Vor einigen Wochen ist die neueste Ausgabe des „Sachstandsberichts“ von Professor Manfred Matschke erschienen. Der Bericht analysiert vor allem die Lage im Bereich Wirtschaftswissenschaften, enthält aber auch einen Teil über die regionale wirtschaftliche Bedeutung der Studenten. Hierbei widmet sich Matschke in bestimmten Untersuchungen ausdrücklich nicht nur den Studenten seines Fachbereichs, sondern allen Studenten der Universität.

Tendenzen: Weniger Studierende aus M-V, mehr Frauen

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Schlichtes Cover, viele Zahlen: Der Sachstandsbericht 2009

Vor seinen Ausführungen über die Kaufkraft der Studenten wirft Matschke einen Blick auf die Herkunft der Studenten. Im Sommersemester 2009 waren an der Universität 11.593 Studierende immatrikuliert. Im Wintersemester 08/09 waren es noch 12.240 gewesen; im Sommersemester sind aber stets weniger Studierende als winters eingeschrieben. Nur 39,8 % der Studierenden kommen aus Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Anteil lag 2002 noch bei 46,3 % und hat sich seit dem Wintersemester 04/05 bei etwa 40% eingependelt. 57,5 % der Studierenden sind weiblich, dieser Wert ist seit 10 Jahren relativ konstant, lag aber 1996 noch bei circa 50 Prozent. Gemessen an den Studierenden vom WS95/96 hat sich die Gesamtzahl  mehr als verdoppelt (auf 238,4% im Wintersemester 08/09).

„Landeskinder“ wandern ab

In seiner Untersuchung benennt Matschke auch, dass zwar immer mehr Schulabsolventen aus Mecklenburg-Vorpommern auch in ihrem Heimatland ein Studium beginnen, dass aber auch die Zahl der „Auswanderer“ stark gewachsen ist – und zwar deutlich stärker als die der Studierenden, die im Land bleiben. Die Daten sind allerdings schon zwei Jahre alt: So sei die Zahl der in M-V bleibenden Studenten von 1998/99 bis 2006/07 um 23,0% gestiegen, die der in die übrigen Bundesländern abgewanderten Studierenden allerdings um 63,6 % gestiegen. Fazit des Professors: „Mecklenburg-Vorpommern hat also in diesem Zeitraum an Attraktivität als Studienort für seine „Landeskinder“ verloren.“ Außerdem stellt er fest: „Denn netto gesehen „exportiert“ Mecklenburg-Vorpommern junge, intelligente Menschen in andere Bundeskänder.“ Dem muss allerdings gegenübergestellt werden, dass mehr als die Hälfte der an hiesigen Unis ausgebildeten Studenten ja – wie oben ausgeführt – „importiert“ werden.

Kaufkraft um 6% gestiegen

Die Kaufkraft hat Matschke für das Studienjahr 08/09 (d.h. Wintersemester 08/09 und Sommersemester 09 zusammen) auf 246,7 Millionen Euro geschätzt. Damit hat sich die Kaufkraft seit 1995/96 mehr als verdreifacht. Das ist (bei Verdopplung der Studierendenzahlen) damit zu erklären, dass die Studenten heute deutlich mehr Geld zur Verfügung haben als noch vor 13 Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Wachstum um 6%.

Matschke nutzte neben Daten der Universität für seine Berechnungen Daten aus Sozialerhebungen, in denen die Lebenshaltungskosten eines Studenten aus Mecklenburg-Vorpommern, der nicht mehr bei seinen Eltern wohnt, für  713 Euro im Monat errechnet wurden. Matschke geht davon aus, dass 60% dieses Geldes der Studenten in Greifswald oder dem Umland bleibt.

Universitäten als „Oasen des Wachstums“

Matschke schreibt zwar, dass es zur wirtschaftlichen Bedeutung Studierender für eine Region kaum verwertbare Daten gibt und auch noch keine einheitliche Methodik für ein solches Vorgehen entwickelt worden ist, kann aber dennoch festhalten: „Dadurch, daß Hochschulen in einem Land existieren, ergeben sich für das Land – neben den normalen Wirkungen staatlicher Tätigkeit aus dem Einsatz von Personal und Sachmitteln – Kaufkraftwirkungen aufgrund von sog. Drittmittelforschung und aufgrund der Studentenausbildung, und zwar selbst dann, wenn das Land oder die einzelnen Hochschulen keine Studiengebühren erheben.“ Matsche hat aber nur die Wirkung betrachtet, die von Studenten ausgehen kann.

Matschke folgert, dass Studierende aus Mecklenburg-Vorpommern, die hier studieren, Kaufkraft im Land halten und das Studierende, die von auswärts kommen, Kaufkraft ins Land bringen.  Er fasst zusammen: „Die Studenten in Mecklenburg-Vorpommern haben in den letzten Jahren ganz erhebliche Wachstumsimpulse ausgelöst. Die Hochschulen waren geradezu „Oasen des Wachstums“ in Mecklenburg-Vorpommern und allein schon wegen ihrer Studenten und der durch sie ausgelösten Kaufkraftwirkungen im Land starke regionale Wachstumsmotoren.“

Wohnraum: 285.000 studentische Quadratmeter

Auch zur studentischen Wohnsituation hat Matschke Untersuchungen angestellt. Insgesamt bewohnen die Studenten nach seinen Schätzungen 285.000 Quadratmeter Wohnfläche in Greifswald. Er rechnet vor: „Die von den Studenten genutzte Wohnfläche entspricht der Fläche von 2.850 Einfamilienhäusern mit 100 Quadratmetern Wohnfläche oder der Fläche von 4.385 Mietwohnungen mit einer Wohnfläche von 65 Quadratmetern, um die Größenordnung der wohnungswirtschaftlichen Bedeutung der Studenten für Greifswald im Jahr 2008 zu veranschaulichen.“ Insgesamt ist der Wohnraum, der einem einzelnen Studierenden zur Verfügung steht, in den letzten Jahren gewachsen. Interessant ist auch Matschkes Feststellung, dass etwa 10% der Studierenden nicht in Greifswald, sondern im Umland wohnen.

Für die Berechnungen erhob Matschke Daten von Studenten aus bestimmten Kursen. Die Studenten kamen aus der rechts- und staatswissenschaftlichen sowie der philosophischen Fakultät. Von ihnen sammelte er Daten über die Wohnsituation und griff darüber hinaus auf die Mieterzahlen von Studentenwerk, WVG und WGG über die Mieterzahlen zurück. Bei privaten Vermietern und Eigentümern wohnten 62 Prozent der Studierenden.

Wirtschaftswissenschaften: Attraktivität gesunken, aber kein „Hinausprüfen“

Professor Manfred Jürgen Matschke (C) moritz Magazin

Prof. M. J. Matschke

An der Situation in den Wirtschaftswissenschaften übt Matschke an verschiedenen Stellen Kritik. Kernpunkt ist ein Problem, das nicht nur dieser Fachbereich hat: Die Diskussion im Jahr 2005/06 im Vorfeld der Zielvereinbarung mit dem Land, in der der Studiengang in Frage gestellt wurde, und die Umstellung der Studiengänge von Magister mit Teilstudiengängen auf den Bachelor habe die Anzahl der Wirtschaftsstudenten zunächst sinken lassen. Nun ist aber die Zahl der Nebenfachstudenten wieder gestiegen. Dem politisch bedingten Rückgang bei den Hauptfachstudenten habe man mit dem Verzicht auf Zulassungsbeschränkungen für den BWL-Diplom-Studiengang gegensteuern können. Die Zahl der Hauptfachstudenten (Diplom und MA) beträgt im Sommersemester 2009 1.217.

Im Zusammenhang mit einer Evaluation des Nordverbunds sei der Vorwurf des „Hinausprüfens“ von Studierenden, also das bewusste Verringern der Jahrgänge durch Nicht-Bestehen erhoben worden. Hierzu äußert Matschke – allerdings nicht explizit im Sachstandsbericht –, dass seine Erhebungen diesen Vorwurf nicht belegen können: Anhand der unter seiner Verantwortung geschriebenen EBWL-Klausuren errechnet Matschke zwar eine Durchfallquote von 52%, weist aber nach, dass nach mehreren Anläufen immerhin 72,7 % der Studierenden bestanden hätten. Die restlichen müssten nicht automatisch „hinausgeprüfte“ Durchgefallene sein, hält Matschke fest: Vielmehr schlügen sich darin auch Fachwechsler und Studenten nieder, die – aus welchen Gründen auch immer – den Hochschulort gewechselt oder das Studium abgebrochen hätten.

Dieser Sachstandsbericht war der letzte

Der Sachstandsbericht 2009 war der letzte aus der Feder von Professor Matschke. Der seit 2002 jährlich aktualisierte Bericht mache ihm zu viel Arbeit, sagte er gegenüber dem webMoritz. Außerdem vermisst Matschke, der bis letztes Jahr Lehrstuhlinhaber in den Wirtschaftswissenschaften war und es gerne auch noch geblieben wäre , eine angemessene Würdigung seiner Arbeit.  Insgesamt stellt Matschke fest: „Mein Verhältnis zur Uni hat sich abgekühlt.“

Die neunte Auflage von Matschkes Arbeit ist im Katalog der Universitätsbibliothek derzeit noch nicht gelistet, dürfte dort aber in absehbarer Zeit auftauchen und ist für 15 Euro über den alten Lehrstuhl zu beziehen. Diesem fließen auch die Verkaufserlöse zu.

Bilder: Porträt: Moritz-Magazin, Motivbild Startseite: user “kingisdead.de” via jugendfotos.de