttüten. Wenn alles gesichtet wurde, steigt man schnell auf sein Fahrrad und je nachdem, wie ergiebig die Beute war, heißt es ab zum nächsten Container oder nach Hause. Dort wird alles gesäubert, auf dem Tisch wie ein wahres Festmahl ausgebreitet und gerecht aufgeteilt, ein bisschen so wie Erntedank.

Dennoch liegt der Reiz am Containern nicht nur bei der Mitnahme kostenloser Lebensmittel, sondern hat auch ethische Hintergründe. Wie ein Artikel der Internetseite dumpstern.de berichtet, werden allein in Deutschland jedes Jahr 82 Kilogramm noch gut erhaltener Lebensmittel im geschätzten Wert von 300 Euro pro Haushalt weggeworfen. Diese Aussage wird von Dokumentationen wie „We feed the world“ unterstrichen. Der Dokumentarfilm bringt erschreckende Fakten ans Licht, beispielsweise dass sechs Tage altes Brot weggeworfen wird – insgesamt sind es in Deutschland zwei Millionen Tonnen im Jahr.

Dabei werden im Vorfeld über die Hälfte der produzierten Lebensmittel gar nicht erst zum Weiterverkauf zugelassen, da sie den Normen der Europäischen Union nicht entsprechen. Durch diese Normen erhalten Obst und Gemüsesorten Auflagen über Form, Größe und Gewicht. In der Kartoffelproduktion zum Beispiel werden 30 bis 40 Prozent der Ernte aussortiert. Gerade jüngere Generationen kennen kaum noch unförmige oder nicht perfekt aussehende Nahrungsmittel. An der der Obst- und Gemüsetheke werden sozusagen die Topmodels gecastet und in der Landwirtschaft ist ein steigender Druck auf die Bauern zu verzeichnen. Daher steigen viele Bauern auf Maisproduktion um, denn dieser wird nicht zum Lebensmittelgebrauch verarbeitet, sondern als Brennstoff oder Viehfutter verwendet, was für die Bauern wirtschaftlich rentabler ist.

„Ich ekel mich, wie viel weggeworfen wird!“

Die Supermärkte bieten unzählige Varianten von Aufschnitt, Fleisch, Obst, Gemüse und vielem mehr an, was den Verbraucher durch die große Auswahl zunehmend anspruchsvoller macht. Das Resultat: Lebensmittel landen bei dem kleinsten Makel in der Tonne. Für den Anbieter würde es sich nicht lohnen, solche Lebensmittel unter ihrem eigentlichen Preisniveau zu verkaufen, da der höhere Marktpreis sonst nicht mehr zu realisieren wäre. Aber es gibt eben auch Menschen, die dieses Vorgehen boykottieren. Wie Lias erklärt, empfindet sie keineswegs Ekel gegenüber dem weggeworfenen „Müll“, sondern ekelt sich beim Öffnen der Tonne vielmehr davor, wie viele gute Lebensmittel weggeworfen werden.

Ein sehr großer Anteil aus den Mülltonnen ist erstaunlich gut erhalten und noch genießbar. Soziale Einrichtungen und Tafeln sind auf solche Spenden angewiesen. Dennoch entscheiden sich Discounter oftmals gegen die Lebensmittelspende, weil sie Vorteile durch Kosteneinsparungen bei der Abfallbeseitung und Imagepflege nicht erkennen. In Großstädten gibt es eine hohe Zahl an Lebensmittelspendern und auch in Greifswald beteiligen sich Bäcker und Großmärkte an Spenden. Konkrete Namen bleiben aber unbekannt und einige Märkte geben auch auf Nachfrage keine Auskunft.

Containern – legal?

Man könnte daraus schließen, dass es begründet und somit in Ordnung ist, diese Lebensmittel aus den Tonnen zu nehmen, doch die Rechtslage sieht meist anders aus. Beim Containern handelt es sich eigentlich um Diebstahl, welcher gemäß Paragraph 242 im Strafgesetzbuch (StGB) eine Straftat ist. Dabei ist zu klären, ob es sich bei der Lebensmittelentsorgung um eine Eigentumsaufgabe handelt. Das würde bedeuten, dass der Eigentümer (in diesem Fall der Supermarkt) die Produkte nicht mehr haben will und ihm auch egal ist, was damit passiert. Hinweise zur Klärung könnten beispielsweise sein, dass die Mülltonne öffentlich zugänglich und schlussfolgernd nicht abgeschlossen ist. Die meisten Mülltonnen befinden sich jedoch auf dem Privatgelände der Discounter und sind seit Bekanntwerden des Containerns abgeschlossen. Daher handelt es sich bei der Entnahme der Lebensmittel nicht nur um Diebstahl, sondern auch um schweren Hausfriedensbruch gemäß Paragraph 123 StGB. Beides wird mit Geldstrafen und Sozialstunden geahndet. Dennoch schreckt dieser Tatbestand die Dumpster nicht ab. Eher werden sie immer erfindungsreicher in ihrer Herangehensweise, da Mülltauchen den Lebensmittelbedarf eines Greifswalder Studenten decken kann.

Gekauft werden nur Brot, Nudeln und Reis

Containert wird laut Lias vor allem Obst und Gemüse, im Winter auch gerne Milchprodukte und Fleisch. Sie selbst müsse nur noch Brot, Nudeln und Reis einkaufen, der restliche Bedarf wird durch die Mülltonne befriedigt. Weiterhin erfahren wir, dass nicht nur gut erhaltene Lebensmittel in der Tonne landen. In der Weihnachtszeit finden sich zum Beispiel viele Weihnachtssterne an, die vermutlich weggeworfen wurden, weil einige Lampen nicht mehr leuchteten. Trotzdem seien sie noch gut genug zum Aufhängen, findet sie. Auch riesige Rosensträucher und andere Pflanzen werden in die Mülltonne verbannt. Ein wahrer Glücksgriff für Lias war jedoch einmal eine Tüte Chips und zwei Flaschen Bier für einen netten Videoabend.

Von Freunden wird sie für ihre kontroversen Aktivitäten nicht verurteilt, sondern erhält eher Zuspruch und die Freunde zeigen Interesse an einer Schnuppertour. Unsere Dumpsterin erzählt, dass sie auch ganz offen mit ihren Eltern über das Containern sprechen kann und von ihnen ermutigt wird. Tendenzen zeigen, dass Containern gerade in studentischen Kreisen viel Zuspruch findet.

Ein Reportage von Ulrike Günther und Luise Schiller, Foto privat