Das Personalkonzept von 2004 ist längst beschlossene Sache. Auch die daraus resultierenden Stellenstreichungen, die bis 2017 durchgeführt werden müssen sind bekannt. Für die Ur- und Frühgeschichte sind die Auswirkungen jetzt spürbar.

Historische Münzen die kürzlich bei Anklam gefunden wurden

Historische Münzen die kürzlich bei Anklam gefunden wurden

Nach dem Plan des Landes Mecklenburg-Vorpommern sollte die Ur- und Frühgeschichte nach Rostock wandern, um dort an die klassische Archäologie angeschlossen zu werden. Zu diesem Umzug ist es aber nie gekommen, sodass die Wissenschaftler weiterhin hier in Greifswald forschen und lehren. Das ursprünglich noch eigenständige Institut ist nun schon mehr als zehn Jahre in das Historische eingebunden. Seit dem krankheitsbedingten Ausscheiden von Prof. Mangelsdorf, dessen Stelle durch Einsparungen nicht neu besetzt wurde, gibt es nur noch eine außerplanmäßige Professur. Prof. Terberger hält den Ein-Mann-Betrieb am Laufen. Der letzte wissenschaftliche Mitarbeiter, Herr Dr. Ruchhöft, wird zum Ende des Semesters gehen. Danach können zusätzliche Mitarbeiter für Forschungsprojekte nur noch über Drittmittel finanziert werden.

Herrn Terberger beschäftigt dieser schleichende Prozess nun schon recht lange. Ihm wurden durch den angedachten Aufbau der Ur- und Frühgeschichte klare Ziele genannt, wie es mit seinem Fach weitergehen sollte. Als das nicht umgesetzt wurde, gab es das neue Ziel im Hochschulentwicklungsplan, wonach es zu einer Wiedereinrichtung hier in Greifswald kommen sollte mit einem Mindestmaß an Ausstattung. Viele verschiedene Institute haben bislang von der Arbeit profitiert und hier sieht Herr Terberger die größten Auswirkungen für die Universität: „Die Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie war wichtiger Bestandteil, der mit slawischer Geschichte, dem Mittelalter, den Stadtentwicklungsfragen und den vielen Klöstern hier im Lande verbunden ist. Das alles wurde mitbetreut und kann in Zukunft nicht mehr geleistet werden.“

Die Lehrveranstaltungen werden wohl nur noch Überblicksveranstaltungen sein und auch nur für die älteren Perioden, wie der Stein- und Bronzezeit, da dort der Schwerpunkt von Herrn Terberger liegt. Die Ur- und Frühgeschichte hat in den letzten Jahren immer wieder durch Ausgrabungen, wie der Entdeckung des wohl ältesten Schlachtfeldes Europas im Tollensetal aus der Bronzezeit, und Forschung auf sich aufmerksam gemacht; also genau das getan, was von einer Forschungseinrichtung verlangt werde, meinte Herr Terberger. Er erwartet von den Verantwortlichen vor allem, dass in Aussicht gestelltes von der Fakultät, der Universität und dem Land auch umgesetzt werde. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die die Projekte vor allem unterstützt, gibt hauptsächlich Beihilfen. Die Grundausstattung muss von der Universität gestellt werden. Daher werden große Forschungsprojekte in Zukunft wohl etwas zurückgehen.

An dem letzten spektakulären Fund der Silbermünzen bei Anklam hatte der befristet beschäftigte Mitarbeiter, Fred Ruchhöft, erheblichen Anteil. Die Münzen konnten an der Universität präsentiert werden, sind aber nach der Restaurierung nicht mehr fachgerecht hier in Greifswald auswertbar, da mit Herrn Ruchhöft der Experte für diesen Bereich gehen muss.

Als er 2009 hier in Greifswald anfing, gab es das Institut und den Lehrstuhl formal schon nicht mehr. Aber er kam mit dem kleinen Hoffnungsschimmer, diesen eventuell wieder mit aufbauen zu können. Als Angebot an der Universität fielen „fünf Millionen Jahre Menschheitsgeschichte“ weg. Auch die vielen Anknüpfungspunkte zu den Historikern oder auch den Geographen würden immer weniger. Da Herr Terberger für die prähistorische Zeit zuständig sei, würden vor allem die Zusammenarbeit mit der Geschichte des Mittelalters, oder auch der pommerschen Landesgeschichte wegfallen. Der Nord- Osten Deutschlands wird zukünftig keine regionale Ur- und Frühgeschichte mehr an einer Universität anbieten und damit wohl auch ein gutes Stück Forschung einbüßen.

Das Studium der Ur- und Frühgeschichte selbst läuft aus. Es ist nie dazu gekommen, dass daraus ein Bachelor-Studiengang wurde und somit müssen die letzten Studenten in diesem Jahr ihre Abschlussarbeit schreiben. Dafür haben sie noch das folgende Sommersemester Zeit. Der 26-jährige Student und Mitglied des Fachschaftsrates der Ur- und Frühgeschichte Martin Planert sagt, dass die letzten eigentlich nur noch ihre Magisterarbeiten schreiben müssen und der Wegfall der Veranstaltungen sie nicht mehr direkt betreffe, da sie schon alle Scheine gesammelt haben. Allerdings sieht er einen großen Verlust für die Universität. „Wir saßen nie alleine in den Veranstaltungen, sondern immer mit vielen Geographen und Historikern.“ Diese sähen die Veranstaltungen als gute Ergänzung zu ihrem Studium. „Für Lehramtsstudenten ist es vor allem sinnvoll, da in der Schule der Geschichtsunterricht nicht erst mit dem Mittelalter beginnt“, erklärt Martin.

Eine Grabung Greifswalder Wissenschaftler

Eine Grabung Greifswalder Wissenschaftler

Auch der Direktor des Historischen Institutes, Prof. Stamm-Kuhlmann, bedauert ausdrücklich, dass es im Land Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich sein solle, die Ur- und Frühgeschichte durch eine planmäßige Professur mit einer Mindestausstattung zu vertreten. Die Angebote der Einrichtung seien eine wertvolle Ergänzung für jeden Geschichtsstudenten in Greifswald. Die weiteren Streichungen werden auch einen Verlust darstellen. „Ich würde lügen, wenn die Einbuße von zwei Stellen einfach auszugleichen wäre und nicht auffallen würde. Die können nicht einfach von den anderen Professoren mit übernommen werden.“ Trotzdem sieht er die Universität in Greifswald weiterhin als guten Studienort für Historiker an. „Die Stadt bietet viele Vorteile, sowohl den gut aufgebauten Lehr- und Forschungsbetrieb mit weltweiter Vernetzung, als auch die kurzen Wege. Der Verlust vom breiten Angebot, bedeutet nicht, dass auch die Qualität leiden muss.“

Es gilt also in Zukunft aus dem Vorhandenen ein attraktives Angebot zu schaffen und das Studium der Geschichtswissenschaften dennoch abwechslungsreich zu gestalten. Trotzdem wird der Verlust sich bemerkbar machen. Eine bereichernde Ergänzung für Historiker oder auch Geographen wird nur noch stark eingeschränkt vorhanden sein. Von Forschungsergebnissen, die die Geschichte des Landes verständlicher machen und bereichern, wird nach und nach immer weniger zu hören sein.

Aber das Historische Institut beschäftigten seit dem Wintersemester noch weitere Baustellen. Die altbekannten Probleme mit der Bibliothek und den Räumlichkeiten sind noch nicht abgeschlossen. „Ab Sommer wird es hoffentlich einen neuen und dauerhaften Standort für die Bibliothek geben“, äußerte sich Herr Stamm-Kuhlmann. Es gäbe noch keine neue Adresse, aber definitiv nicht mehr die Domstraße 9a. Für die Übergangszeit solle den Bibliothekaren ermöglicht werden, häufiger in die Räume zu kommen und Bücher herauszuholen. Gegenwärtig fehle definitiv das Personal, um jedem Benutzerwunsch gerecht werden zu können, meint der Direktor des Instituts.

Die Räumlichkeiten in der Soldmannstraße werden bis 2013 die Heimat des Historischen Instituts sein. Der spätere Standort solle möglichst aber wieder die Domstraße 9a sein. Die Baustellen werden noch länger weiter bestehen, aber die Ur- und Frühgeschichte wird es definitiv nicht mehr geben.

Ein Bericht von Johannes Köpcke mit Fotos von Fred Ruchhöft (Münzen) und GundulaLidke (Grabung).