Ein Buch aus letzter Hand mag Reinhard Baumgarts „Damals“ nicht sein. Zu plötzlich, so scheint es, verstarb der einstige Lektor, Schriftsteller, Filmemacher und Rezensent im Sommer 2003, um dem Manuskript einen letzten Schliff zu geben. Ja, der sprachlich so schöne Stil ist da, die Szenen fügen sich und beim Lesen fühlt es sich dennoch gut – denn es menschelt. Die posthum erschienene Autobiographie, das letzte Buch schmückt sich mit dem eleganten Untertitel „Ein Leben in Deutschland“.

Der in Breslau Geborene stellt sich in „Damals“ als Kind seiner Zeit vor, als einer vom Jahrgang 1929, der für den Nationalsozialismus zwar zu jung, doch dessen Folgen im Nachkriegsdeutschland, die Zeit der Gruppe 47 und den Fall der Berliner Mauer begleitet, reif genug war. Nicht als Literaturpapst, auch weniger als Protagonist schreibt sich Baumgart in seiner Vita fest, sondern gibt den Blick frei auf einen aufmerksamen Beobachter. Die Entdeckung der Literatur als Spiegel des eigenen Ichs, die der Frage des neuen Theaters nachgehenden Besprechungen und die verspätete Durchdringung des Fall Wagners geben vorsichtige und behutsam ausgewählte Eindrücke des Familienvaters Reinhard Baumgarts. Vielmehr sollen einige persönliche Anekdoten die Szenen von Gesellschaften (Ingeborg Bachmann, Rudolf Augstein, Gruppe 47) mit feinen Federstrich nachzeichnen. Baumgart war ein Hingeborener, ein Liebender und Lesender, der Trümmer sah und Glück leben konnte. „Damals“ skizziert eine Bilanz und setzt einen Punkt. Manchen mag (danach) Baumgarts Stimme fehlen.

Baumgart, Reinhard: Damals – Ein Leben in Deutschland. dtv. 383 Seiten. 12,50€

Geschrieben von Uwe Roßner