Feste neonazistische Strukturen in Form der „Nationalen Sozialisten Greifswald“ sind seit etwa zwei Jahren auch wieder in der Universitätsstadt anzutreffen. Im Vorfeld der NPD-Demonstration um den ersten Mai agierte die Neonaziszene deutlich aggressiver und beschränkte sich nicht auf neonazistische Grafitti-Losungen, die sie an Toilettenhäuschen, Trafohäuschen, auf dem Fußboden vor dem Audimax oder vor der Mensa sprühte. Es wurden Nazigegner verfolgt, die Plakate aufhängen wollten, in denen zu Gegenprotesten zur NPD-Demo aufgerufen wurde, auf dem Innenhof des IKuWo wurde von mutmaßlichen Neonazis ein Auto in Brand gesetzt.
Im Anbetracht dieser Ereignisse organisiert die seit etwa einem halben Jahr bestehende antifaschistische Gruppe Defiant zusammen mit der Greifswalder Sektion der Hedonistischen Internationalen sowie dem Bündnis „Greifswald Nazifrei“ eine antifaschistische Demonstration am 10. Dezember. Der Arbeitskreis Kritischer Juristinnen wird die Demonstration in Funktionals Demo-Beobachter unterstützen. Die Gruppe „Defiant“ hat sich nach eigenen Angaben aus mehreren Jugendlichen zu einer „organisierten Gruppenstruktur“ formiert, die durch Veranstaltungen „eine antifaschistische Kultur zelebrieren und etablieren“ wollen. Im Vorfeld der Demonstration organisierte die Gruppe bereits ein Mobilisierungs-Konzert im IKuWo, auf dem die Mecklenburg-Vorpommersche Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ auftrat.
Das zivilgesellschaftliche Bündnis Greifswald-Nazifrei ist im Vorfeld der NPD-Demonstration am 1. Mai in Greifswald entstanden und hat durch Sitzblockaden verhindert, dass die Neonazis durch die Stadtteile Schönwalde I und Schönwalde II demonstrieren konnten und bereits kurz hinter dem Ende der Heinrich-Herz-Straße wieder umdrehen mussten. Die Greifswalder Sektion der Hedonistischen Internationalen ist bei zahlreichen Demonstrationen in der Vergangenheit bereits mit einer bunten, musikalischen und somit aus dem üblichen „Demonstrations-Trott“ heraus fallenden Protestkultur aufgefallen.
Die Route beginnt um 13 Uhr vor dem Südbahnhof und soll nach Angaben der Greifswalder Lokalzeitung durch die Heinrich-Hertz-Straße, Ernst-Thälmann-Ring, Koitenhäger Landstraße, über die Hans-Beimler und Walther-Rathenau-Straße und die Wolgaster Straße am Eckard-Rütz-Gedenkstein vor der Mensa am Schießwall enden. Die Demo folgt dem Motto „Zieht euch warm an! – Null Toleranz für Nazis – Fight Back“ und soll spätestens 18 Uhr zu Ende sein. Kundgebungen sind nach OZ-Angaben am Ärztehaus im Ernst-Thälmann-Ring, vor der Kiste in der Makarenkostraße sowie in der Walther Rathenau Straße geplant. Die Polizei wird voraussichtlich 500 Polizisten zur Absicherung der Demonstration im Einsatz haben.
Unterstützung durch das StuPa
Während bis auf die Piratenpartei die Greifswalder Parteien und Gewerkschaften dieses Mal nicht den Aufruf unterstützen, werden nach Informationen des webMoritz dennoch Perteimitglieder der SPD, Grünen und der Linken sich an der Demonstration beteiligen. Sowohl das Greifswalder Studierendenparlament, als auch die Vollversammlung der Studierendenschaft haben per Beschluss dazu aufgerufen, an der Veranstaltung teilzunehmen. In einem Beitrag des Fleischervorstadtblogs, in dem ebenfalls dazu aufgerufen wird, sich an der Demonstration zu beteiligen, liegen jedoch, wenn es um die Bewerbung der Veranstaltung von Seiten der antifaschistischen Gruppe „Defiant“ geht, Lob und Kritik dicht beieinander. So schreibt Blogbetreiber Jockel Schmidt, dass die Flyer primär Wut über die neofaschistischen Ereignisse der Vergangenheit zum Ausdruck bringen sollen und sich „auf einem hierorts selten beobachteten, extrem hohen Niveau“ bewegen, andererseits auch Zweifel nähren würden. „Sie generieren auch Ausschlüsse, denn die Lichterketten-Fraktion wird man kaum mit dem kämpferischen Plakat ansprechen können. Ähnlich verhält es sich mit dem Mobilisierungsvideo, das für hiesige Verhältnisse ungeheuer martialisch daherkommt“, heißt es im Folgenden auf dem Fleischervorstadtblog.
In der Debatte um die Zustimmung zum Aufruf zur Teilnahme an der Demo durch das Stupa nannten Mitglieder der konservativen Gruppen unter anderem die Flyer und das Mobilisierungsvideo als Grund, dem Aufruf nicht zuzustimmen. Lediglich Alexander Schmidt (Liberale Hochschulgruppe) stimmte vom konservativ-liberalen Flügel des Stupas nach Einfügung der Wortgruppe „friedlich für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ für den Antrag.
Bereits am vergangenen Montag protestierten Nazigegner im Kreistag gegen die NPD-Mitglieder im Kreistag, indem sie Luftballons im Saal aufsteigen ließen, ein antifaschistisches Banner entrollten und die sich zu Wort meldenden Neonazis mit Lärm übertönten. Die Aktion wurde unterschiedlich aufgenommen. Während die CDU, so beispielsweise Innenminister Lorenz Caffier, die „Tumulte verurteilt“, verteidigen Mignon Schwenke (Die Linke) und die Piratenpartei diese Form des Protests. „Greifswalder Bürger hatten mittels friedlicher Aktionsformen gezeigt, dass sie die menschenverachtenden Ansichten der NPD und ihres Umfeldes nicht tolerieren wollen. Proteste gegen die NPD sind als Bestandteil einer wehrhaften Demokratie legitim, auch wenn die Arbeit des Kreistages nicht dauerhaft behindert werden sollte“, heißt es in der Pressemitteilung der Piratenpartei. Mignon Schwenke begrüßte in einer Pressemitteilung den zivilen Ungehorsam und forderte dazu auf, innerhalb der Demokratie auch Raum für diesen zu lassen.
Bildnachweis: Veranstalter („Greifswald nazifrei“, „Defiant“)
Anmerkung der Redaktion: Am Artikel wurde eine geringfügige Veränderung vorgenommen (10.12., 01:02 Uhr)
Alles schön und gut.Sogar lobenswert .Nur wenn man weiß , dass wieder ein Haufen Krawallmacher und Schläger dabei sein werden, vergeht einem die Lust sich zu beteiligen. Diese schwarz Vermummten sind nämlich nicht einen Deut besser als die tumben Glatzen. Ich glaube auch nicht, das die links sind, wie immer unterstellt wird. Diese Typen prügeln sich halt gern und reisen dem Zoff regelrecht hinterher.
Na wenn du allen Pauschalisierungen zum Trotz dennoch mitmachen willst, reihe dich doch im bunten Block ein. Hier ist schwarz ganz schön aus der Mode und die Herzen sind groß…
Wenn sich die Veranstalter klar von den unpolitischen, schwarzen Schlägertrupps distanzieren, klar. Dann bin ich dabei.
„Während Greifswalder Parteien und Gewerkschaften dieses Mal nicht den Aufruf unterstützen…“ ist falsch. Die Piratenpartei ist die einzige Partei, die sich vom schwarzen Block nicht abschrecken ließ und zur friedlichen Teilnahme an der Demonstration aufgerufen hat.
http://piraten-hgw.de/2011/12/nazis-wegbassen/ http://twitter.com/#!/Piraten_HGW/statuses/145459…
In der Tat! Ich habe es entsprechend im Artikel korrigiert. Vielen Dank!