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Nächster Halt: Juniorprofessor

Es ist Montagmorgen, erster Vorlesungstag im Wintersemester 2009/2010. Zehn Uhr, Hörsaal 4 im Audimax. Die Teilnehmer des Seminars „Gruppen- und Organisationskommunikation“ sind gespannt. Gespannt auf den neuen Dozenten. Zwei Jahre war der einzige Lehrstuhl der Kommunikationswissenschaft unbesetzt. moritz stellte in Ausgabe 74 fest: „Kommt ein Professor, sind Fortschritt und Besserung in Sicht.“ Jetzt ist er da. Doch wohin wird die Reise gehen? Professor Patrick Donges hat die Nachfolge von Professor Klaus Beck angetreten und muss sich jetzt den großen Erwartungen der Studierenden stellen.

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Prof. Patrick Donges

Erster Ansatzpunkt für den neuen Lehrstuhlinhaber ist die Überarbeitung der aktuellen Bachelor of Arts Ordnung mit dem Ziel, den Studierenden mehr Wahlmöglichkeiten einzuräumen und die problematische Reihenfolge der Sozialpsychologie-Vorlesungen zu beheben. Dazu berät sich Patrick Donges momentan sowohl mit seinen Mitarbeitern als auch mit dem Fachschaftsrat. Mit den Worten: „Ich bin ja erst seit gut zwei Monaten hier“, verdeutlicht er, dass man mit den Bemühungen um Konstanz und Verbesserung der Situation noch ganz am Anfang steht.

Das gilt auch für die immer noch ausstehende Besetzung der Juniorprofessur. Seit dem Weggang von Professor Stefan Wehmeier im September 2008 ist auch dieser Lehrstuhl verwaist. Der fertige Ausschreibungstext liegt noch beim Fakultätsrat, wenn alles klappt, wird er vermutlich Anfang nächsten Jahres veröffentlicht. Patrick Donges gibt sich zuversichtlich: „Wir rechnen mit einer Neubesetzung zum Oktober 2010.“

hEs tut sich was. Doch noch entschädigt dies leider nicht für zwei Jahre rasante Talfahrt. „Das war ein einziges Chaos am Institut. Unbesetzte Stellen, weggehende Dozenten und Kommilitonen, die auf Grund der schlechten Bedingungen der Uni nach und nach den Rücken kehrten. Vielleicht kann Patrick Donges das alles verbessern – leider lange nach meinem Abschluss“, sagt Jonas Fischer. Er ist KoWi-Student im fünften Semester und bitter enttäuscht: „Ich habe mein Studium als wenig ausgereift erlebt. Wir haben immer wieder verschiedene Themengebiete angeschnitten, aber es war nicht einmal ansatzweise ein roter Faden zu erkennen.“

Wie auch er bemängeln viele den fehlenden Praxisbezug. Patrick Donges begegnet solchen Forderungen jedoch mit einer eindeutigen Absage: „Der Ruf der Studenten nach mehr Praxis ist immer da. Ich wette, auch wenn wir weitere Seminare zu Recherche oder Hörfunk anbieten würden, bliebe er bestehen.“ Zudem erlebt er den Studiengang im Gegensatz zu vielen Studenten als sehr praktisch angelegt. „Mit Argumentations-, Präsentations- und Stimmtraining vermitteln wir Fähigkeiten, die für das ganze Leben und in den verschiedensten Berufsfeldern von Bedeutung sind.“ Um mehr Praxis in den Studienplan integrieren zu können, fehle letztlich aber auch einfach das Geld.

Bachelorstudent Jan Winklmann nennt allerdings noch einen ganz anderen Wunsch und spricht damit für viele Studierende der höheren Semester: „Ich hoffe, dass der neue Masterstudiengang schnell umgesetzt wird. Dann könnte auch mir die Neubesetzung sogar noch etwas bringen.“ Der neue geplante Master-Studiengang „Organisationskommunikation“ beruht auf Plänen, die Stefan Wehmeier hinterlassen hat. Allerdings gibt es einige Punkte, die noch überarbeitet und auch neu konzipiert werden müssen. Patrick Donges erklärt: „Der neue Studiengang setzt auf Synergien mit anderen Fächern. Die Zulieferer wären vor allem die Betriebswirtschaftlehre und die Arbeits- und Organisationspsychologie.“

Die Einführung des neuen Masterstudienganges könnte bereits zum Wintersemester 2010 geschehen. Patrick Donges relativiert jedoch: „Dieses Datum ist unser verfolgtes Ziel, aber das ist keineswegs sicher. Ob es klappt, ist stark vom Akkreditierungsprozess abhängig – wir sind jedenfalls dran.“ Und er ergänzt: „Zum Wintersemester 2011 wird der neue Masterstudiengang spätestens angeboten.“ Nicht nur das neue Masterprogramm, sondern auch der Bachelor beinhalten Lehrangebote aus dem Bereich der Psychologie. Doch wie wird sich die Zusammenarbeit entwickeln, wenn der Senat tatsächlich grünes Licht gibt für den Umzug der Psychologie in die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät? Damit wäre das Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft das einzige große Sozialwissenschaftliche Institut in der Philosophischen Fakultät und im Vergleich zum momentanen Zustand in einer deutlich schwächeren Position.

Patrick Donges schätzt die Situation so ein: „Natürlich fallen damit Verbündete, gerade was Forschung und Drittmittelorientierung anbelangt, weg. Das stellt kein riesiges Problem dar, ist aber auch nicht unproblematisch.“ Trotz allem hof t er, dass die Trennung keinen Einfluss nehmen wird auf die Gestaltung des Lehrangebots. Bis jetzt klinge der Grundtenor in der Psychologie nach einer unproblematischen und unveränderten Kooperation: „Die Zusammenarbeit mit der Psychologie, insbesondere natürlich mit der Sozialpsychologie, aber auch mit der Organisationspsychologie, ist elementar wichtig und ich baue darauf, dass sie weiterhin wie verabredet stattfinden wird.“ Den angeblich geplanten Umzug der Politikwissenschaft zur Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät weist er jedoch zurück: „Ich kenne die Gerüchte, kenne als Kommunikationswissenschaftler aber auch die Gerüchtekommunikation. Im Moment kenne ich keinen, der diese Ansicht offen vertritt.“

Die generelle Zukunft der Kommunikationswissenschaft schätzt der neue Lehrstuhlinhaber positiv ein. Das Fach genieße an der Universität Greifswald einen hohen Stellenwert. „Die Kommunikationswissenschaft in Greifswald hat ihre Stärken und ich glaube, dass dies auch von Seiten des Dekanats und des Rektorats so gesehen wird.“ Dies lässt die Hoffnung zu, dass auch in der demnächst neu überarbeiteten Zielvereinbarung zwischen Land und Universität die Kommunikationswissenschaft explizit genannt und so ihr Fortbestand vorerst gesichert wird.

Für die Studierenden liegt das Schicksal der Kommunikationswissenschaft letztlich in Patrick Donges Händen. Wenn weiterhin zielgerichtet und umfassend an den zahlreichen, noch immer bestehenden Problemen gearbeitet wird, dann werden kommende Semester wieder eine Studiensituation vorfinden, die vertretbar ist. Ziel muss es sein, die Kommunikationswissenschaft in Greifswald weiter auszubauen und ihre Chancen als eine der wenigen in Norddeutschland optimal zu nutzen. Der Nachfolger von Klaus Beck hat sich jedenfalls noch keinen Zeitrahmen für Greifswald gesetzt: „Jetzt bin ich erstmal hier und versuche etwas aufzubauen. Wenn der Zug rollt, dann kann ich überlegen, ob auch andere mal steuern dürfen.“

Ein Artikel von Mareike Wieland mit einem Foto von Franziska Vopel