Wer ein Interview mit Rektor Rainer Westermann bekommen möchte, muss beharrlich sein: moritz sollte die Fragen bitte per Mail stellen, hieß es zuerst. Doch dann gab es doch ein Gespräch. Er sei nämlich für jeden zu sprechen, der ihn darum bitte, sagte der Rektor im Interview. Der moritz blickte mit Westermann zurück auf die Ereignisse dieses Jahres und befragte ihn nach seiner Zukunft.

Herr Professor Westermann, wo lagen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit im laufenden Jahr?

Das Rektorat hat sich natürlich intensiv mit Baufragen auseinandergesetzt. Außerdem hat uns die Rechtsform-Änderung der Universitätsmedizin beschäftigt und wir haben die Universitätsstruktur an das neue Landeshochschulrecht anpassen müssen, also eine neue Grundordnung erarbeitet. Hinzu kommen die anstehenden Änderungen bei der Lehrerbildung.

Die baulichen Dinge waren auch ein großes Thema der Studierendenschaft – im Sommer gab es die Aktion „Grillen an Ruinen“. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Ich habe schon damals zwei Dinge dazu gesagt. Erstens, dass die Studierenden völlig zu Recht auf die Misere aufmerksam gemacht haben. Das hat das Rektorat allerdings auch schon vorher immer wieder getan. Zweitens: Die Studierenden haben den Rektor als Hauptverantwortlichen identifiziert und das war und ist schlicht nicht richtig.

Damals gab es Aktionen an vier Gebäuden. Wie sieht bei diesen aktuell die Situation aus?

Die Fassade der Anglistik soll im Laufe des nächsten Jahres instandgesetzt werden. Beim Historischen Institut dauert es noch etwas länger. Da plant der Betrieb für Bau und Liegenschaften des Landes den Baubeginn für Dezember 2012 und die Übergabe für Dezember 2014. Aber immerhin sieht es inzwischen gut aus, was die Finanzierung betrifft – wenngleich der Haushalt noch im Landtag eingebracht und verabschiedet werden muss.

Hat die Aktion der Studierenden ihrer Meinung nach dazu beigetragen, dass jetzt gehandelt wird?

Vielleicht hat es das Ganze etwas beschleunigt, auch wenn die Maßnahmen natürlich von unserer Seite schon geplant und beantragt waren. Man kann im Nachhinein schwer trennen, welcher Faktor welchen Einfluss gehabt hat.

Man hat Sie im Sommer auch für die Misere der studentischen Vereine und Clubs verantwortlich gemacht. War das berechtigt?

Nein, natürlich nicht. Wir arbeiten schon lange an dem Problem, wie und vor allem wo wir die Vereine unterbringen können. Wir bemühen uns sehr, aber es ist wahnsinnig schwierig, weil die Räume in der Universität natürlich völlig ausgebucht sind. Alle wollen Räume haben: Lehre, Forschung, Projekte – und dann kommen die Vereine und sagen, dass sie auch noch was abbekommen wollen. Die Verwaltung hat sich im Sommer wirklich angestrengt, Lösungen zu finden. Es gab dann verschiedene Modelle, aber bei allen gab es auch Schwierigkeiten. Darum hat die Lösungsfindung sehr lange gedauert. Und natürlich wird der Rektor für sowas dann immer persönlich verantwortlich gemacht. So ist das nun mal. Damit kann ich leben.

Die Vereine haben über mangelnde Gesprächsbereitschaft geklagt. Warum gab es diese Gespräche nicht?

Es haben sogar sehr viele Gespräche zwischen den Vereinen und den Vertretern der Verwaltung stattgefunden. Denn letztlich ging es ja darum, dass die Verwaltung das Problem löst und nicht ich.

Sie haben das also nicht so wahrgenommen, dass es keine Gespräche gegeben hätte?

Nein, natürlich nicht. Im Übrigen: Wer hier im Büro anruft und sagt, er möchte einen Termin mit dem Rektor haben, der bekommt auch einen – in der Regel übrigens ziemlich schnell. Das heißt: Man muss schon initiativ werden, wenn man mit mir reden will. Ich finde das zumutbar.

Gilt das auch für diejenigen, die innerhalb der Fakultäten über Kommunikationsprobleme klagen?

Im Grunde schon. Aber ich glaube nicht, dass die Fakultäten und Fakultätsleitungen über eine zu geringe Kommunikationsbereitschaft seitens des Rektorats klagen können. Es gibt regelmäßige Gespräche, wie etwa die Dienstbesprechungen und darüber hinaus zahlreiche Einzelgespräche.

Innerhalb der Philosophischen Fakultät heißt es allenthalben, es sei nicht klar, was der Rektor für Absichten mit der Fakultät habe. Kurz gefragt: Was sind denn ihre Absichten?

Der Rektor hat zunächst einmal überhaupt keine Absichten zu haben. Er setzt den Hochschulentwicklungsplan um. Den letzten haben wir Anfang 2009 beschlossen und da steht eindeutig drin, dass wir fünf Fakultäten haben, unter anderem die Philosophische.

Ich möchte die Philosophische Fakultät ertüchtigen, dass sie Forschung und Lehre auf einem international anerkannten Niveau betreibt. Das ist teilweise schon der Fall – etwa bei den Graduiertenkollegs. Diese Möglichkeiten soll die Philosophische Fakultät auch weiterhin haben. Ich sitze hier definitiv nicht an meinem Schreibtisch und überlege, wie ich die Philosophische Fakultät klein mache.

Komischerweise nimmt man das dort aber vielfach so wahr.

Wenn ich das wollte, hätte ich das doch schon längst gemacht! Habe ich aber nicht. Wir haben im Jahr 2006 nach den großen Strukturauflagen, die uns vom Land auferlegt wurden, einen Plan zur Verteilung der Ressourcen gemacht. Und seitdem steht fest, wie viele Stellen die Philosophische Fakultät hat. Und haargenau diese Stellen werden auch künftig erhalten.

Warum war die Philosophische Fakultät in den letzten Jahren überproportional stark von Kürzungen betroffen?

In den neunziger Jahren davor war die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät überproportional betroffen. Die Universität mussten auch damals bereits massive Kürzungsrunden bewältigen, bei denen die naturwissenschaftlichen Institute extrem zusammengeschrumpft worden sind. Da konnten wir 2005 nicht mehr so weitermachen, sonst wären diese Institute bedroht gewesen. Und darum traf es dann besonders die Philosophische Fakultät. Nur so waren wir in der Lage, die Universität halbwegs in ihrer Breite und mit ihren Schwerpunkten zu erhalten. Denn das war immer unser Ziel.

Aber dass die Philosophische Fakultät chronisch unterfinanziert ist, leugnen Sie nicht?

Nein, natürlich nicht. Aber das ist kein Spezifikum der Philosophischen Fakultät. Die gesamte Universität ist unterfinanziert. Wenn Sie unseren Haushalt mit den Haushalten gleichgroßer Universitäten in Deutschland vergleichen, sehen Sie, dass wir ungefähr ein Drittel weniger zur Verfügung haben als andere Universitäten.

Und was unternehmen Sie, um das zu ändern?

Immer das gleiche: Wir liegen den Politikern seit Jahren in den Ohren, bei jeder Gelegenheit. Wir drängen stets mit Macht darauf, dass die Haushalte erhöht werden – aber das einzige, was die sagen, ist: Nein, das geht nicht.

Dieses Motto gilt offenbar auch für den Hochschulsport. Das Bootshaus ist geschlossen, die Anlagen in der Falladastraße sind in desolatem Zustand – warum tut sich da nichts?

Der Ersatzneubau des Bootshauses steht in der Tat ziemlich weit hinten auf der Prioritätenliste, sowohl im Land als auch innerhalb der Uni. Denn alle sind sich einig, dass wir den baulichen Zustand der Institute sichern müssen, bevor wir ein Bootshaus bauen. Zu aktuellen Problemen in der Falladastraße kann ich nichts sagen, weil mir von Beschwerden überhaupt nichts bekannt ist.

Beim Bootssport denkt man auch an die Kampagne „Studieren mit Meerwert“. Ist dieser Mehrwert Greifswalds jetzt nicht in Gefahr?

Dieses Interview ist in gekürzter Form im aktuellen moritz-Magazin erschienen.

Das Rektorat hat vor einiger Zeit ein Konzept zur Fortentwicklung des Hochschulsports in Auftrag gegeben. Danach sollen wir uns auf bestimmte Bereiche, vor allem den Wassersport konzentrieren. Das Konzept ist dann im Senat angesprochen worden, aber das Interesse an dem Thema war nicht besonders groß. Dabei hatten wir das Papier sehr mühevoll erstellt. Trotzdem prüfen wir nun die Realisierbarkeit des Konzepts. Doch auch das kostet wieder Geld. Und ich sage Ihnen: Wenn wir zu Gunsten des Sports etwa die Sanierung des Historischen Instituts zurückstellen, wäre wahrscheinlich niemand einverstanden.

Demnächst werden rund 250.000 Euro aus dem Rückzahlungsverfahren der bis 2008 fälschlich erhobenen Rückmeldegebühr frei. Wird das Rektorat einen Vorschlag machen, wie diese Gelder verwendet werden?

Ehrlich gesagt habe ich dieses Problem ein bisschen aus den Augen verloren. Wir werden uns bestimmt demnächst damit beschäftigen. Es war ja immer klar, dass wir damit zusammen mit der Studierendenschaft etwas Zusätzliches machen wollen, was den Studierenden zugute kommt, und da war das Thema Hochschulsport immer eines der Erstgenannten.

Bei der Vollversammlung am 7. Dezember wird es um die Beitragserhöhung beim Studentenwerk gehen. Welchen Anteil hat das Rektorat an den Verhandlungen zwischen Studentenwerk und Bildungsministerium?

Man hat uns gebeten, dass wir uns dazu positionieren und der Senat hat das ja dann auch gemacht. Ich versuche jetzt also, meinen Einfluss geltend zu machen, aber ob das letzten Endes Erfolg haben wird, weiß ich nicht. Ich habe es aber beim Bildungsminister angesprochen.

Stichwort Bildungsminister: Wie ist die Zusammenarbeit mit dem neuen Amtsinhaber?

Es gab ein ausführliches Gespräch, gewissermaßen den Antrittsbesuch. Wir haben die ganze Palette der wichtigen Themen durchgesprochen – darüber hinaus gab es noch nicht so viel Kontakt. Das ist aber ganz natürlich. Wenn man so ein Amt neu übernimmt, muss man alle erst einmal kennenlernen, um sich danach den wichtigen Problemen widmen zu können.

Sie hatten ja einen gewissen Anteil an Idee und Planungen für die neue Mensa am Beitz-Platz. Sind sie mit dem Verlauf der Umsetzung zufrieden?

Ich hätte mir den Neubau ehrlich gesagt etwas schneller gewünscht – wie alle anderen auch. Aber für die besonderen Bedingungen, nämlich, dass das Klinikum in Eigenregie baut und nicht etwa der Landesbetrieb Bau und Liegenschaften, liegen wir ganz gut in der Zeit.

Entspricht die Art der Umsetzung des Mensa-Neubaus Ihren Vorstellungen? Die Konstruktion mit dem Bauherrn Uni-Klinik und dem Betreiber Studentenwerk ist ja durchaus seltsam…

Ich sage ganz ehrlich: Ich hatte eigentlich etwas anderes im Sinn. Als ich die Idee entwickelt habe, die Mensa dort zu bauen, ging es darum, eben nicht aus Landesmitteln zu bauen, sondern das Projekt komplett außerhalb des Baukorridors privat zu finanzieren, damit es nicht mit unseren sonstigen Bauvorhaben konkurriert. Das hätte natürlich nur geklappt, wenn das Ganze von einem privaten Unternehmen finanziert und betrieben worden wäre – aber das wollte das Studentenwerk nicht. Dies hat jetzt zur Konsequenz, dass die staatlichen Haushalte nun doch belastet werden, nämlich mit der Ersteinrichtung und der Frage nach höheren Zuschüssen fürs Studentenwerk. Jetzt steht auch eine Beitragserhöhung für die Studenten im Raum – das war auch nicht in meinem Interesse. Darum bin ich auch nur zu 95 Prozent zufrieden.

Ein weiteres großes Bauvorhaben ist die Loefflerstraße. Wie ist da der aktuelle Planungsstand?

Der Hörsaalneubau und die neue Bibliothek sind bereits in trockenen Tüchern, nachdem wir bei der Politik sehr lange und sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet haben. Zurzeit ist geplant, dass einige alte Gebäude im April nächsten Jahres abgebrochen werden. Anfang 2013 sollen die Bauarbeiten für das neue Hörsaalgebäude und die neue Bereichsbibliothek beginnen. Die Übergabe ist für das dritte Quartal 2015 geplant. Die alte Chirurgie als neues Gebäude für mehrere geisteswissenschaftliche Fächer soll parallel saniert werden. Beide Vorhaben müssen ja zusammen fertig werden, sonst macht die Zusammenlegung keinen Sinn. Wir prüfen momentan noch, ob wir bei der alten Chirurgie eine Grundsanierung machen müssen, die mit etwa 12 Millionen Euro relativ teuer wäre, oder ob auch eine Herrichtung reichen würde. Das sähe dann am Ende fast genauso aus wie eine Grundsanierung, ist aber billiger, weil nicht so umfassend entkernt und umgebaut werden muss. Nach der aktuellen Planung können wir dann also Ende 2015 mit einem Umzug rechnen. Ende 2016 soll auch die neue Mensa in der Loefflerstraße fertig sein. Tja… (lacht) Das wird natürlich totsicher eingehalten! Wobei: Beim C_DAT hat es ja tatsächlich geklappt.

Das Center of Drug Absorption and Transport (C_DAT) und die Alte Augenklinik sind ja gerade fertig geworden. Wird die Loefflerstraße genauso schön wie diese Bauten oder wird das eher eine zentrale Rumpelkammer für die Geisteswissenschaften?

Der Standard wird so sein wie in der Alten Augenklinik nach der Sanierung. Das mit der Rumpelkammer deutet wohl eher auf eine problematische Selbstwahrnehmung der Geisteswissenschaften hin.

Warum ist die Philosophische Fakultät denn erst jetzt an der Reihe, wenn die Bauvorhaben auf dem Neuen Campus schon so gut wie abgeschlossen sind?

Das liegt in der Natur der Sache: Wir können in der Loefflerstraße erst anfangen, wenn die Kliniken ausgezogen sind. Die Bauarbeiten können ja nicht beginnen, während nebenan noch eine Intensivstation ist. Die Philosophische Fakultät hat auch darunter zu leiden gehabt, dass sich der Umzug der Innenstadt-Kliniken verzögert hat.

Aber war es wirklich Zufall, dass die Geisteswissenschaften erst jetzt an der Reihe sind?

Nein, das waren Entscheidungen um die Jahrtausendwende herum. Damals hat der Senat nach langen Diskussionen entschieden, das Universitätsklinikum nicht zu privatisieren, sondern als Teil der Universität zu belassen. Das setzte aber voraus, dass das Klinikum wirtschaftlich tragfähig betrieben werden muss und das wiederum setzte die Neubauten am Beitz-Platz voraus. Aber die Landesmittel sind nun mal begrenzt. Darum wussten wir damals schon, dass sich die sonstigen Bauvorhaben dadurch verzögern würden.

Die historischen Gründe liegen übrigens viel früher: Um 1925 hat die Stadt beschlossen, das Gelände des heutigen Beitz-Platzes der Universität für Erweiterungen zur Verfügung zu stellen. Im Grunde wird das jetzt seit knapp 90 Jahren in sehr kleinen Schritten umgesetzt. Es stand vor einigen Jahren auch zur Diskussion, ob die Geisteswissenschaften auch in neue Bauten umziehen. Aber das wollte damals niemand. Alle waren sich einig, dass ein Teil der Uni in der Stadt bleiben muss, denn nur so bleibt die Stadt als Ganzes unser Campus. Und das ist etwas, was Greifswald elementar ausmacht. So kam die lange Wartezeit zustande.

Zum Schluss noch mal zu Ihnen: Momentan fragen sich viele an der Universität, ob Sie bei den Rektoratswahlen nächstes Jahr noch einmal antreten.

Ich trete nicht noch einmal an. Das habe ich der Senatskommission auch schon 2006 gesagt und allen, die mich seitdem gefragt haben, auch.

Und so wie beim letzten Mal, dass man die Bitte an Sie heranträgt, ob Sie’s nicht doch nochmal machen wollen – könnte es womöglich so laufen?

Nein. Die Geschichte wiederholt sich nicht.

Und wie geht es bei Ihnen danach weiter? Bis zur Emeritierung bleiben ja noch ein paar Jahre.

Ja, dann bleiben noch zweieinhalb Jahre. Natürlich habe ich noch gewisse Absichten und Vorhaben für die Zeit danach, aber das ist alles noch nicht so ganz ausgegoren. Ich werde mich erst mal sehr intensiv mit der Entwicklung meines Faches in den letzten zehn Jahren beschäftigen. Und dann werde ich mal schauen, ob ich vielleicht noch einen Beitrag zur fachlichen Entwicklung leisten kann.

Interview: Johannes Köpcke, Gabriel Kords; Foto: Johannes Köpcke