… es an unserer Universität keine studentische Selbstverwaltung gäbe? Würde das Chaos ausbrechen? Müssten wir gar unsere Interessen wieder auf der Straße vertreten, oder bliebe alles beim Alten?

Die Studentische Selbstverwaltung ist schon sehr alt. Bereits in den 1920er Jahren gab es erste bekannte Bemühungen Studenten zu einer Verwaltung zu formieren. In diesem Zuge wurde dann auch die Deutsche Studentenschaft gegründet, die jedoch im Dritten Reich wieder in sich zusammenfiel und gleichgeschaltet wurde. Wer ein Vergehen beging, wurde derjenigen Fakultät oder Fachbereich übergeben, der er angehörte. Demzufolge blieb es auch Sache der Fakultäten die ‚Verbrecher‘ zu bestrafen beziehungsweise zu sanktionieren. Doch ihren wirklichen Ursprung haben die studentischen Vertretungen erst in der Nachkriegszeit, in der die Alliierten diese als „Schule der Demokratie“ einsetzten.

Was für uns heute selbstverständlich ist, war ein langer Weg von der Nicht-Beachtung der studentischen Interessen bis hin zur Unterdrückung dieser. Die Möglichkeit der freien und geheimen Wahl besteht hier nun auch erst seit knapp 21 Jahren. Doch angesichts der verschwindend geringen Wahlbeteiligung bei den Wahlen zum Studierendenparlament (StuPa), die bei der letzten Wahl knapp zehn Prozent betrug, oder anderen studentischen Vertretungen drängt sich die Frage auf, ob wir diese studentische Selbstverwaltung überhaupt noch wollen. Oder sind sie uns mittlerweile ein anstrengendes Gräuel geworden, das sich nur zu Wort meldet, wenn es schon zu spät ist? „Sicherlich mag man sich manchmal fragen, ob wir StuPa und den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) noch brauchen, wenn man so manche recht sinnfreie Diskussion in den jeweiligen Gremien verfolgt. Am Ende dienen solche Diskussionen einfach der Meinungsfindung und sind am Ende immer sinnvoll“, meint Franz Küntzel, Hochschulpolitischer Referent im Greifswalder AStA.

Doch woher haben diese Gremien dann ihre Legitimation Satzungen zu erlassen, die die gesamte Studentenschaft betreffen, wenn sie nicht mal mit einer stabilen Mehrheit gewählt worden sind? „Aus meiner Sicht ist die studentische Selbstverwaltung für eine Studierendenschaft enorm wichtig. Sie ist das Sprachrohr der Studierenden und diese Möglichkeit sollte sie auch wahrnehmen. Leider sind die Studierenden auf Grund der umfassenden Veränderungen im Bildungsbereich zum Beispiel durch Bologna zeitlich extrem stark eingeschränkt und engagieren sich eben aus diesem Grund vielleicht nicht in einem FSR, dem AStA oder den studentischen Medien, was sehr schade ist“, so Daniela Gleich, Vorsitzende des Greifswalder AStA, über studentische Selbstverwaltung. Doch wenn keiner Zeit für ehrenamtliche Arbeit hat, warum bestehen wir immer noch auf dieses Recht? In unserer heutigen Leistungsgesellschaft zählen doch unentgeltliches Engagement und Leidenschaft für eine bestimmte Sache nicht mehr so viel wie gute Noten und ein Abschluss in der Regelstudienzeit. Doch wer sich engagiert, muss in Kauf nehmen, dass man sein Studium und sogar seine Freizeit aufs Spiel setzt.

Die Studentenschaft besteht aus allen eingeschriebenen Studenten einer Hochschule. Das gewählte StuPa und der eingesetzte AStA vertreten die Studierenden gegenüber Universität, Stadt und Land. „Beispielsweise haben wir von der Universität die Einführung eines Teilzeitstudiums gefordert und erreicht.“, berichtet Erik von Malottki, StuPa-Präsident. Des Weiteren ist er der Meinung, dass „ohne eine verfasste Studierendenschaft die Probleme der Studierenden im Rahmen ihres Studiums nicht thematisiert werden“. Im Landeshochschulgesetz (LHG) von Mecklenburg-Vorpommern wird allerdings nur das StuPa ausdrücklich als Organ der Studierendenschaft genannt, nur die Möglichkeit weitere Organe einzuführen beziehungsweise aufzubauen wird offen gehalten.

Damit würde es der Universitätsverwaltung beziehungsweise dem Rektorat generell ermöglicht werden den AStA abzuschaffen und durch universitäre Gremien oder Ähnliches zu ersetzen. Auch die Bildung von Fachschaftsräten wird nur mit einem „kann“ eingeräumt und dementsprechend nicht als zwingend erforderlich gesehen. Aber eine Besonderheit bietet unser LHG doch: dort wird festgehalten, dass es eine Vertretung der Studentenschaft auf Landesebene geben muss, was durch die Landeskonferenz der Studierendenschaften (LKS) gesichert werden soll. Auch weil die meisten der ursprünglichen Aufgaben der studentischen Selbstverwaltung heutzutage von anderen Institutionen übernommen wird, werden diese immer häufiger stark kritisiert und die Frage aufgeworfen, ob diese Pflichtverbände überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar wären. Dieser Streit wurde sogar bis zum Bundesverfassungsgericht getragen, dass diese Vorwürfe jedoch zurückgewiesen hat.

In Baden-Württemberg gibt es seit 1977 schon keine studentische Selbstverwaltung mehr. Dort entstand ein so genannter ‚Hochschulsenat’, der dem AStA zwar gleich kommt, aber keine Satzungsautonomie oder Finanzhoheit hat. Hier entscheidet alles ein Senat mit professoraler Mehrheit. Dass die Studenten trotzdem eine eigene Vertretung wollen, zeigen die Gründungen von unabhängigen ASten (UStA) in Baden-Württemberg und Bayern, die sich insbesondere mit der politischen Interessenvertretung beschäftigen. Ob dabei wirklich genau die gleiche oder ähnliche Arbeit geleistet wird wie wir sie hier beobachten können, ist nicht zu beantworten. Denn durch diese Unabhängigkeit läuft man Gefahr sich zu sehr auf einzelne, für eine Universität irrelevante Themen zu versteifen und zu gegebenen Anlass ein „Schweinegrippe“-Referat einzurichten. Es wäre also zu überlegen, ob sich das generelle Interesse an Politik verstärken würde, wenn wir keinen AStA oder kein StuPa mehr hätten. Wir sehen viele Dinge in unserem studentischen Alltag als selbstverständlich an und welche Arbeitsprozesse wirklich dahinter stecken, bleibt uns oft verborgen.

„Ohne das Zutun von AStA und StuPa hätten wir keine Lehrerbildung mehr in Greifswald oder ein LHG, was dermaßen studentenunfreundlich wäre, dass man nur noch weinen könnte.“, ist auch Küntzel der Meinung und unterstreicht damit unsere Theorie, dass Erfolge der studentischen Selbstverwaltung als selbstredend und gleichzeitig als trivial angesehen werden. Schlechte Nachrichten verbreiten sich immer schneller als gute. Brauchen wir Studenten also wieder einen „Helden“, der uns zeigt wie wichtig Einsatzbereitschaft ist und was es bedeutet sie zu nutzen? Und diese Einsatzbereitschaft fängt bei der Erstsemesterwoche bereits an: Die Aktionen in diesen sieben Tagen würden sich wahrscheinlich auf die traditionelle Begrüßung im Greifswalder Dom mit Freibier beschränken – keine kostenlosen Ersti-Shirts und –tüten oder WG-Börse.

„Viele kulturellen Veranstaltungen wie GrIStuF, Fête de la Musique, Aufführung des StudentenTheaters und Konzerte der Studentenclubs werden durch die verfasste Studierendenschaft gefördert und dadurch teilweise erst ermöglicht.“, erklärt von Malottki. Doch man sollte nicht nur für ein StudentenTheater einsetzen, sondern auch für seine eigenen Studienbedingungen. Wenn die eigene Prüfungsordnung still und heimlich geändert wird, wäre es die beste Variante auf die Straße zu gehen und nicht, sich nur bei einem Bier in der Kneipe darüber aufzuregen. Wir sind doch durch die studentische Selbstverwaltung ziemlich faul geworden, was den Protest gegen bestimmte Prozesse betrifft.

Ein Bericht von Luise Röpcke.