Die Studierendenschaft hat für eine Beibehaltung des umstrittenen Namenspatrons Ernst Moritz Arndt gestimmt. Die Kampagne „Uni-ohne-Arndt“ muss eine schwere Niederlage hinnehmen. Wie konnte das passieren?

Das neue Jahr ist noch jung, doch bereits nach 15 Tagen hatte Greifswald seine erste Sensation. Eine Mehrheit der Studierenden sprach sich bei der ersten Urabstimmung der Geschichte der Universität Greifswald für eine Beibehaltung des Namenspatrons Ernst Moritz Arndt aus. Das ist ein echter Knaller, mit dem die wenigsten gerechnet haben dürften. Doch das Ergebnis an sich ist noch gar nicht das eigentlich Überraschende. Die echte Überraschung ist das grandiose Scheitern einer bis ins Detail durchgeplanten, Greifswald völlig umspannenden und alle anderen Themen überdeckenden Medienkampagne.

Das Scheitern der Kampagne „Uni-ohne-Arndt“, deren Protagonisten stets glaubten, auf der Siegerstraße zu sein und nun doch als Verlierer vom Platz gehen müssen. Das Szenario kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses im Mensaclub erinnert ein wenig an das Debakel von Barcelona, als der große FC Bayern in der Nachspielzeit die Champions League verspielte. Bedröppelt stehen sie da, als Wahlleiter Robert Herold den Anwesenden das vorläufige Endergebnis mitteilt. 43,4 Prozent für eine Namensablegung, 49,9 Prozent für eine Beibehaltung, dieser Schock sitzt tief.

Während einige Anwesende verhalten klatschen und die Arndt-Befürworter ihren Überraschungssieg feiern, verlassen viele „Uni-ohne-Arndt“-Mitglieder sofort den Club. Ein sichtlich angefressener Sebastian Jabbusch, Mitinitiator gemeinsam mit der Grünen Hochschulgruppe und Sprachrohr der Kampagne, gibt Durchhalteparolen aus. „Wir haben zwar verloren, dennoch ist das Ergebnis kein schlechtes. Ein sehr großer Teil der Studierenden hat sich gegen Arndt als Namenspatron ausgesprochen, das sollte doch zu denken geben. In Berlin wäre das beispielsweise nicht denkbar“, erklärte Jabbusch seine Deutung des Ergebnisses.

Uni mit Arndt-Marco-Herzog

Ein großes Problem sei außerdem die Fragestellung gewesen, in der die Alternative zu Arndt ein schlichtes „Universität Greifswald“ gewesen ist. „Das Ergebnis drückt aus, dass die Leute einen Namenspatron wollen und ihnen Uni Greifswald zu wenig ist“, so Jabbusch weiter.

Doch die Körpersprache des sonst das Scheinwerferlicht suchenden Jabbusch sagt etwas Anderes. Ungehalten weist er ein anwesendes Kamerateam darauf hin, die Kamera auszuschalten. Mit dieser deutlichen Niederlage hat er nicht gerechnet. Doch das Ergebnis hatte sich in den Stunden zuvor bereits abgezeichnet, so dass die Gruppe gegen Arndt sich schnell an die letzten Strohhalme zu klammern versuchte.

Im Laufe des Transports der Wahlurnen war eines der Siegel, welche die Urnen vor Manipulationen schützen sollten, versehentlich durch einen Hausmeister beschädigt worden. Jabbusch twitterte daraufhin, er sei „bestürzt, dass eines der Wahlurnensiegel beschädigt war“. Aus den Verlierern wurden auch noch schlechte. Wahlleiter Robert Herold versicherte, dass es absolut keine Möglichkeit zur Manipulation gegeben habe, die Urne sei stets unter Aufsicht gewesen.

Das Ergebnis ist gültig und es spiegelt den Willen der Studierendenschaft wieder. Das ist erstaunlich, angesichts der Tatsache, dass das vergangene Jahr das Paradebeispiel einer einseitigen Medienoffensive war, an der sich auch der moritz beteiligte (siehe Dezemberausgabe und regelmäßiger „Arndt des Monats“). Sie begann mit einem als Arndt verkleideten Sebastian Jabbusch, der vor der Mensa Arndt-Passagen rezitierte. Ihren frühen Höhepunkt hatte sie auf einer klug inszenierten Vollversammlung im Sommer 2009, bei der über 1000 Studierende gegen den Namen stimmten. Unterstützt wurde das Unterfangen von einer gut designten und professionellen Website. Doch der wahre Clou, sozusagen das Meisterstück, war es, die auflagenstärksten deutschen Leitmedien wie die ZEIT oder die Süddeutsche Zeitung dazu zu bringen, über die Kampagne und ihre Aufgabe zu berichten.

Einen großen Teil zur einseitig geführten Debatte trugen auch die Arndt-Befürworter bei. Die „Arndt-AG“ machte bis zuletzt einen völlig unorganisierten Eindruck, von ihnen war in der Öffentlichkeit lange wenig bis nichts zu hören. Wie sich herausstellte, aus gutem Grund. Bei den Podiumsdiskussionen der letzten Monate konnte man ihren Vorsitzenden Thorben nur als einen Schatten bezeichnen, gegenüber den rhetorisch gewandten „Uni-ohne-Arndt“-Rednern. Einzig und allein Marco Wagner konnte unter anderem in einem Gespräch mit dem moritz (mm81) dieses Image aufbessern. Aber auch er schien bis zuletzt nicht an einen Sieg zu glauben.

Warum also dennoch das große Scheitern der Arndt-Gegner? Ist das nun ein Bekenntnis der Studierendenschaft zu Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass, wie in den webMoritz-Kommentaren von einigen geistig Umnachteten propagiert wurde? Das zu behaupten ist Populismus, womit das Schlagwort des letzten Jahres gefallen ist (siehe Seite 15). Die Gründe sind vielschichtiger: Zum einen wird es viele gegeben haben, die lieber Arndt als Namenspatron befürworten, als gar keinen zu haben. Zweitens gibt es schlechtweg einen nicht unbeträchtlichen Teil an Arndt-Befürwortern in der Studierendenschaft. Das sind jedoch keine durchgeknallten Nazispinner, sondern lediglich Menschen, denen das Festhalten an Altbewährtem als der einfachste und beste Weg erscheint.

Dass der Anteil Studierender konservativer Prägung sehr groß ist, zeigte auch der jüngste Wahlerfolg des RCDS bei der StuPa-Wahl. Das Zünglein an der Waage aber sind jene Studierende gewesen, die eine Herzensangelegenheit von einer weiteren Sprosse auf einer Karriereleiter unterscheiden können und sich nicht als solche instrumentalisieren lassen wollten. Denn Stärken und Schwächen, Erfolge und nun auch Niederlagen liegen bei „Uni-ohne-Arndt“ eng beieinander. Sie sind gebündelt in einer einzigen Person: Sebastian Jabbusch, ihr Mitinitiator und Sprachrohr.

An ihm scheiden sich die Geister. Er macht zuviel auf einmal. Er ist im Vorstand der Piratenpartei Mecklenburg-Vorpommern, er war Chefredakteur des webMoritz, Stupist und Senator. Momentan liefert er sich einen Kleinkrieg mit der Senatsvorsitzenden (siehe Seite 9). Um alles, was er macht, inszeniert er ein großes Tamtam. So stellen sich viele die Frage: Ist er wirklich mit dem Herzen bei der Sache? Welche Leiche hätte er an einer anderen Universität gefunden? Ist die Arndtkampagne, sind wir nur Mittel zum Zweck der Selbstprofilierung?

„Uni-ohne-Arndt“ fehlte es an etwas Essentiellem: an Identität. Und an einer echten Alternative. Die Kampagne hat es verpasst, ein frisches unbelastetes Gesicht an seine Spitze zu stellen, als sie auf der Höhe ihres Erfolgs war. Sie hat es verpasst die Geschichte eines anderen Menschen zu erzählen und so frischen Wind hineinzubringen. So blieben die Gesichter hinter Jabbusch weitestgehend grau und ein letztlich entscheidender Teil der Studierenden wurde der Kampagne überdrüssig.

Es ist Sebastian Jabbusch hoch anzurechnen, dass er einen großen Teil zur Belebung der Diskussion um Arndt beigetragen hat. Auch die Senatsvorsitzende Maria-Theresia Schafmeister betont, dass sie es toll finde, was Studierende alles auf die Beine stellen können. Doch glaubt sie nicht, dass sich die Senatoren davon großartig beeindrucken lassen. Denn die endgültige Entscheidung über die Ablegung des Namens der Universität fällt der Senat. Eine eigens eingesetzte Kommission zum Namenspatron wird im Februar ihre Ergebnisse dort vorstellen. Die Vorsitzende des Senats rechnet mit einer Entscheidung im März.

Bis dahin wird noch einige Zeit vergehen, doch die nächste Niederlage für die Gegner Arndts kann es schon in den nächsten Tagen geben. StuPa-Präsident Korbinian Geiger vermutet, dass es im Parlament einen Antrag geben wird, den Namen Ernst Moritz Arndt, der erst vor wenigen Monaten vom Parlament von den Briefköpfen gestrichen wurde, wieder in die Dokumente der Studierendenschaft aufzunehmen. Es wäre nur die logische Konsequenz, stets dem Willen der Studierendenschaft zu folgen. Anfühlen würde es sich, als hätte es das letzte Jahr, all die Diskussionen und Debatten nie gegeben. Einige Studenten haben bereits wütend angekündigt, die Universität zu wechseln.

Es ist die Geschichte eines großen Scheiterns.

Ein Feature von Alexander Müller mit einem Bild von Marco Herzog

(Der Beitrag war bei der Onlinestellung versehentlich als Artikel angegeben, welches korrigiert wurde. Auf Hinweise Sebastian Jabbuschs hin, wurden außerdem zwei Ungenauigkeiten verbessert. Bei der Aktion vor der Mensa hat er keine Zitate vorgetragen, sondern Passagen. Des Weiteren ist er nicht der alleinige Initiator von Uni-ohne-Arndt, sondern hat sich einer Idee der Grünen Hochschulgruppe angeschlossen. Wir bedauern diese Fehler. A.d.Chefredaktion)