Per Anhalter in die Niederlande – Ein Reisebericht

Die vorlesungsfreie Zeit ist zu Ende, die Reisezeit auch erst einmal. Den krönenden Abschluss dieser hatte ich Ende September, als ich von Berlin nach Holland trampte. Vier Autos benötigte ich für die etwa 700 Kilometer lange Strecke und bezahlte dafür keinen einzigen Cent.

Es war einer dieser regenreichen Septembertage, an denen ich mich entschloss, zu verreisen. Mein Ziel: Leiden in Süd-Holland, wo ich mein Erasmus-Semester verbracht habe. Von meinem Vorhaben erzählte ich einem niederländischen Freund Tommy, der mir vorschlug, dass ich doch trampen könnte. Bereits im April sind wir gemeinsam von Holland nach Paris getrampt. Alleine per Anhalter zu reisen, traue ich mir allerdings nicht zu. Und so schlug Tommy vor, dass er nach Berlin kommen würde und wir zusammen zurücktrampen könnten. Begeistert willigte ich ein und so machten wir uns an einem sonnigen Freitagvormittag auf dem Weg. Etwa 700 Kilometer lagen vor uns – oder gute sechs Stunden und 30 Minuten, wie einschlägigen Routenrechnern zu entnehmen ist.

Keine Fremden, Versicherungsgründe, Geschäftswagen

Noch müde ist Tommy im Regionalexpress nach Michendorf.

Wo wir starten sollten, wusste Tommy aus dem Hitchwiki – eine Art Ratgeber fürs Trampen in Wikipedia-Format. So fuhren wir zunächst mit dem Regionalexpress nach Michendorf bei Potsdam und liefen vom Bahnhof zu einer Autobahntankstelle. Wie das Trampen genau funktioniert, weiß ich von Tommy, der bereits circa 45.000 Kilometer getrampt ist. Letztes Jahr schaffte er es sogar von Holland nach Istanbul. Nur den Daumen rausstrecken mit einem Pappschild, auf dem der Ortsname vermerkt ist, erweist sich nicht immer als erfolgreich. Am besten spricht man die Autofahrer direkt an Tankstellen oder Raststätten an. Die Sonne schien in Michendorf und so waren wir sehr motiviert. „Hallo, wir sind Tramper und wir würden gerne von ihnen erfahren, wo Sie heute noch hinfahren und ob Sie uns gegebenenfalls ein Stück mitnehmen könnten?“, fragten wir, natürlich freundlich. Viele Ausreden hörten wir. „Das ist ein Firmenwagen“, „Das geht nicht aus Versicherungsgründen“, manche gaben uns aber deutlich zu verstehen, dass sie Fremde einfach nicht mitnehmen wollen. Kein Problem, weiter fragen. Manche wollten uns mitnehmen, fuhren aber in eine komplette andere Richtung.

250 Kilometer im BMW

Augerüstet mit einem Europa-Atlas auf einer Raststätte bei Hannover.

Tommy ließ sich nicht entmutigen und steuerte zielstrebig einen jungen Mann an, der einen Anzug trug, sich leicht an einen neuen BMW lehnte und an seinem Coffee to go nippte. „Der nimmt uns nie mit“, dachte ich – und wurde eines Besseren belehrt. Zunächst zögerte der Anfang 30-jährige Geschäftsführer: „Ich bin mir nicht sicher, ob ihr nicht Gras bei habt. Ich meine, ich habe ja so etwas früher auch gemacht, aber…“ Wir konnten ihn dann aber doch überzeugen und so nahm er uns nach Hannover mit. Wir redeten während der zweistündigen Autofahrt viel über Politik, über den Bologna-Prozess und das Reisen. Bei einer Raststätte kurz vor der Messestadt ließ er uns raus und wünschte uns eine gute Weiterreise.

„Geen probleem“

Die Sonne ging bereits unter und noch etwa 150 Kilometer lagen vor uns.

Während wir in Michendorf ungefähr eine halbe Stunde gebraucht haben, um mitgenommen zu werden, benötigten wir in Hannover nicht einmal zwei Minuten. Der erste Fahrer, den ich ansprach, fuhr nach Dresden. Der Zweite stand rauchend vor einem leicht zerbeulten Auto mit niederländischem Kennzeichen. Tommy sprach ihn auf Niederländisch an und nach zwei Sätzen antwortete der Autofahrer: „Geen probleem.“ Kein Problem also, er nahm uns mit. Wir erfuhren, dass der junge Mann, etwa Mitte 20, Mariusz heißt und gebürtiger Pole ist, aber in den Niederlanden aufwuchs. Bei Amsterdam hat er ein Geschäft für polnische Spezialitäten und so fuhr er uns bis kurz vor die niederländische Hauptstadt. Etwa fünf Stunden dauerte die Fahrt, ein 15-Kilometer langer Stau bei Osnabrück hielt uns ein wenig auf. Wir redeten auf Niederländisch und Englisch, manchmal übersetzte ich auch die Nachrichten des Deutschlandsradios. Es war bereits dunkel, es regnete und ein wenig erschöpft waren wir, als wir Mariusz an der Tankstelle verabschiedeten.

Ankunft nach neun Stunden Fahrt

Nach fünf Minuten fanden wir einen weiteren Autofahrer, der uns zu einer Tankstelle im Süden von Amsterdam fuhr. Von dort aus wäre es leichter, Richtung Süden zu trampen, meinte Tommy. Der neue Fahrer, ebenfalls Anfang 30, erzählte begeistert von seiner Arbeit auf dem Flughafen Schiphol bei Amsterdam. Er hatte einen eher aggressiven Fahrstil, trank schnell zwei Red-Bull-Dosen aus und achtete eher wenig auf die Autobahn. Kurz danach erreichten wir die gewünschte Tankstelle, noch 50 Kilometer lagen vor uns. Auch dort wurden wir bereits nach wenigen Minuten fündig. Ein junges Paar, ursprünglich stammen beide aus dem Iran, leben aber seit 13 und 16 Jahren in den Niederlanden, nahm uns mit. Sie wollten nach Den Haag, um dort zu feiern. Wir redeten viel über das Reisen, über Integration, fremde Länder und was Heimat bedeutet. Die beiden wohnen nun bereits länger in den Niederlanden, als sie im Iran lebten, sprechen nahezu akzentfrei Niederländisch und haben gutbezahlte Jobs. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders wäre vielleicht überrascht. Die beiden fuhren uns direkt vor die Haustür in Leiden, es war bereits gegen 21 Uhr und das Ziel nach neun Stunden endlich erreicht. Eine schöne Woche erlebte ich danach in meinem alten zu Hause.  Zurück nach Deutschland fuhr ich allerdings mit der Bahn. Irgendwie ist das doch ein wenig bequemer.

Fotos: Christine Fratzke

Jubiläum nach 60.000 Seemeilen: Die Lovis wird zehn

Das Dampfschiff "Malmö" wurde zum Frachtlogger "Lovis" umgebaut: Sie feiert nun ihren zehnten.

Ein Segelschiff, dass sein zehnjähriges Jubiläum feiert, obwohl es eigentlich über hundert Jahre alt ist: Die Lovis. Ursprünglich stach sie seit 1897 als Dampfschiff „Malmö“ in die See. Bei der Suche nach einem Basisschiff für den Nachbau eines Frachtloggers durch den BÖE e.V. stießen die Vereinsmitglieder genau hundert Jahre später auf den Rumpf der „Malmö“, der den ursprünglichen Abmessungen des Frachtloggers „Wilhelm Lühring“ entsprach.

Seit zehn Jahren ist das zur „Lovis“ umgebaute fast 30 Meter lange Schiff nun im Ostseeraum unterwegs. Sie legte in der Zwischenzeit 60.000 Seemeilen zurück, befuhr nahezu die gesamte Ostseeküste und legte unter anderem in Spitzbergen und St. Petersburg an. In den Fjorden Norwegens, vor der Küste Großbritanniens und im Balitkum wurde die „Lovis“ in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls gesichtet.

Die Lovis: Ein „sozialer Experimentierraum“

Die Lovis ist nicht nur ein Schiff, sie ist vor allem auch „ein Ort“, an dem „über die Gesellschaft“ nachgedacht wird und sie gestaltet werden kann. Die Vereinsmitglieder wollen den Reisenden Mut machen, sich einzumischen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dabei fand in den vergangenen Jahren ein reger Austausch mit anderen Gruppen und Initiativen statt. Dabei ist eine Mischung aus „sehr verschiedenen Reisen und Aktionsformen“ entstanden. Der Frachtlogger soll jedoch nicht nur „sozialer Experimentierraum“ sein. Den Reisenden soll auch die traditionelle Seeschifffahrt nahegebracht und das Leben auf dem Wasser erlebbar gemacht werden.

Zur Zeit liegt die Lovis im Greifswalder Museumshafen und lädt täglich zu zahlreichen Veranstaltungen anlässlich des zehnjährigen Bestehens ein. So wird heute Abend um 20 Uhr in der Museumswerft Jaques Cousteaus Dokumentarfilm „Die schweigende Welt“ gezeigt.Tobias Kniebe schreibt in der Süddeutschen Zeitung unter anderem folgendes über den Film:

„Heute scheinen alle Wunder der Ozeane abgefilmt zu sein, in Breitwandauflösung und für ein Millionenpublikum. Diese Dokumentation aber ist der Ursprung, die Pioniertat, der erste kollektive Blick der Menschen in die Tiefe der Unterwasserwelt. Geschaffen hat sie der Mann, der das moderne Tauchen zehn Jahre zuvor erst erfunden hatte: „Le Commandant” Jacques-Yves Cousteau. Ein hagerer, zäher, ewig rauchender Erzähler, der uns auf sein Forschungsschiff Calypso mitnimmt.(…) Und also bekommen wir eine Menge Dinge zu sehen, die im Jahr 1956 schlichtweg sensationell waren und auch heute noch ihre Magie entfalten: Hunderte Delphine zum Beispiel, die neben dem Schiff ein wahres Ballett aufführen, schnelle Unterwasserscooter, die spätere Tauchsequenzen bei James Bond inspirierten, freundliche Meeresschildkröten, einen tanzenden Zackenbarsch, einen Monsun auf hoher See, ein versunkenes Wrack. Als Cousteau mit diesen Aufnahmen zu den Filmfestspielen von Cannes kam, räumte er gleich die Goldene Palme ab, später kam noch der Oscar dazu – eine Legende war geboren. Und Louis Malle, seinem erst 23-jährigen Unterwasserfotografen und Koregisseur, sollte ebenfalls eine große, wenn auch ganz andere Karriere beschieden sein.“

Jubiläumsfeier, Filme, Fahrten auf den Bodden

An Bord der "Lovis"

Am Dienstag, dem 5. Oktober, geht es im Rahmen des Energiewende-Thementages auf den Greifswalder Bodden hinaus. Menschen, die in Mecklenburg-Vorpommern eine Energiewende hin zu regenerativen Energien vorantreiben wollen, sind an diesem Tag an Bord des Frachtloggers gut aufgehoben.

Um 21 Uhr wird dann auf der Museumswerft erneut ein Dokumentarfilm gezeigt, in dem es unter anderem auch um die Lovis geht: So reiste Henrike Wegener mit der Lovis im Jahre 2009 zum Klimagipfel in Kopenhagen. Kim Nguyen startete von Australien aus mit dem Fahrrad in Richtung Dänemark. Beide Reisen wurden von der Regisseurin Lena Kampf auf Film gebannt. Im Anschluss stellen sich Lena Kampf und Henrike Wegener den Fragen des Publikums.

Bei Kaffee und Kuchen kann man Mittwoch, dem 6. Oktober, zwischen 15 und 18 Uhr die Lovis näher kennen lernen. Um 19 Uhr wird dann Kapitän Stefan Schmidt von der Kap Anamur im Literaturzentrum Koeppenhaus anwesend sein. Er rettete vor sechs Jahren mit seinem Schiff 37 afrikanische Flüchtlinge in Seenot. Er wurde deswegen angeklagt und erst im vorigen Jahr freigesprochen. Besucher der Veranstaltung können sich mit dem Seefahrer über die verheerende Menschenrechtslage an europas südlichen Grenzen unterhalten.

Am Freitag werden um 20 Uhr Kurzfilme auf und mit der Lovis gezeigt. „Mal dokumentarisch, mal Spielfilm. Lasst euch überraschen“, heißt es dazu im Programm des Vereins. Welche Angebote der Frachter für die Schule bereit hält, kann man während der Ausfahrt „Lovis trifft Schule“ am 9. Oktober zwischen 10 und 15 Uhr erfahren.

Hoch die Gläser heißt es dann um 17 Uhr: Die zehn Jahre störungsfreie Fahrt über die Weiten der Ostsee werden nun ordentlich gefeiert. Los geht mit Begrüßung und Sektempfang sowie mit einer „Bootsfrauenperformance“ um 19 Uhr an der Museumswerft. Am Abend findet eine Jubiläumsparty statt.

Weitere Informationen zur Lovis und zur Festwoche sind auf der Homepage des Vereins sowie auf dem Fleischervorstadtblog zu finden.

Fotos: BÖE e.V.

Mensa, Leporello, Hiddensee: Die Erstsemesterwoche

In der Mensa können Erstsemester ihre Begrüßungsbeutel abholen.

Noch nie gab es so viele Erstsemester wie in diesem Jahr: 3.000 neue Studentinnen und Studenten werden erwartet. Viele von ihnen waren bisher noch nicht in Greifswald. Einige wussten möglicherweise gar nicht, wo diese kleine Studentenstadt überhaupt liegt, bis es sie nun zum Studium in den Nordosten gezogen hat. In der Fremde auf sich allein gestellt zu sein, ist alles andere als angenehm. Damit sich die neuen Studentinnen und Studenten in Greifswald nicht allein gelassen fühlen und sich mit ihrer neuen Umgebung vertraut machen können, organisiert der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) in der ersten Woche des neuen Semesters entsprechende Veranstaltungen.

Um 15.30 Uhr werden die „Erstis“ vor der Mensa begrüßt und können ihre „Ersti-Beutel“ abholen. Diese enthalten mehr oder weniger nützliche Dinge für den Neustudenten oder die Neustudentin bereit. Letztes Jahr war beispielsweise neben den zahlreichen Werbeflyern, von denen nahezu alle bei den meisten Erstis aufgrund ihrer Nutzlosigkeit sofort den Weg in den Papierkorb gefunden haben dürften, Süßigkeiten, auch eine gelbe Zahnbürste enthalten. Das Gelb ist nur rein zufällig gewählt. Schließlich ist der Sponsor der Zahnbürste nicht nur Zahnarzt, sondern sitzt auch für die FDP im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Was ebenso immer wieder anzutreffen war und durchaus sehr nützlich ist: Der Theatergutschein. Als Erstsemester konnte man, zumindest in den vergangenen Semestern, einmal kostenlos eine Theatervorstellung besuchen. Sollte sich dieses Blatt Papier auch in diesem Jahr wieder unter den zahlreichen Flyern befinden, so sollte dieser Gutschein, im Gegensatz zu dem anderen Papierkram, nicht so schnell den Weg zum Papierkorb, sondern zum Schauspielhaus finden.

Kneipenbummel und Stadtrundgang mit Tutoren

Doch was tut man als Ersti, wenn man die Tüte in der Hand hat? Man wendet sich an einen der zahlreichen Erstsemestertutoren, die verschiedene Fächer vertreten. Diese unternehmen dann mit den unzähligen Neustudentinnen und Neustudenten einen Stadtrundgang, bei dem man nicht nur die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, sondern auch gleich die eine oder andere Kneipe oder Bar kennen lernt. Der Kneipenbummel und die Stadtführung mit den Tutoren startet um 17.30 Uhr vor der Mensa. Nur wenige Stunden kann man sich dann dort wieder einfinden. Dieses mal gibt es keine Erstibeutel, sondern eine Party. Wer seinen oder ihren Immatrikulationsnachweis mitbringt und damit belegt, dass er oder sie „Ersti“ ist, kann um 20:00 Uhr im Mensa-Club feiern. Für das leibliche Wohl sorgt der AStA mit einem Grillstand. Der Eintritt ist an diesem Abend frei.

Dienstag und Mittwoch können Erstsemesterstudierende jeweils um 10 Uhr an den Fachschaftsfrühstücken teilnehmen. Hier werden Stundenpläne gebastelt, Tips fürs Studium gegeben und es gibt Kaffee, Brötchen, Knabberzeug oder Kuchen. Am 5. Oktober veranstalten Radio 98eins und der AStA anschließend um 13 Uhr  einen Tag der Offenen Tür.

Was ein Leporello ist, wie man sein Studienbuch führt und wie man am besten seinen Wochenplan gestalten sollte, erklärt Herr Hatz von der Studienberatung am Dienstag um 14 Uhr im Hörsaal fünf des Audimaxes. Um in der zentralen Universitätsbibliothek auf der Suche nach geeigneter Literatur nicht ziellos herum laufen zu müssen, findet am selben Tag um 15 Uhr eine Führung durch die Bibliothek und das Rechenzentrum statt. Den Abend kann man dann wieder im Mensa-Club ausklingen lassen. Der C9-Club veranstaltet ab 22 Uhr eine „Exilparty“.

Zahlreiche Führungen, Entspannung auf Hiddensee und Usedom

Vor dem Studium noch einen Tag entspannen: Auf der Insel Hiddensee

Bis in die frühe Neuzeit hinein waren Universitäten vom Staat unabhängig und verfügten über eine eigene Gerichtsbarkeit. Somit wurde für straffällig gewordene Studierende auch ein eigenes Gefängnis, der Karzer, notwendig. Wer sich den Greifswalder Karzer einmal ansehen möchte, trifft sich um 16 Uhr vor dem Rubenow-Denkmal. Die Führungen finden Mittwoch und Donnerstag statt.

Ebenfalls sehenswert dürfte – nicht nur für Naturwissenschaftsstudenten – eine Führung durch das Max-Planck- Institut für Plasmaphysik sein. Dort arbeiten bereits seit etwa einem Jahrzehnt Greifswalder Wissenschaftler am Projekt „Wendelstein 7x“, einem Kernfusionsreaktor. Los geht es am Donnerstag um 16.30 Uhr.

Bevor man sich in der darauf folgenden Woche in (zum Teil sehr volle) Vorlesungen und Seminare setzt, kann man noch am Sonntag auf Hiddensee oder Usedom entspannen. Los gehen die Fahrten auf die Inseln um 9 Uhr. Wer die Entspannung lieber im Himmel sucht, dem oder der sei am Sonntag um zehn Uhr das Segeln empfohlen. Nach der feierlichen Immatrikulation am Montag dürften die meisten Erstsemester bereits genügend Mitstreiter gefunden und sich bereits ein wenig in ihre neuen Wahlheimat eingelebt haben.

Fotos: Marco Wagner (Programm Erstsemesterwoche), Chin tin. tin. via Wikipedia (Insel Hiddensee), Gabriel Kords (Mensa).

Gegen die „Antifa-geschulte Linke“: Wie Rechtsextreme die Hochschulen erobern wollen

Ein Bericht von Marco Wagner

November 2009 wurde das IKuWo zur Zielscheibe Rechtsextremer

Sonntag, 1. November 2009, 2 Uhr: Drei Betrunkene bewerfen das Internationale Kultur- und Wohnprojekt (IkuWo) in der Bahnhofstraße mit verschiedenen Gegenständen. Es entstehen Schäden an der Fassade des Hauses. Auf der Flucht zeigt einer der Täter einen Hitlergruß, ein anderer lässt einen Schlagring fallen. Ein Teil der Täter flüchtete zum Haus der Markomannia am Karl-Marx-Platz. Die Täter sind Zeugenberichten zufolge Mitglieder der Greifswalder Burschenschaft Rugia. Der Deutschlandfunk berichtete im Februar 2008, dass die Studentenverbindung „quasi den Hort der Rechtsextremen“ bilde und mit „rechtsextremen Kameradschaftsstrukturen“ zusammen arbeite. So waren beispielsweise die Brüder Stefan und Mathias Rochow Mitglied der Burschenschaft Rugia. Stefan Rochow war von 2002 bis 2007 Bundesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten, und arbeitete für die NPD-Fraktionen im Landtag von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Beide sind 2008 beziehungsweise 2009 aus der NPD ausgetreten. Wie der Allgemeine Studierendenausschuss in einer Pressemitteilung berichtete, wurden Stefan und Mathias Rochow  auf Grund von Disziplinarverstößen 2008 aus der Rugia ausgeschlossen. Das Greifswalder Straßenmagazin Likedeeler berichtete in einer Sonderausgabe 2006 darüber, dass  „gute Kontakte“ zu den in Greifswald wohnenden „Neonazikadern“ Lutz Giesen und Paul Schneider bestünden.

Auch die Burschenschaft Markomannia musste sich in der Vergangenheit mit dem Vorwurf, im rechtsextremen Spektrum angesiedelt zu sein, auseinandersetzen. So schreibt beispielsweise die Frankfurter Rundschau 2005, dass immer dann, „wenn Rechte in der Stadt aufmarschierten, Markomannia, Rugia, gelegentlich auch die Schwesternschaft Athenia mit von der Partie“ seien. So habe man Burschen beider Verbindungen 2005 bei einer Kundgebung des Heimatbundes Pommern gesehen. 1994 brachte die Markomannia auf dem Burschentag in Eisenach einen Antrag zur Eingliederung Österreichs in die Bundesrepublik Deutschland ein. Darüber hinaus wurde in dem Skript die Wiedereingliederung der nach 1945 vorwiegend an Polen abgetretenen Deutschen Ostgebiete als erstrebenswertes Ziel erachtet. Diese Forderung ist auch heute noch in den Grundsätzen Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) verankert. Die Markomannia ist Mitglied dieser Organisation. Vor etwa einem Jahr gab der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) ein Informationsblatt mit dem Titel „Burschenschaften im rechtsextremen Spektrum“ heraus, in dem Erstsemester vor den Burschenschaften Rugia und Markomannia gewarnt wurden. Letztere druckte daraufhin eine Gegendarstellung, in der sie betonte, dass keine Kontakte zum rechtsextremen Spektrum bestünden.

„Wenn man bedenkt, dass diejenigen, die ihre Heimat vor 60 Jahren wirklich verteidigt haben, heute zum Teil als Mörder beschimpft werden, dann sieht man wie weit wir von dem entfernt sind, was Patriotismus wirklich heißt“, erklärt Professor Dr. Ralph Weber, Lehrstuhlinhaber für Arbeitsrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Greifswalder Universität während eines Vortrages vor dem Verein Deutscher Studenten (VDSt). „Migration und Einbindung sind Verrat an der eigenen Kultur“, heißt es nach Angaben Carsten Schönebecks, der als Besucher auf der genannten Veranstaltung war, weiter.

Die DVU-Abgeordnete Birgit Fechner äußerte sich 2004 während einer Rede vor dem Brandenburgischen Landtag nahezu identisch, indem sie meinte, dass „Integration und Assimilation Raub an Heimat und Volkstum“ bedeuten und dass, „wer seine innere und äußere Heimat nicht mehr kennt, natürlich sehr viel leichter regiert und beherrscht werden“ könne. Dieser sei eher bereit, „sich zum kosmopolitischen Spaßbürger, Konsumsklaven und zum unmündigen Ja-Sager umerziehen zu lassen.“

Professor Weber ist die CDU zu links geworden. Er wünscht sich eine Deutsche FPÖ

Zudem soll nach Angaben der Ostsee-Zeitung, ein Treffen zwischen Weber und Udo Voigt dem Vorsitzenden der NPD sowie zwischen dem Professor der Rechtswissenschaften mit Mathias Faust von der DVU stattgefunden haben. Grund hierfür war die Erörterung einer Parteineugründung rechts der CDU. Für Weber sei die konservative Partei in den vergangenen Jahren zu weit nach links gerückt. Deshalb erwäge er die Gründung einer Partei rechts der CDU nach dem Vorbild Jörg Haiders FPÖ.

Nachdem am 30. Juni in der Ostseezeitung die Vorwürfe gegen Weber thematisiert wurden, verfasste dieser am 2. Juli eine Gegendarstellung, in der er sich in erster Linie über den journalistischen Stil, in dem die Autoren Kleine-Wördemann und Schönebeck berichteten, beschwerte. So hätten die Verfasser den Artikel mit der Absicht verfasst, den Jura-Professor aufgrund seiner konservativen Positionen „sofort auf den Eilzug ins rechtsextreme Lager“ setzen zu wollen. Weber beschwert sich weiter, dass „political correctness nur für Ansichten von ganz links“ gelte. „Rechts der Mitte dagegen wird man zum Freiwild von Fehlberichterstattungen und Ehrverletzungen übelster Art.“

Als besonders beklagenswert empfindet es der Jurist, dass „rechte, das heißt konservativ-christliche und patriotische Standpunkte“ nicht strikt von rechtsextremen Standpunkten getrennt werden. So würden politische Standpunkte, „die früher von namhaften Ministerpräsidenten der CDU wie Alfred Dregger, Franz-Josef Strauß, Hans-Karl Filbinger oder Altbundespräsident Karl Carstens vertreten wurden und das politische Erscheinungsbild der CDU prägten, heute als rechts gleich rechtsextrem bezeichnet und durch die Antifa geschulten Linken bekämpft.“

Unter den genannten, die Weber als rechts ungleich rechtsextrem bezeichnet, befinden sich zwei Nationalsozialisten: Hans-Karl Filbinger und Karl Carstens. Der spätere CDU-Politiker Hans-Karl Filbinger hatte als Marinerichter und NSDAP-Mitglied 1943 und 1945 vier Todesurteile beantragt beziehungsweise selbst gefällt. Karl Carstens, zwischen 1979 und 1984 Bundespräsident, war zwischen 1940 und 1945 ebenfalls Mitglied der NSDAP und trat bereits 1934 der SA bei.

Weber stellt in dem Brief an die Ostsee-Zeitung darüber hinaus klar, dass für ihn eine Zusammenarbeit mit der NPD und DVU nur dann in Frage käme, wenn diese sich von den Verbrechen des Naziregimes distanzierten und die freiheitlich-demokratische Grundordnung anerkennen würden. Da dies gegenwärtig nicht der Fall sei, käme keine Zusammenarbeit mit beiden Parteien in Frage, wenngleich es für ihn „keinen Unterschied“ ausmache, ob er „mit Herrn Voigt oder Frau Merkel“ rede.

Nach Angaben des Fachschaftsrates (FSR) Jura soll sich Weber zudem fremden- und frauenfeindlich geäußert haben, weshalb die betroffenen Studentinnen und Studenten Beschwerden beim FSR einreichten. Dieser habe daraufhin Weber ein Gesprächsangebot zur Klärung der Vorwürfe gemacht, dass der Jurist bisher nicht angenommen hat.

Unterdessen wurde die Universitätsleitung Ende Juli von der Landesregierung dazu aufgefordert, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Weber aufgrund des Verdachtes rechtsextremer Tätigkeiten zu prüfen. Zudem sollen Möglichkeiten überprüft werden, das Tragen der Kleidermarke Thor Steinar via Hausrecht zu verbieten.

Thor Steinar ist eine Kleidungsmarke,  auf deren Produkten Abwandlungen rechtsextremer Symbole gezeigt  werden. So mussten die Hersteller des in Königs Wusterhausen sitzenden Unternehmens ihr altes Logo verändern, da es der, aus Gründen der Verfassungsfeindlichkeit verbotenen Wolfsangel zu ähnlich war.

Die Ware wird fast ausschließlich in rechtsextremen Szeneläden feil geboten. Nach Angaben des Brandenburgischen Verfassungsschutzes betrachten Neonazis die Marke als „zur Szene gehörig“.

Wenngleich die Firma nicht mehr deutsch ist, sondern mittlerweile einem Unternehmer aus Dubai gehört, so hat sich an den Motiven der Kleidung nichts geändert. Die rechtsextremen Inhalte werden nach wie vor transportiert. So findet in der diesjährigen Winterkollektion das alte Logo erneut auf einem Feuerzeug mit dem Namen „TS-Sturm“ Verwendung. In dem Namen des Feuerzeugs verbirgt sich sowohl das Kürzel „S-S“ für Schutzstaffel, als auch die Silbe „Sturm“ der Sturmabteilung (SA) der NSDAP. In der Kapuzenjacke „Wings“ wird das Kürzel „TS“ dergestalt von Adlerflügeln flankiert, dass ein Bezug zum Hoheitszeichen der NSDAP hergestellt werden kann.

Am 3. September änderte die Universitätsleitung die Hausordnung der Universität dahingehend, dass „Verhaltensweisen zu unterlassen sind, die geeignet sind, die öffentliche Wahrnehmung der Universität als weltoffenes, pluralistisches, freiheitliches und demokratisches Zentrum von Forschung und Lehre zu beeinträchtigen.” Darüber hinaus werden insbesondere “die Verwendung von Kennzeichen mit verfassungswidrigen, rassistischen, fremdenfeindlichen, gewaltverherrlichenden oder anderen menschenverachtenden Inhalten” untersagt. Nachdem in den Medien, so unter anderem in der Wochenzeitung Die Zeit, vorerst fälschlicherweise die Nachricht übermittelt wurde, dass das Rektorat das Tragen von Thor Steinar verbieten wolle, dementierte Pressesprecher Jan Meßerschmidt kurz darauf, dass dies der Fall sei.

Ungeachtet dessen ist weder die Universität Greifswald, noch irgendeine andere Universität von dem Problem des Rechtsextremismus befreit. So berichtete beispielsweise der Unispiegel im Januar 2010 von Aktivitäten Rechtsextremer an verschiedenen deutschen Universitäten. Greifswald wird in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt. Aktivitäten von Rechtsextremisten seien dem Unispiegel zufolge nicht zufällig. Neonazis studieren demnach vorrangig geisteswissenschaftliche Fächer und geben sich als „Vordenker einer neuen, rechten Avantgarde“.  Eine Begründung dieser These bleibt die Autorin Ine Brzoska hingegen schuldig.

Der Biologiestudent Ragnar Dam auf einem Zeltlager der HDJ

Vor etwa einem Jahr veröffentlichte „Recherche Nord“ Informationen über rechtsextremistische Tätigkeiten des Greifswalder Biologiestudenten Ragnar Dam. Bis zum Verbot der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) war er Chef der HDJ-Einheit „Mecklenburg-Pommern“ und „Führer“ der Leitstelle Nord. Hausdurchsuchungen in Dams Wohnungen in Berlin und Greifswald ergaben Berichten von „Recherche Nord“ zufolge, dass er in seiner Funktion „Rassenschulungen“ durchgeführt habe. Ziel der HDJ war es, für die „Blutsreinheit“ und das „Fortbestehen des Deutschen Volkes“ einzutreten. Aus diesem Grund wurde die Vereinigung am 31. März 2009 vom Bundesinnenministerium verboten. „Der Kampf um die Köpfe“, den Udo Voigt vor Jahren ausrief, hat längst begonnen. Universitätsstudium, Kleidung von Thor Steinar, Consdaple und die Schulhof-CD: Das ist das Gepäck, mit dem sich die Neuen Nazis auf den Weg in die Mitte der Gesellschaft machen. Regional ist es ihnen bereits gelungen. So erlangte die NPD bei den Wahlen zum Landtag Mecklenburg-Vorpommern in den Landkreisen Uecker-Randow, Demmin und Ostvorpommern zwischen 10 Prozent und 15 Prozent der Zweitstimmen. Nach Angaben der Sozialraumanalyse für Anklam seien etwa 17,5 Prozent der Befragten Bevölkerung der Ansicht, dass die Partei helfe, die Probleme vor Ort zu lösen. Die NPD hat die SPD bei der Wiederholung der Kommunalwahl am 27. September 2009 um 0,1 Prozent mit 7,4 Prozent knapp überholt. Ob den Rechtsextremen dies jedoch bundesweit gelingen wird, ist von der Zivilcourage derer abhängig, die sich keine Neuauflage des Dritten Reiches wünschen.

Eine Frage der (Doppel)moral

Ein Kommentar von Florian Bonn

Sollte der Staat seinen Bürgern vorschreiben dürfen, was sie anzuziehen haben? Diese, durch die Änderung der Hausordnung der Universität Greifswald aufgeflammte Debatte, wurde vor einigen Jahren schon einmal in Deutschland geführt. Damals kamen Befürworter und Gegner allerdings aus der politisch entgegengesetzten Richtung als in der heutigen Debatte. Heulen heute Konservative ob dieses Eingriffs in ihre Freiheit empört auf, hatten sie vor wenigen Jahren keinerlei Probleme damit, angehenden Lehrerinnen und anderen Staatsbediensteten das Tragen eines Kopftuches zu verbieten. Um Kleidung geht es in beiden Debatten nur sekundär, der Kern ist die Symbolkraft, die dahinter steckt. Ist also die Marke Thor Steinar ein Symbol für Rechtsextremismus, auch wenn keine verfassungsrechtlich zu beanstandenden Symbole auf den Kleidungsstücken zu finden sind? Diejenigen, die das nicht so sehen, argumentieren, dass Thor Steinar keine zu beanstandenden Symbole mehr verwendet und mittlerweile im Besitz eines ausländischen Investors ist. Doch zur Geschichte der Marke gehören das mittlerweile verbotene alte Logo, die rechtsextremen vormaligen Besitzer und recht eindeutige T-Shirt Motive wie eine große „88“ im Lorbeerkranz. Das ist auch der Weg, mit dem Thor Steinar zu einer profitablen, umsatzstarken Marke geworden ist. Thor Steinar Kleidung kann also durchaus als Symbol der Rechtsextremen bezeichnet werden Die aktuellen, vergleichsweise harmlosen Motive passen gut ins Bild eines Strategiewechsels innerhalb der Neonaziszene. Der Trend geht weg vom klassischen Skinheadoutfit. Autonome Nationalisten kann man rein optisch kaum als Neonazis identifizieren. Auch sonst versuchen sich NPD und andere durch Bürgerfeste und andere Veranstaltungen in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren. Ein Thor Steinar tragender Professor kann für diese Bewegung schon fast als Maskottchen dienen. Durch ein Verbot von Thor Steinar Kleidung wird niemand aus der Uni ausgesperrt, kaum jemand dürfte ausschließlich Thor Steinar Kleidung in seinem Besitz haben. Was das Verbot allerdings darstellt, ist ein Verbot des Werbens für Rechtsextremismus. Ein solches ist kaum zu beanstanden, gerade weil auch Politische Parteien in den Räumen der Universität nicht werben dürfen.

Bildnachweis: Archiv/ Homepage des Trägervereins („ikuwo.de“) – IKuWo, Archiv/ Homepage „Recherche Nord“ („www.recherche-nord.com“) – Ragnar Dam, Dana via Wikipedia (FPÖ-Plakat), Archiv/ Artikel: Neonazis marschieren ungehindert durch Anklam

Dieser Artikel, sowie die Ausgabe in der Online-PDF sind an vereinzelten Stellen korrigiert worden und weichen daher in Teilen von der gedruckten Version ab.


Studierende enttäuscht: Das Hochschulgesetz

Udo Michallik sieht in dem neuen Entwurf eine Bestätigung der Arbeit des Bildungsministeriums.

„Mit der heutigen breiten Zustimmung  zu den Änderungen des neuen Landeshochschulgesetzes im Bildungsausschuss des Landtages sehe  ich die Arbeit des Bildungsministeriums für ein praxisnahes und zeitgemäßes Hochschulgesetz  bestätigt. Dieses Gesetz  befördert den Bolognaprozess und stärkt die Hochschulautonomie“, lobt der Staatssekretär des Bildungsministers, Udo Michallik, die Änderungen des neuen Landeshochschulgesetzes nach der 93. Sitzung des Bildungsausschusses des Landtages in Schwerin.

Ganz anders sehen das hingegen die Vertreter der Studierendenschaften. „Statt auf die Proteste der Studierenden zu reagieren und endlich entscheidende Weichen für Qualitätsverbesserungen in der Lehre zu stellen, werden neue Proteste heraufbeschwört“, kritisiert Thomas Schattschneider, Sprecher der Landeskonferenz der Studierendenschaften (LKS), die Zustimmung des Bildungsministeriums.

Am Donnerstag, dem 30. September fand im Bildungsausschuss des Mecklenburg-Vorpommerschen Landtages die öffentliche Anhörung zum vierten Änderungsgesetz des Landeshochschulgesetzes statt. Neben Vertretern der LKS waren auch Mitglieder der Hochschulleitungen, Vertreter der Personalräte und Universitätsklinika geladen.

Kritik am Studienkontenmodell

In dem neuen Entwurf des Landeshochschulgesetzes (LHG), das im Dezember diesen Jahres dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt werden soll, wird sich unter anderem für ein Studienkontenmodell ausgesprochen. Es soll Studierenden, die ihr Studium deutlich unterhalb der durchschnittlichen Regelstudienzeit abschließen, ein Bildungsgutschein zur Verfügung gestellt werden, der für Weiterbildungsangebote der Hochschulen des Landes genutzt werden soll.

Es dürfe nicht das Ziel  sein, möglichst viele Studierende in kürzester Zeit zu produzieren, kritisierte Henning Rehm, Sprecher der LKS, das Modell. Vielmehr komme es darauf an, qualifiziertes Fachpersonal auszubilden. Studierende, die ihr Studium weit unterhalb der Regelstudienzeit absolvierten, seien so gering, dass man sie vernachlässigen könne. Zudem würde diese Zahl aufgrund zwingender Erwerbstätigkeit zur Finanzierung des Studiums weiter sinken. „Gleichzeitig bleibt die Landesregierung Antworten schuldig, wie die Kosten für die Studienkontenverwaltung und die Weiterbildungsangebote von den Hochschulen kompensiert werden“, erklärte Rehm abschließend.

Was aus Sicht des Bildungsministeriums eine optimale Regelung der Freiversuchsregelung ist, wird von Seiten der Vertreter der Studierendenschaften hingegen als „Verschlechterung der Studienbedingungen“ bewertet. So provoziere die optimale Regelung eine faktische Abschaffung des Freiversuches. Darüber hinaus würde die Zahl der Freiversuche reduziert. „Statt die Zahl der Prüfungsversuche zu reduzieren, sollten die Möglichkeit der Wiederholungsprüfungen ausgeweitet werden“, kommentiert Rehm weiter.

Die Studierendenschaften müssen sich ebenfalls auf einige Veränderungen einstellen, die nicht unbedingt im Sinne derselben sind. So sehen es zumindest die Sprecher der LKS. Zum einem wolle der Gesetzgeber die Rechte der Studierendenschaften dadurch stärken, indem die Einberufung einer Vollversammlung ermöglicht werden soll. Eine verpflichtende Einberufung der Vollversammlung, wie es beispielsweise die Greifswalder Studierendenschaft auf der Vollversammlung im vergangenen Semester forderte, wird in dem Gesetz nicht verankert.

Stärkung der Meinungsbildung der Studierendenschaft durch „geeignete Medien“

Die Finanzen des AStA sollen künftig vom Rektor kontrolliert werden können.

Darüber hinaus soll dem Entwurf zu Folge die „Integration ausländischer Studierender und die Meinungsbildung in  der Studierendenschaft durch geeignete Medien“ befördert werden. Des weiteren ist im neuen Entwurf eine „Erprobungsklausel“ verankert, wonach Hochschulen „in Gänze von hochschulgesetzlichen Bestimmungen zu Aufbau und Organisation der Hochschulen abweichen“ dürfen. Das Amt des Kanzlers darf dabei per Gesetzesentwurf jedoch nicht zur Disposition gestellt werden.

Zudem würde es zu einer Veränderung des Verhältnisses zwischen Rektorat und Studierendenschaft kommen, vorausgesetzt die Mehrheit des Landtages erteilt dem Entwurf in dieser Form seine Zustimmung. Demnach soll die Hochschulleitung in Zukunft den Haushalt der Studierendenschaft überwachen. Entlastungen derselben bedürfen dann der Zustimmung des Rektorats. Die Vertreter der Studierendenschaften erachten dies als einen gravierenden Eingriff in ihre Rechte und lehenen diese Pläne als haltlos ab.

Studierendenschaftsvertreter forderten die Landesregierung mehrheitlich dazu auf, die soziale Öffnung der Hochschulen auszubauen, Angebote für Teilzeitstudiengänge einzurichten, die Mitbestimmungsrechte der Studierendenschaften und Mitarbeitervertretungen zu erweitern und auf spezielle Lehrprofessuren zu verzichten. Im vergangenen Jahr wurden bei Audimaxbesetzungen, so auch in Greifswald, ähnliche Forderungen erhoben.

Regierung würde mit neuem LHG drei Reformprojekte umsetzen

Die Uniklinik wird eine Teilkörperschaft der Universität.

Der Bildungsausschuss der Landesregierung bewertet den neuen Entwurf des LHG erwartungsgemäß positiv. Nach Angaben der Pressemitteilung des Bildungsministeriums würden mit gleich drei Reformprojekte der Regierung mit auf den Weg gebracht. So würde das neue Gesetz zum einem der aktuellen Strukturreform im Bologna-Prozess gerecht. Zum anderen würde damit die Hochschulautonomie gestärkt und die Universitätsmedizin neu organisiert. Hierunter fällt unter anderem die Zusammenführung des Greifswalder Universitätsklinikums und des Fachbereiches Medizin der Ernst-Moritz-Arndt Universität zur Teilkörperschaft „Universitätsmedizin“.

Im Mittelpunkt der Gesetzesänderungen stehen nach Angaben des Bildungsministeriums effizientere Studienbedingungen für die Studierenden in Mecklenburg-Vorpommern. So müssen dem Gesetzesentwurf zu Folge die Hochschulen des Landes ihre Studienangebote im Bachelor/ Master-System künftig besser aufeinander abstimmen. Damit soll unter anderem ein verzögerungsfreier Hochschulwechsel ermöglicht werden. Darüber hinaus kommt es aus Sicht des Bildungsministeriums zu einer Stärkung der Hochschulautonomie, indem Studien- und Prüfungsordnungen künftig nicht mehr vor dem Ministerium anmelde- und genehmigungspflichtig sind. Dem Rektorat soll per Gesetzesänderung zukünftig „im Ausnahmefall“ ein Vetorecht eingeräumt werden.

LKS-Vertreter kritisieren Ablauf der Anhörung

Thomas Schattschneider kritisiert Ergebnis und Ablauf der Anhörung.

Von den Vertretern der Studierendenschaften wird jedoch nicht nur der Gesetzesentwurf, sondern auch die Zusammensetzung der zur Anhörung geladenen Mitglieder kritisiert. So wurden einem Schreiben der Landeskonferenz der Studierendenschaften zu Folge die Senate und Konzile der Hochschulen nicht berücksichtigt. „Der
Ausschuss verschloss sich somit einem differenzierten Bild aus den Hochschulen, was angesichts der vorgesehenen
Aufwertungen einzelner Teilkörperschaften und Funktionsträger sowie der nur noch optionalen
Vorhaltung einzelner Gremien ein fatales Signal gegenüber diesen Gremien ist“, schlussfolgern LKS-Vertreter.

Darüber hinaus seien lediglich „selektiv“ jeweils zwei studentische Hochschulgruppen der beiden Universitätsstädte eingeladen worden, die nur „einen verschwindend geringen Bruchteil der Studierenden repräsentieren.“ Die beiden geladenen Hochschulgruppen sind dem Schreiben zu Folge Teil der Nachwuchsorganisationen von zwei im Landtag vertretenen Parteien und somit keine Vertretung der Studierendenschaften als gesetzmäßiges Organ.

Martin Hackbarth, Vorsitzender der Juso-Hochschulgruppe weist diese Kritik derweil zurück. Schließlich seien Jusos und Linke.SDS eingeladen worden, um ihre Sicht zur Novelle des Landeshochschulgesetzes darstellen zu können. „Das neue Landeshochschulgesetz soll unter anderem die Forderungen des Bildungsstreiks, bei dem sowohl u.a. die Linke.SDS, als auch die Jusos aktiv waren, berücksichtigen.  Daher kann ich die Entscheidung, dass Hochschulgruppen eingeladen wurden nur begrüßen“, meint Hackbarth gegenüber dem webMoritz. Zudem könne nicht von einer selektiven Auswahl gesprochen werden, nur weil es andere Parteien „verpasst hätten“, ihre Jugendorganisationen im Meinungsbildungsprozess zu beteiligen. „Die Entscheidung möglichst viele Organisationen, Gruppen, Personen, Vereinigungen am Gesetzesprozess zu beteiligen kann aus demokratischer Sicht nur begrüßt werden“, erklärte der Juso-Hochschulgruppenvorsitzende abschließend.

Pressemitteilung der SPD zum Thema 70 Minuten vor Sitzungsschluss veröffentlicht

Die Landtagsfraktion der SPD publizierte etwa 70 Minuten vor Schluss der Anhörung eine entsprechende Pressemitteilung. LKS-Vertreter kritisierten dieses Vorgehen als „Höhepunkt demokratischer Unkultur“:

„Zu diesem Zeitpunkt waren zwölf der Anzuhörenden noch nicht zu Wort gekommen. Fragen an
die in dieser Gruppe Anzuhörenden waren ebenso noch nicht gestellt worden. Dass zu diesem Augenblick
bereits veröffentlicht wird, die „…fast 60 Sachverständigen bewerteten den Gesetzentwurf grundsätzlich
positiv“, ist nicht nur sachlich falsch, sondern Zeichen einer Missachtung der Anzuhörenden und schadet
dem bereits heute geringen Glauben an Folgen des Anhörungsverfahrens des Landtagsausschusses auf das
Gesetzgebungsverfahren.“

Ebenfalls kritisiert wird das scheinbare Desinteresse der Ausschussmitglieder an den mündlichen Statements der geladenen Gäste. Thomas Schattschneider zu Folge sollen zeitweise lediglich drei der zehn Mitglieder des Bildungsausschusses der Anhörung beigewohnt haben. „Auch schön, dass unser Landtagsabgeordneter gegangen ist, als die Greifswalder Studierendenvertreter mit ihren Redebeiträgen anfingen“, kommentierte Erik von Malottki, LKS-Vertreter und Präsident des Studierendenparlaments via Twitter das Verhalten im Anschluss der Anhörung sarkastisch.

Fotos: Gabriel Kords (Udo Michallik, Thomas Schattschneider), Pressematerial Uniklinikum (Uniklinikum), AStA (AStA-Logo), Kolossos via Wikipedia (Schweriner Schloss),