Vergangenen Mittwoch traten vier Mitglieder der Jusos aus dem Greifswalder Studierendenparlament zurück. Gleichzeitig gab man bekannt, dass sich die Fraktion auflöse, die verbliebenen Sozialdemokraten damit nicht mehr der örtlichen Juso-Hochschulgruppe (JHG) sondern nur sich selbst verantwortlich sind.

neuejusos-450

Fraktion oder nicht Fraktion? Juso-Stupisten am vergangenen Mittwoch: Christine Fratzke (l), Erik von Malottki, David Noack (nicht Juso, sondern Die Linke.SDS), David Stoffel, Christian Bäz. Jaana-Leena Rode fehlt.

Während der Zerfall des Allgemeinen Studierendenausschusses vorerst gestoppt scheint, zeigt nun also auch das Parlament Auflösungserscheinungen. Beide Vorfälle hängen, so auch die Pressemitteilung der Jusos, zusammen.

Die Mehrheit des StuPas begreift die Mitglieder des AStAs als eigenes Personal und sich selbst als ArbeitgeberInnen. Dabei verkennen viele, dass die Studentische Selbstverwaltung in Gefahr ist. (…) In dieser Situation die eigene Aufgabe nur darin zu sehen, all jenen, die sich trotzdem politisch oder kulturell engagieren das Engagement zu erschweren – so beispielsweise durch völlig unverhältnismäßiges kritisches Nachfragen oder das Bestehen auf formalen Rechten –, wird die Studentische Selbstverwaltung zu einem Hort von SelbstdarstellerInnen werden lassen und keine starke Lobbyarbeit für die Studierenden ermöglichen können. Ansätze hierzu sind bereits heute zu erkennen.

Auch intern hatte es jedoch zwischen den Jungsozialisten seit einigen Wochen gekriselt. Zwischen den Zurückgetretenen (Paul Greve, Eric Hartmann, Silvia Klages und Stephan Schumann) und einem Teil der Verbliebenen (Christian Bäz, Jaana-Leena Rode und David Stoffel) stimmte nach einem knappen Semester StuPa weder Chemie noch Zusammenarbeit.

Bäz, Rode und Stoffel hatten seit längerem keine Sitzungen der Hochschulgruppe mehr besucht, sondern sich auf die Fraktionssitzungen beschränkt. Dies führte neben inhaltlichen Differenzen, die beispielsweise bei der Frage um den Namenspatron offenkundig wurden, zu Verstimmungen bei den anderen Jungsozialisten.

hartmann_rode-240x150-luisa_wetzel

Brachte das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen: Eric Hartmanns Verbalattacke gegen Jaana-Leena Rode

Auslöser: Verbal-Attacke von Erik Hartmann

Als der Juso-Vorsitzende Hartmann in einer der letzten Sitzungen die StuPa-Vizepräsidentin Jaana-Leena Rode verbal attackierte nahmen die Geschehnisse ihren Lauf. Rode gab ihren Austritt aus der Fraktion bekannt. Der Vorsitzende der Hochschulgruppe, Paul Greve, lud zu einem klärenden Gespräch ein. Terminunstimmigkeiten führten zu weiterer Verärgerung und dazu, dass Bäz, Rode und Stoffel nicht anwesend waren.

Christian Bäz erklärte uns, dazu, dass ein Klärungsbedarf spätestens nach dem Vorfall zwischen Rode und Hartmann, allen beteiligten klar gewesen sei. Als er für den geplanten Gesprächstermin jedoch aufgrund anderer Verpflichtungen absagen musste, sei vom Gruppenvorsitzenden Paul Greve nur bemerkt worden, dass Nichtanwesenheit ebenfalls als Signal gedeutet werden könne. Daraufhin gab auch Bäz seinen Austritt aus der Fraktion bekannt.

Am vergangenen Dienstag wurden also ohne die eine der beiden Streitparteien die Rücktritte besprochen und der Rückzug der JHG aus dem Parlament beschlossen. Derweil blieb neben den drei erwähnten Erik von Malottki im StuPa. Christine Fratzke (die den Jusos erst nach der StuPa-Wahl beigetreten war) rückte nach.

Nun allerdings offenbarte sich erst das gesamte Ausmaß der kommunikativen Krise, die durchaus Parallelen zu den kürzlichen Geschehnissen im AStA aufweist. Während die Ergebnisse des „Klärungsgesprächs“ noch über die Mailverteiler liefen, erfuhren diverse Genossen zuerst auf dem webMoritz vom Rückzug der Jusos. Ein Umstand, der nur wenig Verzückung auslöste. Peinlich zudem: auch nach der offiziellen Bekanntgabe seitens der Hochschulgruppe hatten einige der Betroffenen ihren Rücktritt noch gar nicht dem StuPa-Präsidium gemeldet. Einige Mitglieder kritisierten zudem, die Entscheidung sei nicht in ausreichendem Maße diskutiert worden. Zwar waren zu dem Klärungsgespräch in der Tat alle Jungsozialisten eingeladen, die Tragweite des Termins ging jedoch aus der Einladung nicht hervor.

Die verblieben Jusos im StuPa stritten derweil ab, dass es künftig keine Fraktion mehr gäbe. Seit Mittwochabend liegt auf der Frage eine Kommunikationssperre nach außen, doch auch untereinander scheint man noch nicht wieder miteinander zu sprechen.

Rode und Bäz aus Homepage-Bild retuschiert

juso_gruppenfoto-550x222-juso_homepage

Auf diesem Gruppenbild waren bis vor wenigen Tagen auch Christian Bäz und Jaana-Leena Rode zu sehen. Wer genau hinsieht erkennt am identischen Wellengang rechts und links, die digitale Nachbearbeitung des Fotos.

Für weitere persönliche Verstimmung sorgte die Tatsache, dass Bäz und Rode noch am Mittwoch aus einem Gruppenbild auf der Juso-Homepage retuschiert wurden. Webmaster Thomas Behm begründete dies mit deren Austritt aus der Fraktion, verkennt dabei aber möglicherweise, dass auch Nicht-StuPisten auf dem Foto zu sehen sind, andere Juso-Parlamentarier gleichzeitig nie darauf zu finden waren.

In StuPa und AStA gab es zwar auch verständnisvolle und sogar annerkennende Reaktionen auf die Entscheidung der Jusos, ablehnendes Kopfschütteln war jedoch die verbreitetste Variante am Mittwochabend in der Parlamentssitzung. Die derzeit schwierige Situation der studentischen Selbstverwaltung Lage wurde zwar anerkannt, doch warfen einige den Ex-Kollegen vor, sie hätten ihren Rücktritt bis nach der letzten Sitzung im Semester hinausschieben sollen um die Verhältnisse nicht noch weiter zu destabilisieren. Einige spekulierten auch in wie weit der kräftezehrende Europa- und Kommunalwahlkampf und das enttäuschende Ergebnis zu allgemeiner Resignation bei den Zurückgetretenen geführt habe. Hartmann und Schumann hatten neben anderen Jusos erfolglos für die Greifswalder Bürgerschaft kandidiert.

Der Streit um die Frage, ob die Fraktion noch eine Fraktion sei oder nicht, ist in gewisser Weise hausgemacht: Das Personenwahlrecht des StuPa sieht überhaupt keine Fraktionen vor, der Begriff spielt nur in der internen Organisationsstruktur der Jusos eine Rolle. Von außen betrachtet sitzen immer nur Einzelpersonen im StuPa.

Paul Greve: “Genau der richtige Zeitpunkt”

20090615-vv-stupa-umfrage-greve

JHG-Vorsitzender Paul Greve

Zu den weitern Perspektiven und Zielen der Hochschulgruppe äußerte sich der JHG-Vorsitzende Paul Greve im Interview mit dem webMoritz:

webMoritz: Du bist heute von deinem StuPa-Mandat zurückgetreten. Was waren deine Gründe?

Paul Greve: Mein Rücktritt ist notwendig geworden um auszudrücken, dass die ganze hochschulpolitische Szene in Schieflage gerückt ist. Einige StuPisten sehen sich mehr und mehr als Arbeitgeber, den AStA als Dienstleister. Damit verderben sie vielen den Spaß. Wer sich hochschulpolitisch engagiert, der muss auch Freiräume haben. Hinzu kommt, dass ich mitlerweile glaube, dass ich persönlich als Juso meine Arbeitskraft besser investieren kann, indem ich nachhaltige Projekte und Veranstaltungen für die Studierendenschaft mitorganisiere.

webMoritz: Eine Woche nach den AStA-Rücktritten muss das Parlament heute versuchen, möglichst viele Stellen neu zu besetzen um den Allgemeinen Studierendenauschuss wieder handlungsfähig zu machen. War das nicht ein unglücklicher Zeitpunkt für eure Rücktritte?

Paul Greve: Ich glaube, es war genau der richtige Zeitpunkt. Wir hatten letzte Woche diesen Tumult. Die Dinge weiter rauzszuschieben macht keinen Sinn. Es macht nur Sinn, jetzt ein klares Zeichen zu setzen. Wir haben in der Selbstverwaltung einige Leute, die jede Menge guter Arbeit leisten. Denen darf man keine Steine in den Weg legen. Das soll auch ein Apell sein an viele, sich anders zu positionieren.

webMoritz: Ein Semester lang wart ihr die stärkste Fraktion im Parlament. Was habt ihr in dieser Zeit erreicht?

Paul Greve: Es ist sicher aufgefallen, dass wir innerhalb der Fraktion nicht immer einer Meinung waren. Dennoch haben wir einige Dinge gemeinsam geschafft. Wir haben konsequent Kulturprojekte an dieser Universität unterstützt, die Medien unterstützt. Da haben wir Erfolge gehabt. Wir haben uns auch für die Beschlüsse der Vollversammlung eingesetzt. Trotzdem glaube ich, dass wir unsere Ziele auf anderen Wegen besser erreichen können.

Ausführlichere Aussagen von Paul Greve gibt es in unserem Podcast:

[podcast]http://webmoritz.de/wp-content/uploads/2009/07/podcast_jusos.mp3[/podcast]

Bilder:

Greve, Hartmann, Rode – Luisa Wetzel

Jusos im StuPa – Gabriel Kords

Juso-Gruppenfoto – Homepage der Jusos

Startseite Gewitter – Komissar Zufall via flickr