Wir sind alle – Allein, allein…

Ich bin seit geraumer Zeit Studentin in Greifswald und ich bin Single. Das war nicht immer so, es gab auch Zeiten in denen ich durchaus in einer Beziehung war. Auch hier in Greifswald kann man von kleinen Kurzzeitbeziehungen sprechen. Hauptsächlich bin ich aber Single seitdem ich hier lebe. Und das ist für mich ein schrecklicher Zustand.

Unter der Woche versuche ich mich von meinem Liebesfrust mithilfe meines Studiums, ein wenig Arbeit nebenbei und Quatschrunden mit meinen Freundinnen abzulenken. Doch dieses Ignorieren meines schlechten Gefühlszustands und meiner fortwährenden Einsamkeit hat spätestens am Freitagabend ein Ende. Denn dann gibt’s garantiert irgendwo eine Party, auf der ich mit meinen anderen Singlefreundinnen landen werde, und dort geht das allwöchentliche Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel wieder los. Sei es im Geokeller, in der Mensa, im Park, am Museumshafen, in der Cafeteria oder auch nur auf irgendeiner Hausparty – die Liebeshungrigen haben ihr Suchspiel begonnen. Auf einer schlechten Party ist alles voller Singles, aber keiner vermag gut genug für mich zu sein. Schließlich stampfe ich im Morgengrauen frustriert einsam und allein nach Hause in mein kaltes Bett.

Auf einer guten Party hingegen werfe ich laszive Blicke und empfange hin und wieder auch derartige Botschaften des anderen Geschlechts. Dann ist der Startschuss erfolgt und am Ende landet man dann doch bei ihm oder mir, je nachdem was näher liegt. Am nächsten Tag sieht man sich dann spätestens beim Mittagessen in der Mensa oder irgendwo anders in der Stadt und eventuell grüßt man sich dann noch, aber mehr geht nicht.

Denn wie ich leider als liebessüchtige Studentin hier feststellen durfte, alle halbwegs interessanten Liebesobjekte meiner Wahl sind a) schwul, b) vergeben oder c) beziehungsresistent. Das ist wirklich kein Vorurteil oder Schubladendenken meinerseits, es ist das, was ich hier erfahren habe. Mein Studentenleben ist gefüllt mit zahlreichen Bekanntschaften, Partyfreunden und Bettgeschichten, aber die Liebe fehlt.

Da ich die Hoffnung auf eine lange, schöne, anhaltende Beziehung nicht aufgeben möchte, ist meine Zeit hier in Greifswald geprägt von endlosen Partys auf denen ich nach einem Gegenspieler suche. Obwohl ich immer wieder Männer in meinem Freundeskreis entdecke, die mir gefallen. Ich kenne sie schon länger und schätze sie deshalb auch charakterlich. Doch es fehlt mir und vielleicht auch ihnen der Mut, den Schritt, der über eine Ebene der Freundschaft hinaus führt, zu gehen. Es ist die Angst enttäuscht zu werden, sich zu offenbaren und einen Korb zu bekommen. Und am Ende bin ich schließlich wieder Single.

Der Punkt ist, dass ich weiß, dass ich mit dieser Sehnsucht hier nicht allein bin. Ich bin eine von vielen – aber anstatt dass man sich findet, ist dann doch jeder am Sonntagabend für sich traurig und allein.

Greifswalder Zeiten = Schlechte Zeiten?

„Ich seh in dein Herz, sehe gute Zeiten, schlechte Zeiten.“ Allerdings. Man könnte aus Greifswalds Beziehungskisten und Flirtattacken ebenfalls eine Soap produzieren. Oder: Gleich einen Twitter-Account anlegen, damit alle, immer, an jedem Ort hochaktuell informiert sind über die neuesten Trends, was alle anspricht. Schließlich erlebt man als regelmäßig ausgehende Studentin dazu eine Menge Liaisons, Fremdgeh-Storys oder auch einfach nur Partyflirt-Chicks. So brodelt also die Gerüchteküche und das Feuer verbreitet sich schneller als man sein Zimmer fegen kann. Wer mit wem, was ging da? Spätestens bei der nächsten Begegnung mit Freunden, Bekannten oder den Betroffenen schließt sich der Kreis. Und der schließt sich hier in Greifswald sowieso irgendwann. Nicht umsonst gründete wahrscheinlich ein mindestens genauso frustrierter Student wie ich die StudiVZ-Gruppe „Greifswald ist manchmal schon ne einzige Soap!“ und hat damit wahrscheinlich Recht. Unter der Bedingung, dass man neben seinem Studium auch noch mal ab und an feiern geht und nicht jedes Wochenende zu Mutti fährt.

Der Moralapostel in uns würde sagen: Wir sind Studierende, wir sollten uns nicht an solchen Dingen aufhalten. Aber sind wir doch mal ehrlich zu uns selbst: Nichts ist manchmal interessanter, als zu wissen, was bei anderen Leuten so passiert. Boulevard auf kleinster Ebene. Der Abwesende muss eben Haar lassen. Gerade, was sein Liebesleben angeht. Da hat jeder seine kleinen Problemchen. Oder auch große. Man könnte sagen, das Merkmal, dass man irgendwann sowieso irgendwen wiedersieht, meistens noch in der gleichen Woche oder in der gleichen Lokalität, würde nur für Greifswald gelten. Gehen wir einmal von dem Aspekt heran: Jeder findet seine Freunde, seine Bekannten, seine Feinde. Das ist in einer Stadt wie Berlin oder Hamburg nicht anders. Hat man sein Rudel erstmal gefunden, dann folgt man ihm auch. Gleiche Clubs, ab und an mal woanders hin, was Neues ausprobieren.

Aber im Endeffekt bildet sich dann etwas, was man später irgendwann auch mal „Alte Kamellen“ nennen darf. Klar lernt man da einen Batzen mehr Leute kennen, aber die Gerüchteküche brodelt doch überall gleich. Nur in Greifswald ist es eben auffälliger, weil es verdammt klein ist und man irgendwann, irgendwie Parallelen ziehen kann. So könnte es passieren, dass man aus der Haustür rausgeht, nur, um kurz was zu essen zu besorgen, und die/denjenigen dann sieht. „Man sieht sich immer zweimal im Leben“. Hier in Greifswald wohl eher mindestens einmal pro Woche, pro Feier oder pro Tag. Doch spätestens mit dem Abspann und der Vorschau auf die nächste Fete sind Greifswald Zeiten nicht nur schlechte Zeiten.

Die Universität als Partnerbörse

Zum Beginn der Vorlesungszeit fragte meine Omi, ob ich am 17. Oktober Zeit hätte. Das nächste Semester schien noch in weiter Ferne – natürlich habe ich da noch nichts geplant. „Hochzeitstag?“, fragte ich, mich vage erinnernd. „Ja. Der Vierzigste.“
Meine Großeltern väterlicherseits, Brigitte und Detlef, heirateten 1969. Sie war zu dem Zeitpunkt 20, er 22 Jahre alt. Beide studierten in Halle auf Lehramt ESP – Einführung in die sozialistische Produktion. Ich wollte wissen, wie sie sich kennen lernten. „Ach, das war bestimmt in einer langweiligen Vorlesung“, erinnert sich meine Omi lächelnd, „aber wir Lehrämter waren viel zusammen unterwegs, wir waren ja auch ein Freundeskreis.“

Auch meine Großeltern mütterlicherseits lernten sich während des Studiums kennen. 1960 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ursula, Studentin der Geschichte und Germanistik, war gerade 21 Jahre alt, als ein guter Freund ihr Reinhold vorstellte. Beide sangen im Uni-Chor. Dort unternahm der Geschichts- und Philosophiestudent Reinhold die ersten Annäherungsversuche.
Aus den Erzählungen meiner Großeltern wurde mir bewusst, dass die Universität ein optimaler Ort sein könnte, um einen Partner zu finden. Die Grundlagen sind ideal. Einerseits haben Studierende meist einen ähnlichen sozialen Hintergrund und Bildungsgrad, womöglich vergleichbare Interessen und sind etwa gleich alt. Andererseits trifft man überall seine Kommilitonen wieder. Nicht nur im Seminar oder in Vorlesungen, sondern auch bei kulturellen Veranstaltungen, Diskussionsrunden, Partys. Zudem hat man auch immer ein Gesprächsthema. Sollten wir den Text etwa lesen? Wie fandest du das letzte Referat? Oder die all-time-favourites: Wo kommst du her? Was studierst du? Und was willst du damit machen? Klingt eigentlich nach optimalen Voraussetzungen und guten Möglichkeiten. Eigentlich.

Besonders viel Erfolg hatte ich bei der Partnerwahl in Greifswald nicht – besonders nicht langfristig. Denn obwohl sich die gegebenen Möglichkeiten theoretisch positiv auf eine Partnersuche hätten auswirken können, merkte ich in der Praxis eher wenig davon. Nachdem ich eine einjährige Fernbeziehung hinter mir hatte, folgte ein intensives weiteres Jahr. In diesem Zeitraum erlebte ich zahlreiche Hochs und erheblich mehr Tiefs. Weder wurde ich in meinen Studiengängen, noch im Nachtleben fündig. In dieser Zeit hatte ich einige kurze (und dafür recht angenehme) Beziehungen, einsame Fernsehabende, hoffnungslose Dates und den ein oder anderen intensiveren Abend. Freunde sprachen – zu Unrecht – von Männerverschleiß. Mir wurden sogar Affären angedichtet. Doch allmählich gewöhnte ich mich an mein Single-Dasein und verabschiedete mich von dem Gedanken, in Greifswald noch etwas von Dauer zu finden.
Dann kam Chris. Mein Hoch. Ich lernte ihn auf einer Veranstaltung kennen, unterhielt mich kurz mit ihm. In den darauf folgenden Wochen traf ich ihn immer mal wieder zufällig bei Partys. Zunächst ohne große Relevanz. Mittlerweile verbringen wir viel Zeit miteinander – begünstigt durch ähnliche Voraussetzungen. Vor allem, was Interessen, Herkunft und Bildung anbelangt. Grundsätzlich unterscheidet sich meine derzeitige Situation kaum von der meiner Großeltern, als sie etwa so alt waren, wie ich. Allerdings erleichterten mir die neuen Kommunikationsmöglichkeiten, wie StudiVZ und mein Handy, die Kontaktaufnahme, das Kennenlernen.

Am 17. Oktober werde ich dann meiner Omi und meinem Opi herzlich gratulieren und ihnen bestätigen, dass die Uni generell eine gute Möglichkeit darstellt, einen Partner zu finden.

Ein Artikel von

von Christine Fratzke, Sophie Lagies und Luisa Pischtschan (Namen in alphabetischer Reihenfolge)