Einblick in die Zwei-Bett-Zimmer der Studenten

Wenn man keinen Abend allein verbringt, sich nicht traut, Dinge rumliegen zu lassen und aus Rücksicht die Sachen für den nächsten Tag rauslegen muss, dann wohnt man wahrscheinlich in einem der über 100 Doppelzimmer der Greifswalder Wohnheime des Studentenwerks. Vielen Erstsemestern, die ein Zimmer ergattern konnten, ergeht es so. Nicht nur die fragen sich: Sind Doppelzimmer heutzutage überhaupt noch zeitgemäß?

Eine dieser „Glücklichen“ ist Julia Schälicke (19), welche seit Oktober 2009 in Greifswald Psychologie studiert und auf den letzten Drücker noch einen Platz in einem Zwei-Bett-Zimmer bekommen hat. Anfangs war sie sehr froh überhaupt einen Schlafplatz zu haben, aber nach vier Monaten merkt auch sie nicht nur die Vor-, sondern auch die Nachteile eines solchen Zimmers. „Das Schöne daran ist, man hat immer jemanden zum Quatschen. Doch bin ich andererseits auch nie allein“, sagt sie und führt damit den wohl wichtigsten und schwerwiegendsten Nachteil an.

An die mangelnde Privatsphäre kann sich auch noch Philipp Christ (27) erinnern. Dieser empfand die Zeit zwar eher als „weniger schlimm“, aber ist mittlerweile doch ganz froh ein Einzelzimmer zu haben. „Gerade wenn meine damalige Freundin mich besucht hat, wurde die Situation unangenehm. Ich habe meinen Mitbewohner dann gebeten, für ein bis zwei Stunden in die Bibliothek zu gehen oder ins Kino, was er auch immer getan hat. Doch ich kann mich an einen Abend erinnern, wo wir spontan aufkommende körperliche Bedürfnisse befriedigen wollten und da wir von meinem Mitbewohner ein leises Schnarchen vernahmen, gingen wir den Bedürfnissen nach und haben miteinander geschlafen. Bis heute weiß ich nicht, ob er an dem Abend wirklich schlief und nichts davon mitbekommen hat.“

Ein weiteres Problem ist, dass meistens beide Personen einen unterschiedlichen Tagesrhythmus haben und sie daher viel Rücksicht aufeinander nehmen müssen. Julia legt beispielsweise jeden Abend ihre Klamotten für den nächsten Tag raus. „Das ist wie früher, als Mami einem die Sachen hin gelegt hat“, sagt sie und lacht. Jeden Morgen schleicht sie sich dann förmlich aus dem Zimmer um ihre Mitbewohnerin nicht zu wecken.

Auch Viktoria Wähnert (19), sie studiert Lehramt Deutsch und Russisch, kennt das. Doch sie meint auch, dass dieser unterschiedliche Tagesrhythmus durch Rücksichtnahme machbar ist und sieht es nicht als großes Problem an. Im Großen und Ganzen ist sie dem Konzept Doppelzimmer nicht abgeneigt. „Vor dem Einschlafen kann man noch eine Runde quatschen, man kann Ideen während der Hausaufgaben austauschen und es ist irgendwie immer lustig“, schwärmt sie. Viktoria vergleicht die Atmosphäre in ihrem Zimmer mit einem Ferienlager, wo man sich auch gefreut hat mit jemandem in einem Zimmer zu schlafen und sagt abschließend: „Wenn man Glück hat, dann kann es auch eine schöne Zeit sein.“

Doppelzimmer-Ella-Jahn

Trotz der meist zeitlich begrenzten Unannehmlichkeiten haben viele Studenten, die sich erst einmal darauf eingelassen haben, positive Erfahrungen gemacht. Dass diese Unannehmlichkeiten auch zu echten Konflikten werden können, das weiß auch Claudia Klasen, Abteilungsleiterin für Studentisches Wohnen im Studentenwerk. „Bei großen Konflikten bleibt nur noch der Umzug“, meint sie und versichert gleichzeitig, dass es in den beiden neuen Gebäuden der Wohnheime der Fleischerwiese keine Doppelzimmer geben soll.

„Die Fleischerwiese wurde damals mithilfe des Landes finanziert und diese Finanzierung war an eine Platzvorgabe geknüpft. Das heißt, diese Gebäude sowie die Wohnungen der Schollstraße wurden vom Land geplant und gebaut. Mit den Doppelzimmern sind wir auch unzufrieden und haben daher das Land gebeten die Zweckbindung, welche diese Zwei-Bett-Zimmer vorsah, aufzuheben und somit eine Umwandlung der Doppelzimmer in Einzelzimmer möglich zu machen.“ Begründet wurde dies damit, dass das Studentenwerk gerade zum Sommersemester nicht komplett ausgelastet ist und ihm daher wirtschaftliche Nachteile entstünden. „Wir behalten auch ein paar Doppelzimmer, aber nur die ganz großen“, sagt Claudia Klasen und rechtfertigt das mit dem günstigen Mietpreis. Da einige Studenten sich kein Einzelzimmer leisten können, sind diese natürlich froh, auf ein Doppelzimmer zurückgreifen zu können.

Alles in Allem bleiben die großen Konflikte in den Doppelzimmern aber eher eine Seltenheit und die Studenten haben ja immer die Möglichkeit, in ein Einzelzimmer zu ziehen, wenn sie dies wünschen. Aufgrund eines Antrages bekommt man sein eigenes Zimmer, je nach Nachfrage und freien Plätzen, nach wenigen Monaten zugeteilt. Dass dies nicht immer der Wunsch der Studenten ist, beweisen beispielsweise Viktoria und ihre Mitbewohnerin, welche beide noch keinen Antrag gestellt haben. Wenn dies aber irgendwann einmal so sein sollte, dann wollen sie gemeinsam ausziehen.

„Ob das Leben in einem Doppelzimmer zu einer schönen Zeit wird, das ist auch immer eine Frage des Typs und der Einstellung. Viele Studenten haben sehr hohe Erwartungen, wenn sie hier ankommen und ein Zimmer haben wollen“, stellt Claudia Klasen abschließend fest. „Dann müssen wir ihnen erklären, dass leider im Moment keine Einzelappartements im Max-Kade-Haus frei sind und sie im schlimmsten Fall in eine Neuner oder Elfer Wohngemeinschaft ziehen müssen. Das ist für diese Menschen natürlich schlimm, aber dann raten wir ihnen auch gleich, einen Umzugsantrag zu stellen, damit sie uns als Mieter auch erhalten bleiben.“ Ob nun Zwei-Bett-Zimmer zeitgemäß sind oder nicht, hängt also ebenfalls von der Person selber ab und ist eher schlecht in Zeit oder Lebensstandard zu messen. Man kann nur empfehlen, sich darauf einfach einmal einzulassen, denn nur wenigen schadet diese Erfahrung.

Ein Bericht von Ella Jahn