CD: A Rush Of Blood To The Head – Coldplay (EMI)

Zurücklehnen, Augen zu und einfach genießen – das gilt für alle Alben der britischen Erfolgsband Coldplay.

Unter den Fans ist indes die Frage nach der gelungensten Platte der Band umstritten: Ist es das Debütalbum „Parachutes“ mit dem Hit „Yellow“, das 2002 erschienene Album „A Rush Of Blood To The Head“ oder das aktuelle Werk „X & Y“? Meine eindeutige Nummer 1 ist „A Rush Of Blood To The Head“.

Selten bietet eine CD so viel Gefühl, Wärme und Herz. Traurig-schöne Lieder mit lyrischen Texten zelebrieren eine bewegende Atmosphäre. Die Platte verzaubert durch herausragende Kompositionen und Melodien sowie durch eine perfekte Symbiose aus Piano- und Akustikgitarrenklängen und einen trockenen Schlagzeugsound. Hinzu kommen die unverwechselbare Stimme Chris Martins und die sphärisch-streicherartigen Klänge, die die Songs in mitreißend luftige Höhen heben. Jeder dieser zeitlos schönen Songs hat seinen eigenen Reiz, von deren Qualität sich, ähnlich wie bei einem schüchternen Mädchen, bei jedem erneuten Aufeinandertreffen ein bisschen mehr zeigt. Vom monumentalen Intro „Politik“, über Single-Hits „In My Place“, „The Scientist“ oder „Clocks“ bis hin zu den ausdrucksstarken Traumballaden „Warning Sign“ oder „Amsterdam“ ist diese Platte purer Hörgenuss und Pflichtbestandteil jeder gut sortierten Plattensammlung.

Geschrieben von Grit Preibisch

CD: Evgeny Kissin:Skrjabin – Medtner – Strawinsky / RCA – Red Seal

Ausgesuchtes trägt Evgeny Kissin vor. Nach Robert Schumann, Johannes Brahms und Franz Schubert widmet sich der 1971 in Moskau geborene Pianist der eigenen, russischen Klaviermusik. Mit den Fünf Preludes Alexander Skrjabins (1872-1915) erklingt ein raffinierter Einstieg, der neugierig auf das Folgende macht.

Trotz höchster technischer und ästhetischer Ansprüche fristen Skrjabins Klaviersonaten heute noch ein Mauerblümchendasein. Leider. Die zarten Préludes und die aufgewühlte dritte Klaviersonate zeugen von Chopins Geist, erinnern partiell an Debussy und künden nur ansatzweise von späteren, genialen Ekstasen des Komponisten. Hierzulande mögen zwar unter anderem Claude Debussy und Arnold Schönberg berechtigterweise als Wegbereiter der Musik des 20. Jahrhunderts gelten, ihnen stehen jedoch Igor Strawinsky (1882-1971) und Alexander Skrjabin keinesfalls nach. Von Strawinskys Petruschka tänzerisch gerahmt bildet die Sonata-Reminiscenza op. 38 Nr. 1 des 1921 nach Berlin emigrierten Nikolai Medtners (1880-1951) die programmatische Mitte des bereits im August 2004 aufgenommenen Albums. Ein reizendes Novum. Kissins getroffene Programmwahl und feinsinniger Vortrag erlaubt keine zu geringe Würdigung, hegt jedoch den Wunsch, die russische Moderne pianistisch bald zu erkunden. Hier warten noch Schätze auf ihre Entdeckung!

Geschrieben von Uwe Roßner

CD: The Rising – Bruce Springsteen (Sony/BMG)

Manche Alben vergisst man schon nach dem ersten Hören nie. „The Rising“ von Bruce Springsteen, erschienen 2002, kurz vor dem ersten Jahrestag der Anschläge des 11. Septembers, gehört dazu.

Anders als der zur inoffiziellen Hymne des 11. Septembers gewordene Song „Only Time“ von Enya schaffen es die Lieder auf diesem Album ganz ohne Pathos oder Hurrapatriotismus, der Trauer und Fassungslosigkeit eines ganzen Landes eine Stimme zu geben. Die düsteren Balladen (besonders beeindruckend: „Empty Sky“)vermitteln ein eindrucksvolles Bild davon, wie es den Menschen ergangen ist, die an diesem Tag die Türme brennen sahen, und jenen, die danach tagelang zwischen Hoffen und Bangen um ihre Angehörigen schwebten („You’re missing“). Auch den Helden von 9/11, den Feuerwehrmännern, setzt „The Boss“ mit „Into the Fire“ ein ehrenvolles Denkmal.
Der Titelgebende Song des Albums „The Rising“ ist eine wunderbare Hymne, die die Aufbruchstimmung verbreitet und Mut für den Neuanfang nach der Katastrophe gibt. Unbedingt hörenswert ist auch Springsteens Hommage an den Big Apple und seine Bewohner: „My city of ruins“. Ein trauriges, aber wunderschönes Album.

Geschrieben von Sarah Rieser

Jubilate Deo!

Haydns „Schöpfung“ ergriff

Hallte noch eben der herrliche Schlusschor mit „Singet dem Herrn alle Stimmen!“ durch das Kirchenschiff von St. Jacobi, so füllte ihn anschließend rauschender Applaus.

Rasch war sich die bunt gemischte Zuhörerschaft einig: Die Aufführung des Oratoriums „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn durch den Universitätschor und die Kammersymphonie Greifswald unter der Leitung von Universitätsmusikdirektor Harald Braun am 14. Januar stellte eine beachtliche Leistung dar. Früh fand sich das große Publikum ein, um noch einen guten Platz zu ergattern. Dem-entsprechend rasch waren dann auch die Sitzgelegenheiten vergeben, gespannt auf die gut zweistündige Aufführung.
„Die Schöpfung“ ist nicht das erste Ora-torium Joseph Haydns (1732-1809). Bereits 1775 fand die mit bescheidenem Erfolg beschiedene Uraufführung von „Il ritorno di Tobia“, einem Jugendwerk, das sich stark an den damals vorherrschenden Oratorienstil anlehnte, statt. Anders als bei jenem schlägt der Einfluss Georg Friedrich Händels in der „Schöpfung“ zu Buche. Bereits in Esterházy und Wien lernte Haydn Händels Musik kennen. Während der Londoner Jahre wuchs sein Interesse daran weiter. Baron van Swieten bewegte den Komponisten nach der Übertragung von John Miltons „Verlorenem Paradies“ ins Deutsche zur folgenden dreijährigem Arbeit am Tonwerk.
Seit den ersten privaten, später dann auch öffentlichen Aufführungen genoss „Die Schöpfung“ eine erhebliche Zustimmung und brachte Haydn zu immer neuen Ehren. Im Zuge ihres Erfolgs gründeten sich immer mehr Chöre und Musikinstitute. Musikgeschichtlich folgenschwer war zudem das Durchsetzen einer deutschen Oratorienschule, die der italienischen ebenbürtig wurde. Allerdings geschah dies nur durch die geweckte Neugier an Händels Werken.
Mit großem Jubel dankten der Uni-versitätschor, die Kammersymphonie und die Solisten Gott für die Schaffung von Licht und Finsternis, Land und Meer, Tieren und Pflanzen und den Menschen. Wunderbar stiegen Sonne und Mond im zwölften Rezitativ von Erzengel Uriel empor, lieblich vereint sangen Adam und Eva „Mit dir erhöht sich jede Freude“ und einem etwas vorsichtigen Orchesterfortissimo schied sich nach der musikalischen Darstellung des Chaos das Licht von der Finsternis. Gut aufgelegte Solisten, im Tone manchmal vielleicht etwas dünn, ein prächtiger Chor und ein waches Orchester kredenzten Haydns Meisterwerk anrührend. Ein Semester Arbeit ging damit erfolgreich zu Ende. Für die Festveranstaltung zum Universitätsju-biläum am 17. Oktober ist Mozarts Krönungsmesse geplant. Eine gute Visitenkarte dafür wurde erbracht. Gratulation.

Geschrieben von Uwe Roßner

Bedenkenswert

Dem Theater Vorpommern fehlt ein guter Konzertflügel. Seit Jahren floss deshalb Geld für die Ausleihe eines solchen. Ein auf drei Jahre angelegter, 2004 begonnener Konzertzyklus soll dem möglichst bald Abhilfe leisten. Die Aufführung der fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven (1770-1827) in insgesamt drei Sonderkonzerten des Orchesters Vorpommern unter seinem Generalmusikdirektor Mathias Husmann versucht, diesem Ziel näher zu kommen.

Am 10. Januar spielte Professor Matthias Kirschnereit im Greifswalder Theater, der an der Rostocker Hochschule für Musik und Theater (HMT) lehrt. Mit der zweiten Leonoren-Ouvertüre op. 72 und dem zweiten und vierten Klavierkonzert Beethovens deutete sich programmatisch eine reizvolle Mußestunde an. Vor allem, weil es sich bei Matthias Kirschnereit um einen international gefragten Künstler handelt.
Jedoch schien der Abend dem Solisten nicht so recht gewogen zu sein. Nach einem unmerklichen Stolpern in der Solokandenz des ersten Satzes des zweiten Klavierkonzerts fing sich Kirschnereit zwar wieder, konnte sich aber diesen Schrecken bis zum Ende seines Auftritts nicht aus dem Fingern spielen. Der stürmische Kirschnereit und das zupackende Orchester harmonierten wunderbar, konnten sich aber dem Lyrischen insgesamt nicht so recht hingeben. Pathetisch hatte Beethoven zu klingen. Daher wirkten auch die langsamen Sätze oder Passagen wie unvermittelt hinein komponierte Inseln des Schwelgens. Zu wenig Prozess bereiteten diese vor und gaben dem Musizieren einen leicht herzlosen Beigeschmack.
Trotz der großen Zustimmung des Publikums ging nicht jeder nach der Aufführung beglückt nach Hause und nicht wenige Orchestermusiker zollten beim genaueren Hinsehen dem Pianisten nur den mindesten Respekt.
Applaus für einen guten Zweck ist richtig und wichtig, jedoch darf es an künstlerischer Anstrengung nicht fehlen. Die Karte kostet Geld, Zweck hin oder her. Leider stellte sich das wohlwollende Publikum als ältlich heraus. Der Missstand der öffentlichen Förderung von Kultur ist äußerst bedenklich. Gewiss. Bei all dem Beethoven sollte die junge Generation nicht vergessen werden. Sie blieb bis auf sporadische Einzelausnahmen zu Hause. Bei fast ausverkauftem Saal ist das langfristig bedenklicher als ein neuer Flügel.

Geschrieben von Uwe Roßner