ein Beitrag von Corinna Schlun

Packpapier, Tanz und Fahrrad. Damit lädt Ralf Dörnen die Zuschauer des Theater Vorpommerns in die Welt von Georg Büchners Drama „Woyzeck“ ein.

Die Handlung ist einfach: Woyzeck (Nathan Cornwall), ein armer Soldat, versucht mit allen Mitteln seine Geliebte Marie (Margaret Howard) und ihr uneheliches Kind zu versorgen. Dabei wird er zum Laufburschen des Hauptmanns (Simon Kranz) und unterzieht sich merkwürdigen Experimenten eines Doktors (Barbara Buck). Im Endeffekt bringt ihm das Geldverdienen nichts, denn Marie betrügt ihn mit dem angesehenen und schönen Tambourmajor (Stefano Fossat). Da Woyzeck nun den letzten Halt in der Gesellschaft verliert, bekommt er Wahnvorstellungen. Indem er Stimmen hört, wird er ermutigt Marie zu töten. Genauso schnell wie die Handlung erzählt ist, ist auch das Buch gelesen; kurz, knapp, präzise.

Für Geld nimmt Woyzeck an den seltsamen Experimenten eines Doktors teil.

Kaum zu glauben aber Dörnen schafft es mit seiner Ballett-Inszenierung, das Stück auf noch weniger Sätze zu reduzieren. Der prägnanteste Satz „Hat er seine Erbsen gegessen?“  wird dabei zum Synonym für den Doktor. Eine Schauspielerin, die es schafft die Rolle des männlichen Doktors perfekt darzustellen. Die Bewegung, die Mimik und die Sprache werden durch ein unglaublich echt wirkendes Kostüm komplettiert.

Nicht nur die einfachen Kostüme, sondern auch das Bühnenbild schaffen es den Zuschauer in die Welt des Pauperismus zu ziehen. Lange Streifen von Backpapier hängen über der Bühne und sollen die Umrisse von Räumen darstellen. Minimalismus erstreckt sich auch über das restliche Bühnenbild, nur wenige Gegenstände sind auf der Theaterbühne zu finden. Ein Bett, Geweihleuchter und Stühle – auf mehr kann der Besucher lange warten. Aber mehr braucht das Stück auch nicht, denn vor allem die Schauspieler und Tänzer stehen mit ihren Rollen im Mittelpunkt.

Nathan Cornwall brilliert als Woyzeck, fast möchte man ihm die gespielte Verrücktheit wahrhaftig zuschreiben. Aber nicht nur er, auch die anderen Darsteller gehen in ihren Rollen auf und geben dem Stück leben.

Untermalt wird das Drama von der Musik. Mit klassischem Ballett hat die Aufführung nicht viel gemein, hier werden Musikrichtungen vermischt. Das Stück wird grundlegend modernisiert und das zeigt sich insbesondere im Tanz: nicht nur Pirouetten, sondern moderne Schritte sind in der Choreographie zu finden. Zwar stimmt ab und zu die Synchronität der Tänzer nicht überein oder es fehlen Tänzer auf der Bühne, aber irgendwie macht genau diese moderne Art das Stück zu etwas besonderem.

So setzt sich Cornwall als Woyzeck zu Beginn und am Ende der Inszenierung auf das Fahrrad, welches eine unergründliche Bedeutung zu haben scheint, und sucht sich selbst und seinen Platz in der Gesellschaft. Dabei bleibt ihm nur noch eins zu sagen: „Herr Doktor, es wird mir dunkel.“ Und dunkel wird es auch auf der Bühne, aber nicht lange, denn fünf Minuten lang werden die Darsteller von den Zuschauern bejubelt. Eine Belohnung, die verdient ist, denn wer es schafft, ein stupides Stück wie Woyzeck interessant zu gestalten, darf sich feiern lassen.

 

 

http://youtu.be/uNKRMEOY7iU

Bilder: Theater Vorpommern, keine CC-Lizenz

Video: Greifswald TV