Eine der reichsten Universitäten Deutschlands. Auf den ersten Blick eine Beschreibung, die man unserer Alma Mater gar nicht zutraut. Doch die Ländereien und der gleichzeitige Notgroschen haben zahlreiche Bauprojekte ermöglicht.

Wolfgang von Diest

Die Universität Greifswald verlor im Laufe der Geschichte viele ihrer Besitztümer, doch noch heute kann sie 8 700 Hektar Wald- und Ackerflächen, sowie zahlreiche Immobilien ihr Eigen nennen. Genug um mit dem erwirtschafteten Gewinn, neben dem steuerfinanzierten Haushalt, einen zweiten sogenannten Körperschaftshaushalt aufzustellen.

Doch wie wurde unsere Universität zur Gutsherrin? Mit Gründung der Alma Mater Gryphiswaldensis im Jahre 1456 wurden ihr bereits großzügige Ländereien zu eigen. Der Großteil ihres Besitzes war jedoch Teil einer Schenkung des Pommernherzogs Bogislaw XIV. Dieser war Patron der hohen Schule und damit der Universität finanziell verpflichtet. So war er nicht nur zuständig für die Einberufung von Rektoren, sondern auch maßgeblich für ihre Bezahlung.

In der Zeit um den 30-jährigen Krieg kamen die Herzöge ihren Verpflichtungen jedoch nur schleppend nach. So wuchsen die Forderungen der Universität auf 4 000 Gulden an. Den angehäuften Schuldenberg vor Augen, erinnerte man sich der Säkularisierung des Klosters Eldena, dessen Ländereien sich die Fürsten nach der Reformation einverleibten. Am 28. März 1634 überließ man das fürstliche Amt Eldena der Universität per Schenkungsurkunde. Der Herzog behielt sich allerdings Rechte, wie die Steuererhebung für die Ländereien, vor. Denn neben Wäldern, Äckern und Wiesen erhielt die Universität zahlreiche Dörfer wie Schönenwalde, Newenkirchen oder Wyke. Insgesamt besaß die Universität 14 500 Hektar, eine Fläche fast dreimal so groß wie das damalige Greifswald. Ziel der Schenkung war, dass die Universität sich aus den Liegenschaften selbst finanzieren kann, was nach Tilgung aller Schulden bis Ende des 19. Jahrhunderts der Fall war.

Mit der Bodenreform in der ehemaligen DDR wurde das Land Volkseigentum und im Zuge der Flüchtlingswelle großflächig aufgesiedelt. Während private Großgrundbesitzer und Kriegsverbrecher enteignet wurden, stellten Gemeinden, Kirchen und die Universität das Land entschädigungslos zur Verfügung. Durch diesen rechtlichen Unterschied war es nach der Wende möglich, Rückübertragungsanträge zu stellen.

Nachdem diese heute weitestgehend bearbeitet sind, besitzt die Universität wieder Liegenschaften im Umfang von ungefähr 8 700 Hektar, wobei sich die Wälder um die Hansestadt herum befinden. Betreut werden sie durch die Liegenschafts- und Forstverwaltung der Universität und ihren Leiter Wolfgang von Diest. „Als meine Frau und ich nach der Wende die neuen Bundesländer erkundeten, verliebten wir uns während eines Urlaubs an der vorpommerschen Boddenlandschaft in die Region und Naturlandschaft“, so der gebürtige Lüneburger. Da war es für Familie von Diest ein glücklicher Umstand, dass sich die Universität im Jahre 1997 dazu entschloss, wieder eine eigene Forstverwaltung aufzubauen.

„Das war eine spannende Zeit, da alle Strukturen neu aufgebaut werden mussten“, erinnert sich von Diest. Es gab weder Unterlagen noch Personal und vor allem kein nachhaltiges und ganzheitliches Bewirtschaftungskonzept. Bis 2003 verbrachte von Diest als Universitätsförster gemeinsam mit seinen treuen Begleitern, den Rauhaardackeln Seppel und Quacks, viel Zeit im Freien. Nun koordiniert er zusätzlich die Bewirtschaftung der Flächen. Eine Arbeit, die seinen Schreibtisch zum Biegen und das kleine Büro zum Überquellen bringt.

Bei allen ökonomischen Überlegungen liegt ihm besonders das Thema Nachhaltigkeit am Herzen. Ursprünglich als Begriff aus der Forstwirtschaft verstanden, geht die Nachhaltigkeit heute weit darüber hinaus. So trägt die Universität auch eine Verantwortung für die regionalen Landwirtschaftsbetriebe und ihre Angestellten. „Darum achten wir darauf, Land an einheimische Bauern zu verpachten und ihnen trotz kürzer werdender Laufzeiten Planungssicherheit zu gewährleisten“, so von Diest. Das funktioniere über regelmäßige Verlängerungen von Verträgen, wenn die Bewirtschaftung des Landes angemessen durchgeführt wird. Allerdings zu angepassten Konditionen. Spekulanten, welche zur Risikostreuung Land als Wertanlage und Sicherheit für sich entdeckt haben und so die Preise in horrende Höhe treiben, möchte man keinen Vorschub leisten. Daher gibt es auch keine öffentlich zugänglichen Informationen oder Karten, welche die Besitz- und Pachtverhältnisse offenbaren würden.

Auch von der Energiewende kann die Universität profitieren. Es wurden Windenergieeignungsflächen ausgewiesen und Verträge mit Windkraftanlagenbetreibern geschlossen. Über die Nutzung von Photovoltaikanlagen wird hingegen immer wieder hitzig diskutiert. Denn zum einen ist ihre Umweltfreundlichkeit durch hohe Energiekosten in der Herstellung und durch die in ihnen enthaltenen Schadstoffen strittig. Zum anderen erschweren Denkmalschutzvorschriften das Anbringen von Anlagen auf den zumeist geschützten Universitätsgebäuden. Man steht jedoch mit den Stadtwerken über die Bereitstellung von Flächen für die Nutzung von Photovoltaikanlagen in Verhandlung.

Doch bei aller Euphorie über die zusätzlichen Einnahmen bleiben Einschränkungen. Da das Landeshochschulgesetz der wirtschaftlichen Betätigung der Universität starke Grenzen setzt, kann sie nicht in dem Maße eigenständig wirtschaften, wie vielleicht gewünscht. Windkraft- oder Solaranlagen werden nicht eigenverantwortlich gebaut, sondern lediglich das Land dafür zur Verfügung gestellt. Derzeit fließt durch die Notwendigkeit der Kooperation mit universitätsfremden Akteuren viel Gewinn ab. Doch auch die Gründung einer privatrechtlichen Stiftung brächte einen Souveränitätsverlust und steuerrechtliche Probleme mit sich und ist von daher umstritten.

Trotzdem betont von Diest, welche enormen Vorteile der zweite Haushalt bereits jetzt, vor allem in Zeiten knapper Landeskassen, bietet. „Nach der Wende stieg die Studentenzahl von ungefähr 3 500 auf heute 12 500 an und die Uni versität platzte aus allen Nähten. Da ist es schön, wenn man mit eigenen Mitteln aushelfen kann.“ Der Bau des Hörsaalgebäudes „Kiste“ in der Makarenkostraße wurde vollständig aus Mitteln des Körperschaftshaushalts finanziert. Durch eine größere Unabhängigkeit von langfristigen Genehmigungsverfahren wird es möglich, außerplanmäßige oder sehr dringliche Projekte schneller und einfacher anzugehen.

Auch die Sanierung des Universitätshauptgebäudes und aktuell der Bau des Campus in der Friedrich-Loeffler-Straße werden durch den zweiten Haushalt beschleunigt. Die Universität streckte dem Land für die Realisierung des Campus rund zwölf Millionen Euro vor. Mitarbeiter der Liegenschaftsverwaltung sowie Stipendiaten werden ebenfalls aus den erwirtschafteten Gewinnen bezahlt. „Es ist reizvoll und ein schönes Gefühl, sich seinen Lohn selbst zu verdienen“, so von Diest. „Doch eigenes Vermögen und Erfolge wecken auch immer Begehrlichkeiten“, gibt er zu bedenken. „So darf das Land nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden, denn die Universität bleibt eine Landeseinrichtung.“ Forderungen und Beschwerden müssen demnach vornehmlich an das Land, den Träger der Universität, gerichtet werden.

„Überlegungen, Land zu veräußern, geistern leider immer wieder durch einige Köpfe. Vor allem seit der enormen Preisentwicklung von Ackerland.“ Der Verkaufswert landwirtschaftlicher Nutzfläche in Mecklenburg-Vorpommern hat sich zwischen 2006 und 2010 annähernd verdoppelt. Von den anfangs 4 600 Euro war ein Preisanstieg auf 9 200 Euro je Hektar zu verzeichnen. Dies sind jedoch nur Durchschnittswerte, die je nach Bodenqualität und Lage stark variieren können. Wolfgang von Diest spricht von Preisen in Vorpommern, die im Bereich von 10 000 bis 15 000 Euro liegen. Doch Börsencrash und Wirtschaftskrisen zeigen: „Besser den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. Da lässt’s sich ruhiger schlafen.“

Bogislaw-Stipendium

Seit 2010 vergibt die Universität Greifswald Stipendien an besonders leistungsstarke Doktoranden, um ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, eine möglichst hochwertige Promotion zu erstellen. Die Dauer umfasst in der Regel zwei Jahre, wobei das Grundstipendium 1 200 Euro beträgt. Im Wintersemster 2011/2012 wurden vier, zum jetzigen Sommersemester drei, Stipendien ausgeschrieben, wobei Anträge jeweils bis zum 1. August beziehungsweise 31. Januar eingereicht werden müssen.

Benannt ist das Stipendium nach Bogislaw XIV., dem letzten Pommernherzog und Vertreter des slawischen Greifengeschlechts. Dieser übertrug im Jahre 1634, aufgrund von Patronatsschulden, einen Großteil des heutigen Grundbesitzes an die Universität. Damit legte er den Grundstein des Körperschaftshaushalts, aus welchem die Stipendien finanziert werden. Dabei bleibt zu hoffen, dass es die angehenden Doktoranden nicht all zu genau nehmen mit ihrem Namenspatron. Denn dieser wird in der Geschichte als eher schwache und tafelfreudige Persönlichkeit beschrieben und ging in sie ein als „Sauf- und Betfürst“.

Ein Bericht von Johanna Duewel mit Fotos von Johannes Köpcke und Simon Voigt