Tommy und Robert* sind schwul, doch nur einer von ihnen lebt seine Homosexu-alität offen aus. Wie sie zu ihrem Outing stehen, wie dies ihren Alltag beeinflusst und auf welche Probleme sie dabei stoßen, erzählen sie moritz im Gespräch.

Für viele in Deutschland und Europa ist es kaum vorstellbar, sich für seine Liebe verstecken zu müssen, doch in über 18 Staaten der Welt stehen homosexuelle Handlungen unter Todesstrafe oder lebenslanger Haft. Selbst im aufgeklärten Deutschland stellt das Outing einen schwierigen Schritt dar. Robert* wollte nicht mit uns persönlich sprechen, sondern lieber anonym bleiben. Er erzählt, dass er schon seit frühester Kindheit das Gefühl gehabt hätte anders zu sein. Dies wurde ihm am Beginn der Oberstufe dann richtig bewusst: „Als alle Jungen anfingen zu sagen: Boa, das Mädchen ist echt hübsch. Ich empfand aber immer etwas anderes.“ Zudem berichtet Robert, dass er schon immer einen besseren Draht zu Mädchen gehabt hätte. „Ich hatte viele Freundinnen, aber eher weniger Freunde.“

Tommy

Outing kann ein schleichender Prozess sein, aber auch schlagartig einsetzen. So zum Beispiel bei dem Studenten Tommy: Er lebt mittlerweile offen homosexuell und sieht auch keine Probleme darin. „Ich lebe so, wie ich es will. Ich brauche mich nicht zu verstecken, nur weil ich homosexuell bin.“ Zum ersten Mal bemerkt hat er seine Homosexualität mit einer Freundin auf der Straße, als beide einem Mann hinterher schauten. Sie kommentierte den Vorfall mit: „Ich wollte schon immer einen schwulen besten Freund haben.“ Tommy legt auf die Meinung anderer zu seiner sexuellen Orientierung keinen Wert. Es ist ihm egal, was Menschen über ihn denken. Daher betrachtet er seinen Alltag als sehr entspannt und leicht. Robert hat diese Phase noch nicht erreicht. Er hat „eine generelle Angst vorm anders sein“ und „davor, dass sich die Familie abwendet und nicht versteht, dass man ja dennoch ein Mensch ist und sich nicht verändert“ hat. Das wirkt sich natürlich negativ auf das gesamte Verhalten und Selbstbewusstsein aus. „Wenn man sich geoutet hat, versteckt man sich nicht mehr so zwanghaft vor der Familie und dem Freundeskreis. Es stärkt auch das Selbstbewusstsein“, ist Tommy der Meinung.

Doch was bewegt einen Menschen dazu, sich zu offenbaren oder eben nicht? Auch Robert muss sich langsam dieser Frage stellen. Für die öffentliche Bekenntnis über seine sexuelle Orientierung müsste er „die Sicherheit haben danach nicht alleine zu sein, nicht gemieden und ausgestoßen“ zu werden.

Vor allem von denen, die er liebt. Ein Grund sich nicht zu outen ist für ihn zudem der Zweifel, dass sich seine sexuelle Orientierung im Laufe der Pubertät wieder ändern könnte: „Ich möchte mich noch nicht ins Aus stellen durch ein Outing, nur um am Ende zu sagen: Hey, nee, ist doch nicht so.“ Der Grund für Tommy sich zu seiner Homosexualität offen zu bekennen war einerseits das Gefühl der Erleichterung und der Bestätigung, andererseits hatte er zu diesem Zeitpunkt seinen ersten Freund. Jedoch plädiert er dafür den richtigen Zeitpunkt abzuwarten: „Bei sehr konservativen Eltern würde ich keine Tür eintreten, man muss sie langsam an diese Thematik heranführen.“ Doch so lange man diesen richtigen Zeitpunkt nicht gefunden hat, muss man sich im Alltag oftmals tarnen. Robert selbst versucht hetero zu wirken und „Themen wie Mode, Kultur – also alles Mädchenhafte – gar nicht anzusprechen.“ Oft meidet er auch einfach die Jungs in seiner Klasse. Er versucht auch nichts an sich heran zu lassen, was mit Homosexualität zu tun hat, vor Angst, andere könnten sein schwul sein bemerken. Seine Maskerade ist mittlerweile so perfekt, sodass er selbst behaupten kann, dass es keine Verdächtigungen und Beweise gäbe und „selbst wenn, wären es ja sicherlich nur Gerüchte.“ Auch Tommy hat nicht immer zugeben wollen, dass er homosexuell ist. „Anfangs hab ich mich immer gewehrt und habe es abgestritten, aber nach und nach machte ich mir keine Gedanken mehr darüber.“

Fühlt man sich als Homosexueller gesellschaftlich ausgegrenzt oder hat es immer nur den öffentlichen Anschein? „Dazu kann ich nichts sagen, da ich nicht das Gefühl habe, dass Homosexualität bereits integriert wäre“, bedauert Robert, ist aber auch der Meinung, dass „sich auch die homosexuelle Szene ändern müsste“ um mehr Akzeptanz zu erfahren. Bislang ist er nicht davon überzeugt, dass er im Falle seines Outings integriert wäre. Tommy fühlt sich größtenteils von der Gesellschaft toleriert, allerdings ist auch er der Meinung, dass es noch lange keine vollständige Integration gegeben hat. Er bemängelt zum Beispiel, dass es für Homosexuelle nicht möglich ist Blut zu spenden, da sie in der Medizin als Risikogruppe gelten. „Heterosexuelle sind es ebenso“, sagt er. „Es herrscht eben noch zu viel Irrglaube und Vorurteile über dieses Thema.“, fügt Robert abschließend hinzu.

Ein Feature von Luise Röpke und Laura-Ann Schröder mit einer Grafik von Ronald Schmidt

* Name von der Redaktion geändert