Am ersten Novemberwochenende beehrte Moderator und Musiker Tex das Café Koeppen. Im Anschluss an das ausverkaufte Konzert ergründete moritz Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Liedermachertums.

Auffällig ist, zumindest für uns Kleinstädter, dass du deine Konzerte nicht nur in den Metropolen Deutschlands spielst, sondern auch kleine Städte wie gestern Wismar und heute Greifswald besuchst. Sind die Kleinstadtmenschen vielleicht ein dankbareres Publikum?
Wir haben eigentlich die Erfahrung gemacht, dass es leichter ist in Großstädten Konzerte zu spielen. Was sich aber in Wismar und auch hier gezeigt hat, meine Sachen funktionieren sehr gut mit Studentenpublikum. Denn Studenten haben die Zeit und den Spaß sich intensiv mit den Texten zu beschäftigen. Außerdem sind studentische Zusammenhänge auch noch mehr in solchen Blasen organisiert, also so ein Freundeskreis von acht bis fünfzehn Leuten. Und das ist auch etwas, das man spürt, dass da eben größere Gruppen gekommen sind. Und das passt irgendwie sehr gut zu dem was ich mache.

Du hast Mathematik studiert und als Programmierer gearbeitet, heute beschäftigst du dich vornehmlich mit Worten und Musik. Wo liegen da die Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Welten?
Es war nicht so, dass ich eine lupenreine Karriere hatte und dann irgendwann gedacht hab, jetzt mach ich mal etwas anderes. Seit ich 14 war, ist die Musik im Grunde das Zentrale. Ich hab zwar auch mit Leidenschaft Mathe studiert und auch sehr gerne gearbeitet, aber selten ganztags. Das Neue an der Situation ist daher, dass ich das Technische vor ungefähr einem Jahr ganz aufgegeben habe. Bei TV Noir arbeite ich als Firmenchef nicht nur künstlerisch, man stellt sich das kreativer vor, als es tatsächlich ist. Ich glaube als reiner Musiker würde es mich auch nicht so glücklich machen.Du hast gefragt ob es dort nun Gemeinsamkeiten gibt – ich habe so lange Mathe studiert, dass ich egal was ich mache, das als Mathematiker tue. Im Studium ging es oftmals darum, etwas zu beweisen. Das liegt nicht immer auf der Hand, man hat aber schon einen Verdacht, man spielt ein bisschen herum und erarbeitet sich irgendwie einen Zugang. Und auf einmal „schnackelts“, wie man auf Bayrisch sagt. Dieser Prozess ist ganz ähnlich wie bei der Musik, wenn man so ein wenig auf dem Klavier rumprobiert. In der Mathematik macht man es eleganter, kürzer und bei der Musik feilt man an den Worten und bastelt an der Harmonik.

Wie fühlt es sich für dich persönlich an, diese Sekunden nach dem Beenden eines Liedes, die Augen lösen sich vom inneren Film und betrachten einen Raum voller Augenpaare, die auf dich gerichtet sind?
Ich wünschte es wäre so wie du sagst, aber es ist sehr schwierig die Leute zu vergessen. Es ist oft so, dass ich mir sehr bewusst bin, wer da alles zuhört und eher keinen intimen Kontakt zur Musik habe. Vielleicht geht es anderen Musiker damit anders, aber mir fällt es
oft schwer den Kontakt zur Musik zu erhalten.

Und was spielt sich in deinem Kopf ab, wenn die Menschen deine Texte lauthals mitsingen?
Ja man schreibt da so seine eigenen Gedanken und Gefühle auf, und es ist eh schon total privilegiert das Gefühl zu haben, dass es jemanden interessiert. Aber dann in diesen Momenten zu spüren, dass jemand es so oft gehört hat, dass er sich das Wort für Wort eingeprägt hat, das macht eine tiefe Verbindung. Das ist so ein Urgefühl, nach dem man immer strebt, dass man etwas schafft, was über den eigenen Kosmos hinausgeht, andere
mitnimmt und berührt.

Heute war „Goldene Jugend“ deine Vorband, auch du hast schon die Rolle der Vorband für andere Künstler eingenommen. Wie wichtig schätzt du diese Erfahrung ein?
Ich habe mir abgewöhnt darüber nachzudenken was wichtig ist. Durch TV Noir habe ich sehr viele Musiker kennengelernt, und habe dabei gemerkt, wie befriedigend es ist, hängt ganz wenig davon ab wie erfolgreich es letztlich ist. Viele Musiker erzählen mir auch, je erfolgreicher das Ganze wird, desto weniger steht die Musik im Vordergrund. Man sollte sich dabei vor allem darauf fokussieren, was in den Momenten schön ist und sich daran festhalten, das würde ich jedem ans Herz legen. Wenn man den Musiker mal als Krieger betrachtet, dann könnte man sagen, dass es gut ist auf unterschiedliche Arten zu kämpfen.

Die meisten Singer/Songwriter bewegen sich momentan in den Mittzwanzigern. Macht es dich manchmal wehmütig, wenn du bedenkst, was eventuell passiert wäre, wenn es vor 15 Jahren schon ein Format wie TV Noir gegeben hätte?
Ich würde auf jeden Fall sagen, dass es gut ist, wie ich meinen Weg gegangen bin. Ich bin heilfroh, dass ich vor 15 Jahren nicht hauptberuflich Musik gemacht habe, auch wenn ich das damals natürlich sehr gerne gemacht hätte. Aber vor allem für TV Noir tut es mir sehr gut, dass ich fünf Jahre lang für eine Softwarefirma gearbeitet habe, gelernt habe ein Team zu führen und Erfahrungen gesammelt habe. Diese Doppelgeschichte ist für mich wirklich perfekt.

Aus jedem Winkel unseres Landes sprießen derzeit neue, sehr talentierte Liedermacher und Bands. Wie würdest du die Wichtigkeit der Singer/Songwriter für die heutige Jugend einschätzen?
Es ist zu jeder Zeit interessant mal wieder an die Wurzeln von etwas zu gehen, sich zwischendrin mal wieder zu erden. Außerdem ist auch ein gewisses Zeitgeistphänomen parallel zu dem Erfolg von Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“ entstanden. So wie der einfach aufschreibt, wie er von A nach B geht – so ist es auch mit den Musikern, die sich ein Instrument schnappen und dazu singen. Man hat zur Zeit eine Sehnsucht nach dieser Vereinfachung, die aber im Kern eine gewisse spirituelle Komponente hat. Denn man spürt, dass in dem Wenigen was kommt, alles komplett enthalten ist. Der Musiker lässt immer mehr weg und es bleibt eine Essenz übrig, die sich immer mehr verdichtet und eine extrem hohe Energie hat. Das ist genau das, was die Leute momentan so reizt.

Wer als Singer/Songwriter in Deutschland Erfolg haben will, sollte möglichst schnell zu TV Noir gehen. Den Anschein macht es mittlerweile, wenn man sich die vergangenen Acts der Sendung und ihren anschließenden Erfolg anschaut. Welche Kriterien muss ein Künstler erfüllen, um bei TV Noir auftreten zu dürfen?
Was wir vorhin gesagt haben, ist das Entscheidende. Also, wenn man alles drum herum weglässt und nur noch den absoluten Kern stehen lässt. Berührt es uns dann? Ein schönes Beispiel ist Polyana Felbel, die hat sich mit einem selbst aufgenommenen Video beworben. Qualitativ keine besonders tolle Aufnahme, aber es war für das gesamte Team sofort klar, dass wir sie einladen.

Zum Ende gibt es noch ein schnelles PingPong, TV Noir – Zuschauern dürfte dieses Prozedere bekannt vorkommen:
In welchem Land wärst du am liebsten geboren?
Ich finde in Deutschland geboren zu sein ist ganz schön cool.
Wein, Bier oder Cola?
Wein.

Mit wem würdest du gerne mal im Fahrstuhl stecken bleiben?
Ruhig mit einem Unbekannten, ich finde das lustig auch beim Trampen gezwungen zu sein mit Unbekannten zusammenzusitzen.

Das Bezaubernde am Tourdasein ist?
Nach ein paar Tagen zu spüren, dass das Alltag ist, dass das mein Beruf ist. Da gibt es so eine schöne Szene bei Robbie Williams, wo er ins Publikum ruft „My name ist Robbie Williams, and that is what I do for living!“.

Welchen Künstlertod bedauerst du am meisten?
Rio Reiser. Ich bin ja tatsächlich schon so alt, dass ich noch bei „Ton, Steine, Scherben“- Konzerten war. Ich würde den wahnsinnig gerne heute mal wieder auf so einer „Der alte Sack tourt noch immer – Tour“ sehen und hätte bestimmt zu vielen Themen von heute noch seinen Senf dazuzugeben.

Das schlechteste Wortspiel, das es mit dem Namen „Tex“ bisher gab?
Ach, ich mag ja eigentlich alle gern, weil die sind alle irgendwie schlecht, aber lustig. Da gabs mal „Texo Verhexo“ oder „Sexy Texy“, aber ich finde die irgendwie auch cool.

Das Interview führte Sophie Lagis, die Fotos schoss Patrice Wangen.