Zum Nordischen Klang spielte der Isländer Steingrímur Karl Teague mit seiner Band Moses Hightower und hielt eine musikalische Lesung. Neben der Musik und dem Texteschreiben hat er eine ausgeprägte Vorliebe für koffeinhaltige Heißgetränke.

Steingrímur Karl Teague (28) plaudert über seine Inspiration beim Schreiben: „Jeder schreibt doch irgendwas als Kind – und ich habe einfach nie aufgehört.“

Als ich Steingrímur an einem grauen Sonntagmorgen zum Frühstück abhole, begrüßt er mich direkt mit einer Entschuldigung: „Ich bin noch kein richtiger Mensch, bevor ich nicht ein paar Tassen Kaffee getrunken habe.“ Da sind wir auch gleich bei seinem Lieblingsthema. Über Weihnachten habe er einmal einen Kaffee-Entzug versucht und schwor sich nach dem gescheiterten Experiment, nie wieder ohne zu leben. Das Liebeslied an den Kaffee, das er nach diesem traumatischen Erlebnis schrieb, trägt er am Abend bei seiner Lesung vor. Es scheint wirklich eine liebevolle Beziehung zu sein.

Heute morgen ist Steini tiefenentspannt. Gestern spielte er mit der Band Moses Hightower im St. Spiritus und war vor der Show ziemlich nervös, denn sie spielten mit einem ganz neuen Line-Up. Der Drummer konnte nicht dabei sein, weil er den ersten Geburtstag seines Sohnes feierte – der Albumtitel „Búum til börn“, „Lass uns Kinder machen“, hatte Wirkung gezeigt. Außerdem hatten sie sich spontan noch drei weitere Musiker einfliegen lassen und trafen sich in dieser Formation das erste Mal zum Soundcheck. Dazu kam die Aufregung, in einem anderen Land vor einem unbekannten Publikum zu spielen. Auf Island haben die Konzertbesucher meist eine Ahnung, was sie erwartet, und wenn nicht, verstehen sie zumindest die Texte. Die Greifswalder gingen dagegen ahnungslos zum Konzert: „Es war für mich unglaublich, dass die Leute so bereitwillig eine Band hören wollten, die in irgendeiner obskuren Sprache singt.“

Überhaupt sei die deutsche Musikszene anders als die isländische. Hier gehen die Leute der Musik zuliebe zum Konzert; auf Island hingegen kennen sich alle Musiker. Da kommt es schon mal vor, dass man sich eine christliche Post-Rock-Band anhört, einfach weil man mit einem Mitglied befreundet ist; oder wie Steini sagt: „Auf Island haben viele Bands verschiedene Namen in verschiedenen Stilrichtungen und verschiedene Alben bei verschiedenen Labels, aber es sind trotzdem die gleichen Leute.“ Er selbst hat etwa 15 Projekten, so genau habe er aber nicht nachgezählt. Apropos Projekte. Gibt es schon Ideen für die Zukunft? „Ein Freund von mir hat eine Kaffeemaschine neben dem Bett, da muss er morgens nur neben sich greifen und auf den Knopf drücken. Das werde ich jetzt auch in Angriff nehmen.“

Konkretere Pläne gibt es hingegen schon für Moses Hightower. Aktuell laufen die Aufnahmen für das zweite Album, das im Spätsommer auf Island erscheinen soll. Im restlichen Europa wird es nicht veröffentlicht, da die Songtexte ausschließlich Isländisch sind. Sie könnten natürlich auf Englisch singen, um mehr Menschen zu erreichen, doch hat sich die Band bewusst für das Isländische entschieden: „Auf Island schätzen die Leute das sehr. Natürlich bedeutet das auch, dass wir außerhalb der Insel nicht sehr relevant sind, außer vielleicht in solchen utopischen Situationen wie dieser hier [Er meint den Nordischen Klang, Anm. d. Red.].“ In seinem Privatleben fällt ihm die Entscheidung zwischen den zwei Sprachen schwerer. Steingrímur ist Sohn einer Isländerin und eines Amerikaners und bilingual aufgewachsen. Diese Verbindung und der daraus resultierende Name haben sein Leben nicht immer einfach gemacht: „Karl“, sein zweiter Vorname, bedeutet im Isländischen „Mann“. Der Nachname „Teague“ kommt aus dem Englischen und bezeichnet eigentlich einen Dichter – Isländisch ausgesprochen heißt er aber „Hündin“ und hat in Verbindung mit dem zweiten Vorname schon für einige schlechte Witze gesorgt.

Texteschreiben ist wie Geologie

Moses Hightower bei ihrem Konzert im St. Spiritus

Gerade bringt die Kellnerin den zweiten Riesenbecher Kaffee und Steini wird mit jedem Schluck ein bisschen gesprächiger. Der Kaffee ist auch beim Schreiben seine nie versiegende Inspirationsquelle, gerade weil die Textproduktion bei ihm ein langwieriger Prozess ist. Man muss sich langsam vorarbeiten, Wort für Wort und Zeile für Zeile aufschichten; und alles passiert über einen langen Zeitraum. Das fühlt sich an wie Geologie: „Plötzlich ist ein ganzer Berg entstanden und man hat es gar nicht mitbekommen, weil es so langsam vor sich ging.“ Mittlerweile ist ihm die Arbeit mit Literatur aber fast wichtiger als das eigene Schreiben. Nach seinem Abschluss in Publishing and Editing hat er unter anderem als Literaturreferent für das Projekt „Sögueyjan Ísland – Sagenhaftes Island“ der Frankfurter Buchmesse gearbeitet.

Wir plaudern auch kurz über die isländische Finanzkrise im Jahr 2008, über die er sicher oft befragt wird. Trotzdem erzählt er gern von der sogenannten Kochtopfrevolution, bei der tausende Isländer vor dem Regierungsgebäude demonstrierten und mit Kochlöffeln auf Töpfe und Deckel schlugen. Über die Proteste wurde kürzlich ein Album gemacht und Steingrímur wirkte daran mit, obwohl er während der Krise gar nicht vor Ort war: „Ich war im Ausland. Das hat sich angefühlt, als wäre ich auf dem Mond und würde den Weltuntergang beobachten.“

Wirklich beeinträchtigt hat die Krise seine finanzielle Lage nicht: „Ich war ja ein einfacher Student in Amsterdam. Ich wusste sowieso, dass ich jeden Tag Nudeln essen würde.“ Auf die Frage, ob aus dieser Situation der „Bankabókarblús“, „Sparbuchblues“, entstanden ist, lacht er. Er wird wohl von vielen Ausländern für eine tiefgründige Reflektion über die aktuelle sozio-ökonomische Lage Islands gehalten, tatsächlich geht es nur um das leere Konto am Monatsende. Übrigens gibt es in „Bankabókarblús“ auch eine Zeile, die von kaltem Kaffee handelt. Das ist sicher purer Zufall.

Ein Portrait von Stephanie Pätzold mit Bildern von Stephanie Pätzold (Steini) und Berit Bretschneider (Band)