Man stelle sich eine Universität ohne studentische Selbstverwaltung vor: ohne StuPa, AStA, Fachschaftsräte oder den studentischen Medien. Unvorstellbar, denn sonst würdet ihr nicht in den Genuss dieses Textes kommen. Dennoch fordert seit dem 7. Oktober 2012 die Junge Union in ihrem überarbeiteten Grundsatzprogramm, dass genau diese abgeschafft werden soll.

Der Slogan der Jungen Union (JU) „Raum für Ideen schaffen – Überzeugungen klar vertreten!“ tritt auch in ihrem Grundsatzprogramm(.pdf) deutlich hervor. Dieses wurde auf dem „Deutschlandtag“, einer Jahresversammlung, verabschiedet, welche vom 5. bis 7. Oktober in Rostock stattfand. Dabei ist ein Punkt prägnant für die Studentenschaft: „Die Junge Union sieht nachgelagerte und sozialverträgliche Studiengebühren als integralen Teil der Finanzierungsgrundlage unserer Hochschulen. […] Vor diesem Hintergrund machen wir uns auch für eine Abschaffung der verfassten Studierendenschaft stark. Das Geld für Allgemeine Studierendenausschüsse (ASten) ist in der personellen und technischen Ausstattung unserer Hochschulen besser angelegt.“

Was würde das bedeuten?

Acht Euro als Teilbetrag unserer Semesterbeiträge würden nicht mehr wie gewohnt vom Studierendenparlament (StuPa) erhoben. Das hätte zur Folge, dass beispielsweise studentische Clubs nur einen Teilbetrag dessen bekommen, was sie jetzt erhalten. Weiterhin wäre eine Betreuung durch Fachschaftsräte zu den einzelnen Studienbereichen nicht möglich, da sie als Teil der Selbstverwaltung schlicht und einfach nicht mehr existieren würden. Auch Veranstaltungen wie die Erstsemesterwoche, 24-Stunden-Vorlesung, der Markt der Möglichkeiten (wo sich auch die Junge Union Greifswald vorstellte) und viele mehr für welche der AStA die Verantwortung trägt, wären in dieser Form, wie wir es kennen, nicht mehr vorhanden.

Bei den Mitgliedern handelt es sich in allen Bereichen der studentischen Selbstverwaltung um freiwillige, engagierte und junge Menschen. Doch nicht nur hier lassen sich Parallelen zur Jungen Union ziehen. So sind und waren einige Mitglieder der Jungen Union Greifswald auch in der studentischen Selbstverwaltung aktiv, wie beispielsweise Franz Küntzel (Vorstandvorsitzender der Jungen Union Greifswald und ehemaliger AStA-Referent). Auf die Frage wie er persönlich zum neuen Grundsatzpunkt stünde, äußerte er sich gegenüber dem webMoritz wie folgt: „Als ehemaliger AStA-Referent hatte ich mehr als zwei Jahre einen recht guten Einblick in das Geschehen der Greifswalder Selbstverwaltung und anderer Selbstverwaltungen bundesweit. Es hat mich immer wieder erschrocken, wie fahrlässig und rücksichtslos zum einen Klientelpolitik betrieben wurde und zum anderen, wie maßlos man das Geld der Studenten sinnfrei verschwendet hat.“

Franz Küntzel

„Strukturen und Befugnisse“

Daneben geht er auch auf die derzeitige Finanzdebatte der Studierendenschaft als Zeichen für den angesprochenen Missstand ein: „Die aktuelle Diskussion über die Rückzahlungen an das Finanzamt zeigen doch eins: Es muss unbedingt über Strukturen und Befugnisse nachgedacht werden. Man kann nicht einfach einen 18- oder 19-Jährigen, der noch nicht einmal den Wertschöpfungsprozess von Unternehmen kennt, über einen Haushalt von 200.000 Euro oder gar irgendwelche Gehälter entscheiden lassen. Wo dies die Greifswalder Studierendenschaft hingeführt hat, kann man zurzeit gut beobachten, es gibt kräftige Nachzahlungen. Das eigentliche Ziel, die Förderung des studentischen Lebens, wird durch solche krassen Fehlentscheidungen verfehlt.“

Auch sehe er eine Problematik bei den Studenten selbst, was Küntzel mit der niedrigen Wahlbeteiligung der Studentenschaft begründet. Bestätigung erhält er durch konkrete Zahlen. So betrug die Wahlbeteiligung für das Studierendenparlament in diesem Jahr lediglich 14,40 Prozent. 2011 lag der Wert lediglich bei 9,89 Prozent der Wahlberechtigten. Er sieht in dem neuen Grundsatzprogramm der Jungen Union einen Anstoß für Überlegungen. „Es muss und sollte offen diskutiert werden, ob das derzeitige System der studentischen Selbstverwaltung überhaupt noch zeitgemäß ist. Die Wahlbeteiligung ist letztendlich nur eine Abstimmung mit Füßen durch die jeweiligen Studenten […] Es darf dabei keine Denkverbote geben, denn ansonsten wird diese Diskussion nicht zielführend sein“, so Küntzel.

Weiterhin spricht er sich im Namen der Jungen Union Greifswald auch gegen ein gesamtes Abschaffen der studentischen Selbstverwaltung aus, was er wie folgt begründet: „Als JU Greifswald sind wir gegen eine komplette Abschaffung der studentischen Selbstverwaltung. Wir sehen die studentischen Medien als wichtiges Werkzeug der Meinungs- und Willensbildung aller Studenten und der Greifswalder Bürger. Wir sprechen uns viel mehr für eine Stärkung der Fachschaftsräte aus, denn dort geschieht die wichtige Arbeit von und für Studenten. In den Fachschaftsräten wird wirklich Service am Studenten geleistet.“

So bleibt die Frage offen, ob die zukünftigen Studierenden einen AStA an ihrer Universität erleben sollten, unter den Umständen, wie sie Küntzel beschreibt.

Fotos: Küntzel – Simon Voigt; Artikelbild – Johannes Köpcke (beide Archiv)