Nicht viel lässt auf das bevorstehende Ereignis schließen. Vor dem Audimax stehen nur wenig Fahrräder und keine Menschenseele ist zu sehen. Dabei betrieb der AStA im Vorfeld intensiv Werbung.

Im Audimax findet heute die inzwischen siebte Greifswalder 24-Stunden Vorlesung statt. Die Erste organisierten Studenten im Jahr 2002 als Reaktion auf vom Land geplanten massiven Stellenkürzungen an der Universität.

Es geht los. Um 18 Uhr steht zunächst Landes-Bildungsminister Henry Tesch auf dem Plan. Er spricht über die besondere Beziehung Mecklenburg-Vorpommerns zu Israel und insbesondere über die Internationale Schule für Holocaust-Studien Yad Vashem. In dem Vortrag eröffnet der Bildungsminister seine ganz persönliche Beziehung zu diesem Projekt. Sein Vortrag enthält private Foto und Anekdoten seines Israelaufenthaltes. Im noch halbgefüllten Hörsaal herrscht eine lockere Atmosphäre. Einige Studenten sind irritiert über das Thema. Sie hätten sich mehr zu aktuellen Landespolitischen Themen erhofft, etwa der umstrittenen Einführung von 50 Euro Verwaltungsgebühren (webMoritz berichtete).

Schlaf mein Kind... Nicht alle hielten durch. Die 24 Stunden Vorlesung hielten manche nicht stand (Symbolbild); Bildquelle: AndiH via Flickr

In den nächsten Stunden sorgen unter anderem Vorlesungen mit den Titeln “Harmonie heißt Kampf: Gleichgewicht gibt es nur zwischen wechselwirkenden Kräften” oder „Verliebt, verlobt, verheiratet, ermordet – von Frauen, die töten” für ein gefülltes Auditorium. Offenbar gilt: Je schlagkräftiger der Titel, desto höher die Besucherzahlen.

Referenten der 24-Stunden Vorlesung sind sowohl Uni-Externe, als auch Mitarbeiter der Universität Greifswald. Unter ihnen auch Studienberater Stefan Hatz, der nachts um 2 Uhr in gewohnt nüchterner Manier und mit trockenem Humor von den Entscheidungsschwierigkeiten seiner Studenten berichtet.

Ab Mitternacht steigt der Bierkonsum

Obwohl schon mitten in der Nacht schauen folgen viele motivierte und aufmerksame Gesichter den Dozenten. Auch wenn der steigende Bierkonsum langsam augenscheinlich wird: Des Öfteren klimpern Bierflaschen, wovon sich allerdings drei schlafende Studenten nicht beirren lassen. Ein Mädchen in der Mitte erwacht. Auf die Frage, wie lange sie denn schon hier sei, antwortet sie „Wir waren vorhin etwas trinken und wollen nun so lange wie möglich durchhalten.” Der Ergeiz hat sie gepackt. In welchem physischen Zustand sie sich die schlafenden Studenten befinden ist unklar. Aufnahmebereit sind sie nicht. Wo der Reiz liegt im unbequemen Hörsaal zu nächtigen ist fraglich. Aber sie halten durch, wie schätzungsweise 50 weitere Studenten – das allein zählt.

Stunden später… Eigentlich unvorstellbar, dass am Samstagmorgen kurz vor 10 Uhr der Hörsaal brechend voll ist. Nicht nur Studenten, sondern auch Ältere und Familien haben sich hier eingefunden. Es ist so voll, dass einige sogar auf mit den Fensterbrettern und der Treppe Vorlieb nehmen müssen. Schätzungsweise zwei Drittel der Zuhörer sind Medizinstudenten. Sie kommen offenbar gern, wenn Prof. Jürgen Giebel vom Institut für Anatomie, zu einer Veranstaltung namens „ Wie viel Lifestyle verträgt der Mensch – Ansichten eines Anatomen” einlädt. Erfrischend locker, witzig und scharfzüngig erläutert er die Gefahren von Piercings, High Heels und übermäßigen Alkoholgenuss. Die Bilder der Leberzirrhose allerdings, stellen zart besaitete Nichtmediziner, die an dem Morgen auf ihr Frühstück verzichteten, auf eine harte Probe.

“Ich hab mehr Vorlesungen besucht, als im ganzen Rest der Woche zusammen”

Nach der Vorlesung herrscht großer Andrang im Foyer. Ein Kommilitone betritt das Gebäude, fast schon euphorisch gibt er zu, er sei in den letzten Stunden häufiger in der Uni gewesen, als in der gesamten vergangenen Woche. Die sich allmählich dem Ende entgegen neigende 24- Stunden Vorlesung scheint gut anzukommen.

Maßgeblich für diesen Erfolg verantwortlich ist die AStA Referentin für Studium und Lehre Solvejg Jenssen zusammen mit ihren Kollegen. Gemeinsam kümmern sie sich rund um die Uhr um das Wohl der Studenten und unterstützen die Referenten mit der Technik im Hörsaal.

Kurz vor 17 Uhr dann der letzte Gang durch das frisch renovierte Foyer des Audimax. Schnell noch den allerletzten Kaffee ergattert und auf zur abschließenden Vorlesung der allseits bekannten „Front deutscher Äpfel”. Gauleiter Sebastian Jabbusch erklärt die Machtergreifung der Frischobstbewegung an der Universität Greifswald. Bereitwillig applaudieren die Studenten. Alles scheint nach Plan zu laufen, bis die vermeintliche Machtübernahme der Apfelfront durch die F.A.K Pommern, die „Freie Apfel Kameradschaft Pommern”, gestört wird. Doch es folgt ein schnelles Übereinkommen zwischen den zwei Gruppen. Gemeinsamen ziehen sie hinaus auf die Straße. Schrill, lautstark, satirisch und im Freien endet die siebte Greifswalder 24-Stunden Vorlesung. Mit insgesamt über 3000 Hörern – so schätzt es der AStA – können die Organisatoren zufrieden sein.