„Ist ja mal geil, dass immer mehr Leute kommen“. Noch einen Schluck Bier und schon ging es los. Statt die Koeppen-Bühne zu betreten, setzte sich Sonderholm mit seiner Gitarre in die heimelige Atmosphäre zwischen die Gäste. Zur Einstimmung brachte er diesmal ein Lied von Olli Schulz mit. „Damit würde ich jetzt gern losfetzen, solange ich des Fetzens mächtig bin“. Er haute in die Klampfe und zog als erstes den Jahresrückblick, samt Promi-Proleten durch den Dreck. Das rund 50-köpfige Publikum klatschte und war gefangen … im Sonderholm-Fieber.

Doch wer ist dieser Sonderholm? Christian Holm, (noch) Schauspieler am Theater Vorpommern ist seit rund zehn Jahren bekannt durchs TresenLesen. Jetzt hat er einen Weg gefunden seine Kreativität und subtilen Humor ein Ventil zu geben. Einmal im Monat liest, singt, spielt und vor allem blödelt er auf der Bühne im Koeppenhaus. Letzten Sonntag stand das Thema Wut im Vordergrund.

„Halt die Fresse, ich hab‘ eigene Probleme!“

Nach einem kleinen heroischen Presserückblick aus den vergangenen Wochen, folgte passend zum Thema ein inszenierter Kinski-Dialog. Sonderholm schrie sich, ganz im Kinski-Stil, die Wut aus den Hals. „Was wollen sie denn von mir? Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Ganz gebannt schaute die Menge auf Holm. Ein wenig literarisches folgte im Anschluss, wahrscheinlich zur Beruhigung. Doch die währte nicht lang.

Dann brach es wieder aus ihm heraus. Sonderholm schaukelte seine Wut immer höher. Diesmal nahm sie richtig Form an und bekam sogar einen Namen: Dirk Löschner, Neu-Intendant am Theater Vorpommern. Da er für zahlreiche Kündigungen verantwortlich ist, unter anderem auch Sonderholms, sollten sich bei ihm durch Holms russisch-musikalische Drohung die Nackenhaare aufstellen. Sein korrupter Bruder Wladimir aus Wladiwostok würde schon dafür sorgen. Man habe Kontakte zur Mafia. „Und Rache auf Russisch tut weh“. Sonderholm feixte: „Was einem alles so durch den Kopf geht, wenn man gekündigt wird. Tse tse tse“.

Aber nicht nur das. Jetzt musste auch der digitale Fortschritt dran glauben. In Höchstform tat er seinen Hass gegenüber Popup-Buttons, zu vielen Netzsteckern, E-mails, die man auf Handys nicht lesen kann, Druckern, die man nicht versteht und verpickelten IT-Nerds, die alles wieder auf Vordermann bringen müssen, kund. Mit ausgestreckten Armen rapte er “Rache für die gebrochenen Versprechen von IT”. Jeder der sein Leid teilen konnte, wurde demonstrativ zum Aufstehen bewogen. Nur das jüngere, studentische Klientel blieb sitzen.

„Ich bin zu fett zum Ficken“. Nach ersten literarischen und musikalischen Ergüssen sowie einer kurzen Pause wurde Sonderholm vom Anarchisten zum Standup-Comedian. Ihn beschäftigten die Fragen, wie man im Alter noch jung sein kann. Durch Rumba? Oder Disco? Oder wie schreibt man einen Hit? Mit einer Ballade? Schlager? Oder gar Hip Hop? Egal. Die Idee ist noch nicht ganz ausgereift. Der Song ist noch nicht fertig. Vielleicht beim nächsten Mal. Vielmehr interessierte doch jetzt, wie es eigentlich mit Hunter weiter ging.

Wenn der Zombie klopft –Teil III

Höhepunkt des Abends war wieder Hunter S. Thomson beim Versuch die Welt vor Zombies zu retten. Die Geschichte setzte auch wieder dort an, wo sie beim letzten Mal aufgehört hatte. Hunter stand diesmal vor den Problemen, einen Zombie von einem Postboten unterscheiden zu müssen, Johnny Ballacks Freundin zu beruhigen, die beobachten konnte „wie ein Kannibale ihn gebissen hat“ und Kollege Velvet vom Grasrauchen abzuhalten.

Sonderholms „analoges Schwarz-Weiß-Hörspiel live und in Stereo!“ erinnerte irgendwie an Dawn of the Dead. Die Zombies ergreifen die Macht. Jeder, der gebissen wurde, mutierte zum Untoten. Wenn da nicht Achtundsechziger wären, die USA im Hippiewahn, das verlassene Albuquerque in Mexiko sowie Larry, der drauf und dran war Hunter sechs Meskalin-Hasen-Köttel zu verticken.

Das Publikum lachte Tränen. So überaus komisch und völlig ohne Sinn. Auch das Lied zum Ausklang, wieder von PeterLicht. Keine Zugabe (wie schade!), aber vier Verbeugungen. Die anschließenden Stimmen waren durchweg positiv. „Irgendwie ist der Typ krank. Aber positiv gemeint. Ich mag sowas total“, fand Mikrobiologiestudent Martin. „Ich finds auch voll cool. Irgendwie psychedelisch“, bestätigten seine Sitznachbarn.

Sonderholm berücksichtigt nun erst mal den Prüfungsstress und die semesterfreie Zeit. Er zieht sich für kreative Ideensammlung ein wenig zurück. Anfang April aber wird er voraussichtlich wieder auf der Bühne stehen. Man darf gespannt sein, was er dann so zu verarbeiten hat.

Fotos: Anne Becker