Freuds Erkenntnis der Mensch sei eben ein »unermüdlicher Lustsucher«, und jeder Verzicht auf eine einmal genossene Lust sei ihm sehr schwer, lerne ich erst jetzt zu verstehen. Der vegane Selbstversuch: Warum Fleisch tödlich sein kann.

Ihr esst unserem Essen das Essen weg!“ Diese mehr oder weniger qualifizierte Äußerung hört man als Vegetarier oder Veganer nur allzu häufig. Die Tatsache, dass es eigentlich die Fleischesser sind, die 70 Prozent des gesamten Getreideanbaus wegfuttern, wird häufig ignoriert. Man sollte sein Gehirn ja auch nicht zu sehr mit Informationen belasten. Nachher müsste man sich noch über seine Ernährung Gedanken machen. Umso einleuchtender erscheint die Studie der Universität Southampton, die herausgefunden haben will, dass insbesondere sich vegetarisch Ernährende überdurchschnittlich intelligent sind. Schließlich sind die Argumente, die eine vegetarische Ernährung rechtfertigen, wesentlich ausgereifter, als die bloße Behauptung: Der Mensch kann ohne Fleisch nicht leben.

Fragt sich, wie Einstein oder da Vinci es geschafft haben. Falls jetzt jemand nicht weiß, was genau ein Argument für eine vegetarische oder vegane Lebensweise ist, dem kann ich aushelfen. Zum einen gefährdet man seine Gesundheit: Wer mehr als 600 Gramm Fleisch pro Woche isst, kann sich bald an Herzerkrankungen oder Darmkrebs erfreuen. Zum anderen wären da moralische Aspekte; denn allein in Deutschland leben rund 26 Millionen Schweine und 35 Millionen Hühner in Massenhaltungen. Schwer vorstellbar, dass es sich bei diesen zusammengepferchten, kreislaufgeschwächten Wesen um glückliche Tiere handeln soll. In Deutschland besteht durch diese wirtschaftlich profitable Haltung, die auch noch mit Steuergeldern subventioniert wird, ein großer Überschuss an Fleisch, das dann billig ins Ausland verkauft wird. Dort setzt es die einheimischen Bauern mit Dumpingpreisen unter Druck, während gleichzeitig der Fleischkonsum in der Bundesrepublik sinkt.

Nun ist es leider so, dass nicht nur Fleisch, sondern auch Milch und Eier in Massentierhaltungsanlagen produziert werden, weswegen ich für vier Wochen zum Veganer wurde. Problematischer Weise enthält scheinbar jede Dosensuppe, jeder Brotaufstrich und auch sonst jedes industriell hergestellte Lebensmittel entweder Magermilchpulver, Milchzucker, Buttermilch, Casein, Eiweiß, Sauermolke oder Honig. Alternativen sind gefragt. Bei meiner Recherche im Internet stoße ich auf eine Gemeinschaft von Veganern, die sich das Ziel gesetzt haben, die Gesellschaft zu veganisieren. Zu Aufklärungszwecken wurde am 1. November der WeltVeganTag eingeführt. Wer allerdings jetzt schon Interesse hat, ist herzlich eingeladen, sich von „Veggi91“ oder „Mieze“ überzeugen zu lassen. Gelingt dies nicht, stürmen die militanteren Gefährten, wie „veganetti“, „Kohlrabi112“ oder „Pflanzenpower09“ die Diskussionsplattform und fegen jede Art von versucht toleranter und objektiver Argumentation mit Extremäußerungen vom Tisch.

Aber dank dieser engagierten Veganer finde ich, kostenlos zum Herunterladen angeboten, ein veganes „ Tierrechtskochbuch“ , in dem tatsächlich einige vielversprechende Rezepte stehen, wie gefüllte Zucchini, Schokoladenkuchen oder Schmorgurken im Tomatenreisring.

Allerdings macht das ständige Studieren der Zutatenliste das Leben als Veganer umständlich und zeitaufwendig. Sicher, nach ein paar Wochen oder Monaten weiß man, was man kaufen darf und was nicht. Bis dahin ist es aber ein mühsamer Weg. Ob man diesen Weg betreten möchte oder nicht, sei jedem selbst überlassen. Doch sollte man bedenken, dass wegen jedem Steak, jeder Bratwurst und jeder Salami ein Lebewesen sterben musste. Auf den Einwand vieler Fleischesser, dass es sich ja doch nur um Tiere handele, lasse ich einfach Mark Twain antworten: „Es ist die typische Eitelkeit und Impertinenz des Menschen, ein Tier dumm zu nennen, nur weil sein menschlicher Verstand nicht ausreicht es zu verstehen.“

Ein Feature von Sabrina von Oehsen mit einer Grafik von Ronald Schmidt