Ein Testbericht von Martin Hackbarth, Felix Kremser und Simon Voigt

In der letzten Woche hatten die Freibeuter vom webMoritz im ersten Teil vom großen Fischbrötchentest zwei grundsolide Fischbuden und ein schwarzes Schaf aus der maritimen Fast-Food-Szene von Greifswald gefischt. Dieser dunkle Bock, die Fischereigenossenschaft Greifswalder Bodden e.G., hat es trotz mehrfacher Präsenz in der Hansestadt glücklicherweise nur kurz geschafft, die Brötchen-Prüfer in wirre (Fisch-)Alpträume zu jagen.

Gesättigt und zufrieden durchkreuzten wir also weiter die Greifswalder Fischbrötchengründe, weiter auf der Suche nach den drei wirklich guten Fischbuden in der Hansestadt. Für einen kurzen Landgang setzten wir unseren Anker schließlich im Museumshafen, wo sich hungrige Studenten gleich bei zwei Kombüsen eine Stärkung für lange Vorlesungspausen gönnen können.

Schwalbe II

Der Kutter "Schwalbe II"

Der Kutter "Schwalbe II"

Unser kulinarischer Beutezug nahm seinen Anfang bei der „Schwalbe II“. Knarrende Planken unter unseren Füßen, zu unserer Linken aus massivem Holz gefertigte Sitzecken unter denen sich die Scheite wie Sardinen stapelten und ein kleiner Ofen auf der Steuerbordseite: Der nordisch-gemütliche Charme des alten Kutters nahm uns sofort ein. Doch würden die Brötchen mithalten können? Die Karte gestaltete sich übersichtlich, aber abwechslungsreich. So reihten sich neben die Klassiker der Fischbrötchen-Cuisine wie Backfisch oder Bismarckhering auch hauseigene Variationen, wie der Sherrymatjes. Dem Blick auf die rechte Seite der Karte folgte aber die Ernüchterung. Gemütliche Atmosphäre hat eben auch ihren Preis. Für 2,40 Euro präsentierte sich der Bismarckhering im zeitlos-klassischen Gewand aus Salatblatt, Zwiebel und Weizenbrötchen, um mit seinem sanften Geschmack zu punkten. Einen Hauch von Haute Couture verbreitete anschließend der Räucherlachs für 2,80 Euro. In der so genannten „Klamm“ des Brötchens, überraschte das Brötchen anstelle einer fettigen Remoulade mit einer lockeren und aufregenden Honig-Senf-Sauce, die das Räucherlachsbrötchen an sich neu interpretierte. Luftig-sommerlich statt herbstlich-rau, c’est magnifique! Einzig das Backfischbrötchen konnte seinem veranschlagten Lorbeer nicht gerecht werden. Satte 3,50 Euro präsentierten einen knusprigen und einwandfreien Backfisch (Seelachs) nach Brockhausdefinition, der geschmacklich zwar auf der Zunge zu überzeugen wusste, im Geldbeutel aber doch etwas bitter nachschmeckte. Dennoch bleibt festzuhalten, dass mit der „Schwalbe II“ ein sehr zu empfehlender Fischbrötchenkutter vor den Toren der Stadt liegt, dessen Atmosphäre und kulinarische Feinheiten durchaus einen Extragroschen wert sein können!

Drei Leckerbissen an Board der Pomeria

Drei üppige Leckerbissen an Board der Pomeria

Pomeria

Nur ein paar Fußstapfen weiter konnten wir so dann das Deck der Pomeria entern, ein ehemaliger Dampfeisbrecher welcher ebenfalls am Museumshafen anliegt. Wie die Ritter der Tafelrunde saßen wir an einem runden Tisch und genossen die uns gereichten Fischbrötchen.

Zugegeben, es ist ein Restaurant und die Auswahl an schnöden Fischbrötchen ist da nicht besonders groß. Es gilt sich nur zwischen kaltgeräuchertem Lachs und Matjes zu entscheiden, aber dafür sind diese beiden Brötchen erste Sahne. Das Restaurantschiff überzeugt dabei nicht nur mit seinem Geschmack, sondern auch mit seinem Flair. Bei karibischer Musik und passender Ausstattung vergisst man schnell mal, wenn es draußen stürmen sollte. Für die fröstelnden Landratten aus dem Süden des Landes steht hier auch ein Ofen bereit.

Doch nun zum Fisch. Das Lachsbrötchen kostet stattliche 2,80 Euro, dennoch gibt es für das Preis- Leistungsverhältnis die volle Punktzahl. Opulent gefüllt mit frischem Lachs, Ruccola, Lauchzwiebeln, Meerrettich und Tomaten überzeugt dieses große Baguettebrötchen allemal. Die von uns erwartete Standardausstattung (Salatblatt und Zwiebel) wurde rekordverdächtig übertroffen, was ebenfalls für das Matjesbrötchen gilt.  Für Kapitän Martin Hackbarth stand schon an dieser Stelle fest, dass er seine Lachsbrötchen nur noch an Bord der Pomeria essen wird und er sollte auch nicht mehr von einem anderen Fischbrötchen derartig in den Bann gezogen werden. Einzig zu bemängeln wäre wohl die längste Wartezeit der Expedition, die aber mit einer wirklich vollkommen neuartigen Fischbrötchenkomposition belohnt wird.

Usedomer Küstenfischer Erk Lange

Im Schatten vom mächtigen Backfisch versteckt sich der kleine Bismarck vorne links im Bild

Im Schatten vom mächtigen Backfisch versteckt sich der kleine Bismarck vorne links im Bild

Mit prall gefüllten Bäuchen und leeren Schatztruhen machten wir uns auf, das Fischbrötchen El Dorado am Hafen zu verlassen und unseren Backfischbeauftragten bei seiner Suche nach dem weißen Backfisch zu begleiten. Gegenüber vom guten alten Fritz am Markt sichteten wir dann unser nächstes Ziel, den blauen Stand des Usedomer Küstenfischers Erk Lange. Überrascht und überfordert bahnten wir uns unseren Weg durch das umfangreiche Angebot. Neben den alten Bekannten Bismarck und Co. fanden sich auch neue Fischbrötchenspezies wie Pfefferhering oder Räucheraal auf der umfangreichsten Speisekarte unserer Exkursion. Noch etwas traumatisiert von den Lösegeldforderungen am Hafen blickten wir zögerlich auf die Preise und konnten unseren Augen kaum glauben. Studentenrabatt!? Genial, denn 1,50 Euro für den Bismarck und 2 Euro für den Räucherlachs, sowie 2,75 Euro für den Backfisch fühlten sich unter dem Eindruck besonderer Behandlung wie Geschenke an.

Ohne zu zögern brüllten wir der norddeutschen Verkäuferin also unsere Wünsche („Drei Fischbrötchen, bitte!“) entgegen, nur um kurz darauf ein höhnisches „Ach was, da sind sie aber die ersten heute!“ und angenehmen Schnack für die Wartezeit zu ernten. Kurz darauf betraten dann Bismarckhering und Räucherlachs die Bühne, und ein weiteres Mal gab es mehr als den schnöden Standardzwirn für die beiden. Zum frischen, kross gebackenen Brötchen erhielt der Bismarckhering einen dezenten, geschmacklichen Tupfer Paprika, der jedoch den etwas zu sauren Eindruck des Fisches nicht mehr kaschieren konnte. Zusätzlich dazu wurde der Räucherlachs mit Remoulade und Gurke serviert und ließ einen rundum zufriedenen Tester zurück. Beide Brötchen schrumpften allerdings angesichts des dritten Brötchens im Bunde, der Mutter aller Backfische! Goldbraun glänzte die knusprige, aus eigenem Bierteig gefertigte Außenhülle des immensen, mit Zwiebeln, Salat, Paprika und Gurken, sowie mit Knoblauchsauce und Remoulade beladenen Backfischfrachters „Moby-Back“, der alle bisherigen Backfischbrötchen zu Schaluppen degradierte.

Wer also ähnlich wie unser Fischbrötchenfreibeuter auf der Suche nach dem größten Backfisch Greifswalds ist, sollte dem Küstenfischer aus Usedom unbedingt einen Besuch abstatten! Doch auch alle anderen Fischinteressierten sollten hier mindestens einmal vor Anker gehen, da sich jeder Fisch der reich gefüllten Auslage ins Fischbrötchengeschirr spannen lässt. Jeden Mittwoch, wenn kein Markt ist, ist dieser Stand hinter dem Schönwalde-Center zu finden. Von 8 bis 12 Uhr kann dort dem spontanen Fischverlangen am Morgen nachgegangen werden.

Die Ausbeute

Grundsätzlich steht also fest, dass Greifswald viele verschiedene Fischbrötchen zu bieten hat, bei denen nach aufmerksamer Lektüre der vergangenen Zeilen nicht mehr viel schief gehen kann. Die meisten gibt es am Stand direkt auf die Kralle, die beiden Schiffe am Hafen sind ausgewachsene Restaurants mit größerer Speisekarte und somit größerem aber auch kostbarerem Beutepotential.

Das Angebot beginnt dabei am Rande des geschmacklichen Abgrundes beim traurigem Fischfetzen im alten Aufbackbrötchen von der angeblich traditionsbewussten Fischereigenossenschaft. Gut und frisch, in der grundsolide Standardvariante mit Salatblatt und Zwiebelring, gibt es die Fischschrippe bei Lutz Haamann, in der Schwalbe II und im Reusenhaus. Wer aber Wert auf ein wirklich üppig belegtes und gaumenschmeichelndes  Fischbrötchenvergnügen legt, der sollte die Fischerei Erk Lange oder die Pomeria ansteuern. Die Fischerei am Markt bietet den studentenrabattierten Fish-to-go, wogegen das Restaurantschiff am Museumshafen auch zu längeren aber kostspieligeren Beutezügen einlädt.

Fotos: Simon Voigt