Hochschulpolitik
Autor: Martin Görlitz hat als Außenstehender nichts mit Hochschulpolitik zu tun.
Ich wurde unverhofft angesprochen, ob ich bereit wäre, für den webmoritz. kurz niederzuschreiben, warum ich die momentane Hochschulpolitik sehr kritisch betrachte. Also, warum bin ich mit der Arbeit des StuPa, welche für mich stellvertretend für die Hochschulpolitik der Studierendenschaft steht, unzufrieden? Als ich begann, in Greifswald zu studieren, hatte ich zunächst kein Interesse an der Hochschulpolitik. Mir war zu diesem Zeitpunkt nicht einmal bewusst, dass es eine studentische Selbstverwaltung gibt. Im Laufe der Zeit änderte sich dieser Sachverhalt. Ich nahm an den Vollversammlungen teil, ich begann bei Veranstaltungen des Fachschaftsrates auszuhelfen und lernte langsam mehr Facetten der studentischen Selbstverwaltung kennen. Als ich mich dann einmal fragte, welche Funktion das Studierendenparlament hat, wurde mir gesagt, es sei das Gremium, welches demokratisch für ein Jahr gewählt wird, um die Interessen der Studierenden zu vertreten. Ich muss gestehen, bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich seit meiner Immatrikulation nie das Gefühl vermittelt bekommen, dass mein Interesse von irgendjemand in Hochschulangelegenheiten vertreten wurde. Da liegt auch mein Hauptkritikpunkt. Ich unterstelle dem StuPa, dass sich dieses selbst als ein größeres Gremium ansieht, als es tatsächlich ist. Die Stupisten erwecken den Eindruck, als würden sie große Parteien- und Weltpolitik machen, anstatt gemeinsam an einem Strang zu ziehen und konstruktiv die Interessen aller Studierenden zu vertreten und nicht ihre eigenen engstirnigen Ziele zu verfolgen. Dabei ärgert es mich besonders, dass lieber über gendergerechtes Formulieren und anti-sexistisches Auftreten gestritten wird, anstatt wichtigere Projekte zu fördern oder voranzutreiben. Weiterhin empfinde ich das StuPa als unfahrbar. Für ein Parlament, welches von den Studierenden gewählt wurde, beobachte ich eher, dass die Mitglieder eher unter sich bleiben und auch das Gremium an sich wenig Interesse daran hat, sich der breiten Öffentlichkeit der Studierenden vorzustellen. Ich glaube kaum, dass die Mehrheit aller Studenten(1) weiß, wer im StuPa sitzt und welche Leistungen vollbracht worden sind. Meine bis dahin schon sehr abgeneigte Haltung gegenüber dem StuPa wurde stark untermauert, als ich von Mitgliedern dieses Gremiums bepöbelt wurde, was ich mir, stellvertretend für den Fachschaftsrat, in dem ich mich ein Jahr engagierte, erlauben würde, bei einer Veranstaltung, die aufgrund des Zuspruches keiner Personen mehr erlaubte, das Gelände zu betreten, Mitglieder des StuPa nicht gesondert zu behandeln und für diese eine Ausnahme zu machen, da sie diese Veranstaltung mitfinanziert hätten. Das bestärkte mich in meiner Annahme, dass sich viele Stupisten als etwas Besonders ansehen. Weiterhin empfinde ich es als eine große Ungerechtigkeit, dass die Arbeit in den verschiedenen Fachschaften, die aus meiner Sicht viel näher am Studierenden agieren, nicht finanziell honoriert wird. Die Mitglieder aller Fachschaften engagieren sich unentgeltlich an ihren Instituten, weil sie etwas verändern oder zurückgeben wollen. Warum bekommen dann einige Mitglieder des StuPa eine finanzielle Aufwandsendschädigung und die führenden Mitglieder der Fachschaftsräte nicht? Warum werden „Kennlernprojekte“ zu Beginn einer neuen Legislatur zum größten Teil von Geldern finanziert, die für die Studierendenschaft vorgesehen ist. Warum gibt es keine ähnlichen Maßnahmen für die vermeintlich kleineren Gremien? Der letzte Punkt sollte kein Plädoyer für eine Aufwandsentschädigung aller Fachschaftsräte sein. Ich wollte damit nur die Ungleichheit hervorheben, die aus meiner Sicht zwischen dem StuPa und den Fachschaften vorherrscht, obwohl beide Gremien für die Studierendenschaft verantwortlich sind.
1: Die Formulierung „Student“ ist sprachökonomisch verwendet worden, es sind dennoch alle Arten der Geschlechtlichkeit gemeint.
Zusatz: Nicht jedes Mitglied des Studierendenparlaments erhält eine Aufwandsentschädigung, lediglich das Präsidium.
Ok, das hier – "Eine langfristige Lösung der teils systemisch bedingten Defizite wäre auch eine Ausweitung des hochschulpolitischen auf ein allgemeinpolitisches Mandat – dazu bedarf es allerdings einiger Gesetzesänderungen auf Landesebene." – kann nicht unkommentiert bleiben:
1. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wie ein "allgemeinpolitisches Mandat" zur Lösung der im Beitrag geschilderten Defizite beitragen soll. Vetternwirtschaft & Kumpanei, Zweckentfremdung von Studierendenschaftsgeldern und langwierige Debatten um sinnlose Themen verhindert man doch nicht dadurch, dass man zulässigen "Aktionsradius" der Studierendenschaft vergrößert?
2. Dass die Studierendenschaft als Zwangskörperschaft auf die Wahrnehmung der spezifischen Belange ihrer Mitglieder (=sog. hochschulpolitisches Mandat) beschränkt ist, folgt aus Verfassungsrecht, also aus dem Grundgesetz. Das ist bei allen Zwangskörperschaften (z.B. Industrie- u. Handelskammern, Handwerkskammern, Ärztekammern, Rechtsanwaltskammern usw.) so. Das Grundgesetz aber ist dem Zugriff des Landesgesetzgebers entzogen. Selbst der Bundestag kann die hier maßgeblichen Grundsätze nicht aufweichen, da sie aus dem Katalog der Grundrechte (hier Art. 2 Abs. 1 GG) abgeleitet sind und dieser von der sog. Ewigkeitsklausel (Art. 79 Abs. 3 GG) geschützt ist. Also sorry, no dice!
3. Wer also einer Studierendenschaft "Beinfreiheit" in allgemeinpolitischen Fragen verschaffen will, muss mindestens mal ihren Zwangscharakter abschaffen. Das – und hier ist dem Kommentar zuzustimmen – könnte der Landesgesetzgeber in der Tat in eigener Kompetenz erreichen, indem er nämlich im LHG regelt, dass Studierende nicht automatisch mit der Immatrikulation, sondern erst mit einem eigenverantwortlichen Eintrittsakt Mitglied der Studierendenschaft werden oder aber sofort nach ihrem Immatrikulationseintritt wieder austreten können. Lästige, aber unvermeidbare Folge einer solchen Gesetzesänderung wäre freilich, dass die Finanzmittel der Studierendschaft innerhalb kürzester Zeit auf einen Bruchteil des aktuellen Aufkommens zusammenschnurren würden, sofern man unterstellt, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem (an der Wahlbeteiligung ablesbaren) Grad des (Des-)Interesses eines Durchschnittstudierenden an StuPa/AStA einerseits und seiner Bereitschaft zur Finanzierung dieser studentischen Organe andererseits gibt. Ob daher eine Gesetzesänderung mit dieser "Kehrseite" ernsthaft gewollt ist, möchte ich einmal vorsichtig anzweifeln…