Das Rektorat der Universität Greifswald verkündete die Absicht, 225.000 Euro aus den nicht zurückgeforderten Rückmeldegebühren für die Sanierung der Judohalle und des Ruderbootshauses zu verwenden. Eine direkte Förderung studentischer Initiativen wird allerdings abgelehnt, was mit rechtlichen Bedenken begründet wird. „Genug ist genug!“ fordert daraufhin der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) und kündigt für den kommenden Mittwoch um 13:30 Uhr eine Demonstration auf dem Rubenowplatz an, direkt vor Hauptgebäude, wo kurze Zeit später der Senat tagen wird.
2005 führte die Universität Greifswald eine Rückmeldegebühr von 10 Euro ein, für die es zunächst keine rechtliche Grundlage gab. Der damalige AStA-Vorsitzende Simon Sieweke hat dagegen stellvertretend für die Studierendenschaft geklagt, im März 2008 bekam er recht. Per Landeshochschulgesetz-Reform wurde der rechtliche Rahmen zwar anschließend geregelt, das bis dahin erhobene Geld konnte aber von den Studierenden zurückgefordert werden. Dies war allerdings nur bis zu einer bestimmten Frist möglich, was dazu führte, das 250.000 Euro noch nicht abgerufen wurden. Dieses Geld ist bis heute bei der Universität. Im letzten Jahr wurde vom Senat beschlossen, es für den Hochschulsport und die Studentische Kultur bereitzustellen. Auf der letzten Vollversammlung der Studierendenschaft im Sommersemester 2012 wurden zwei Konzepte(.pdf) angenommen, welche vorsahen, in den Hochschulsport 150.000 Euro und in die studentischen Kultur 100.000 Euro zu investieren.
Diesen Beschluss begreifen die meisten studentischen Senatoren als Handlungsauftrag. Immer wieder setzten sie sich im Senat zu deren Durchsetzung ein. Nun verkündete das Rektorat zum einen die Zustimmung, einen Großteil der Gelder in den Hochschulsport fließen zu lassen, um die Judohalle und das Ruderbootshaus baulich instand zu setzten. Im aktuellen Rektoratsbericht wird allerdings von ganzen 225.000 Euro gesprochen, viel mehr als die von der Studierendenschaft vorgeschlagenen 150.000 Euro. Diese Abweichung wird nicht begründet, allerdings sah das Konzept auch vor, dass die Universität sich selbst mit zusätzlichen 90.000 Euro beteiligt, dafür sieht das Rektorat allerdings „keine hinreichende Veranlassung“.
Die Gelder für die studentische Kultur, die vor allem dem Club 9, aber auch anderen Studentenclubs und Initiativen zugute kommen sollten, fehlen fast ganz. Das Rektorat stimmt dem dem Konzept nicht zu, im Bericht heißt es: „Die außerdem vorgeschlagene direkte Förderung von studentischen Gruppen und Vereinigungen wird wegen rechtlicher Bedenken abgelehnt.“ Alternativ sollen die noch verbleibenden 25.000 Euro durch die Verwaltung dazu verwendet werden, um Räume, die von Studierenden genutzt werden, auszubessern. Milos Rodatos, Präsident des Studierendenparlamentes bezeichnet die Begründung auf der Facebook-Ankündigung zur Demonstration als „fadenscheinig“, er kündigte an, dass die studentischen Senatoren dagegenhalten wollen. Per Antrag soll gefordert werden, zum ursprünglichen Konzept zurückzukehren. Die Mittelausschüttung solle in Absprache mit den Studierenden geschehen.
Demonstration am kommenden Mittwoch
Gegen das Vorgehen des Rektorats wurde vom AStA Protest angekündigt. Am kommenden Mittwoch (17. Oktober) soll ab 13:30 Uhr auf dem Rubenowplatz demonstriert werden, in Hörweite zum Konferenzsaal im Uni-Hauptgebäude, wo eine halbe Stunde später der Senat zusammenkommen wird, auch um den neuen Rektor zu wählen. „Die studentische Kultur in Greifswald liegt im Sterben und gerade das, was eine Uni- Stadt neben Studium und Lehre ausmacht, das studentische Leben, ist in Gefahr und droht unter zu gehen.“, heißt es im Facebook-Aufruf.
Ein weiterer Grund zum Protest soll der schon häufig kritisierte Umgang mit dem Club 9 sein. Schon lange steht fest, dass der Studentenclub seine Räume in der Hunnenstraße zum Jahresende verlassen muss. Bis heute wissen die Betreiber aber nicht, wie es danach weitergehen soll, da es noch keine Räume für den Neuanfang gibt. Über die Unterbringung wurde schon oft und ausführlich im Senat diskutiert, für den Club akzeptable Raumvorschläge gab es aber bisher noch nicht. Ein Antrag der studentischen Senatoren soll die Unterbringung des Club 9 im Keller der alten Frauenklinik fordern. Dieser stand zunächst auch in Aussicht, wurde dann aber kurzfristig für eine geologische Sammlung reserviert.
Trifft es einen, trifft es alle?
Der Club wird als Präzedenzfall für den Umgang der Universitätsleitung mit den Interessen der Studierenden betrachtet. Müsste dieser schließen, würden auch andere Projekte im Ernstfall keine Unterstützung erfahren. „Es ist jetzt eine prekäre Situation entstanden. Wir haben das Problem, dass uns gerade im Bezug auf den Club9 die Zeit davon läuft. Dieser ist mittlerweile ein Symbol dafür geworden, wie man innerhalb der Universitätsleitung mit dem so wichtigen, weichen Standortfaktor Studentische Kultur umgeht“, teilt der AStA-Vorsitzende Felix Pawlowski mit.
Tatsächlich hat sich die studentische Clubkultur in den letzten Jahren erheblich ausgedünnt. So gab es Mitte der Neunziger noch fast in jedem Wohnheim Clubs, die zum Beispiel „Pille“, „Grotte“, „Wurzel“, „Spowi – Sportlerklub“ oder „Galerie Café“ hießen, heute sind nur noch fünf von ihnen übrig.
Kritiker bezeichnen das starke Engagement für den Club 9, das einige studentische Hochschulpolitiker betreiben, als „Lobbyarbeit“ (looongcat). Er würde nicht viel mehr bieten, als eine „überspitzt gesagt, elitäre Saufbude“ und ihn in kultureller Hinsicht mit einem Theater gleichzusetzen, sei mutig (lumpenguenter), hieß es beispielsweise in einigen Leserkommentaren unter webMoritz-Artikeln.
Flyer: AStA Greifswald; Foto: Simon Voigt (Archiv)
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