Gegen die “Antifa-geschulte Linke”: Wie Rechtsextreme die Hochschulen erobern wollen

Ein Bericht von Marco Wagner

November 2009 wurde das IKuWo zur Zielscheibe Rechtsextremer

Sonntag, 1. November 2009, 2 Uhr: Drei Betrunkene bewerfen das Internationale Kultur- und Wohnprojekt (IkuWo) in der Bahnhofstraße mit verschiedenen Gegenständen. Es entstehen Schäden an der Fassade des Hauses. Auf der Flucht zeigt einer der Täter einen Hitlergruß, ein anderer lässt einen Schlagring fallen. Ein Teil der Täter flüchtete zum Haus der Markomannia am Karl-Marx-Platz. Die Täter sind Zeugenberichten zufolge Mitglieder der Greifswalder Burschenschaft Rugia. Der Deutschlandfunk berichtete im Februar 2008, dass die Studentenverbindung „quasi den Hort der Rechtsextremen“ bilde und mit „rechtsextremen Kameradschaftsstrukturen“ zusammen arbeite. So waren beispielsweise die Brüder Stefan und Mathias Rochow Mitglied der Burschenschaft Rugia. Stefan Rochow war von 2002 bis 2007 Bundesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten, und arbeitete für die NPD-Fraktionen im Landtag von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Beide sind 2008 beziehungsweise 2009 aus der NPD ausgetreten. Wie der Allgemeine Studierendenausschuss in einer Pressemitteilung berichtete, wurden Stefan und Mathias Rochow  auf Grund von Disziplinarverstößen 2008 aus der Rugia ausgeschlossen. Das Greifswalder Straßenmagazin Likedeeler berichtete in einer Sonderausgabe 2006 darüber, dass  „gute Kontakte“ zu den in Greifswald wohnenden „Neonazikadern“ Lutz Giesen und Paul Schneider bestünden.

Auch die Burschenschaft Markomannia musste sich in der Vergangenheit mit dem Vorwurf, im rechtsextremen Spektrum angesiedelt zu sein, auseinandersetzen. So schreibt beispielsweise die Frankfurter Rundschau 2005, dass immer dann, „wenn Rechte in der Stadt aufmarschierten, Markomannia, Rugia, gelegentlich auch die Schwesternschaft Athenia mit von der Partie“ seien. So habe man Burschen beider Verbindungen 2005 bei einer Kundgebung des Heimatbundes Pommern gesehen. 1994 brachte die Markomannia auf dem Burschentag in Eisenach einen Antrag zur Eingliederung Österreichs in die Bundesrepublik Deutschland ein. Darüber hinaus wurde in dem Skript die Wiedereingliederung der nach 1945 vorwiegend an Polen abgetretenen Deutschen Ostgebiete als erstrebenswertes Ziel erachtet. Diese Forderung ist auch heute noch in den Grundsätzen Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) verankert. Die Markomannia ist Mitglied dieser Organisation. Vor etwa einem Jahr gab der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) ein Informationsblatt mit dem Titel „Burschenschaften im rechtsextremen Spektrum“ heraus, in dem Erstsemester vor den Burschenschaften Rugia und Markomannia gewarnt wurden. Letztere druckte daraufhin eine Gegendarstellung, in der sie betonte, dass keine Kontakte zum rechtsextremen Spektrum bestünden.

„Wenn man bedenkt, dass diejenigen, die ihre Heimat vor 60 Jahren wirklich verteidigt haben, heute zum Teil als Mörder beschimpft werden, dann sieht man wie weit wir von dem entfernt sind, was Patriotismus wirklich heißt“, erklärt Professor Dr. Ralph Weber, Lehrstuhlinhaber für Arbeitsrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Greifswalder Universität während eines Vortrages vor dem Verein Deutscher Studenten (VDSt). „Migration und Einbindung sind Verrat an der eigenen Kultur“, heißt es nach Angaben Carsten Schönebecks, der als Besucher auf der genannten Veranstaltung war, weiter.

Die DVU-Abgeordnete Birgit Fechner äußerte sich 2004 während einer Rede vor dem Brandenburgischen Landtag nahezu identisch, indem sie meinte, dass „Integration und Assimilation Raub an Heimat und Volkstum“ bedeuten und dass, „wer seine innere und äußere Heimat nicht mehr kennt, natürlich sehr viel leichter regiert und beherrscht werden“ könne. Dieser sei eher bereit, „sich zum kosmopolitischen Spaßbürger, Konsumsklaven und zum unmündigen Ja-Sager umerziehen zu lassen.“

Professor Weber ist die CDU zu links geworden. Er wünscht sich eine Deutsche FPÖ

Zudem soll nach Angaben der Ostsee-Zeitung, ein Treffen zwischen Weber und Udo Voigt dem Vorsitzenden der NPD sowie zwischen dem Professor der Rechtswissenschaften mit Mathias Faust von der DVU stattgefunden haben. Grund hierfür war die Erörterung einer Parteineugründung rechts der CDU. Für Weber sei die konservative Partei in den vergangenen Jahren zu weit nach links gerückt. Deshalb erwäge er die Gründung einer Partei rechts der CDU nach dem Vorbild Jörg Haiders FPÖ.

Nachdem am 30. Juni in der Ostseezeitung die Vorwürfe gegen Weber thematisiert wurden, verfasste dieser am 2. Juli eine Gegendarstellung, in der er sich in erster Linie über den journalistischen Stil, in dem die Autoren Kleine-Wördemann und Schönebeck berichteten, beschwerte. So hätten die Verfasser den Artikel mit der Absicht verfasst, den Jura-Professor aufgrund seiner konservativen Positionen „sofort auf den Eilzug ins rechtsextreme Lager“ setzen zu wollen. Weber beschwert sich weiter, dass „political correctness nur für Ansichten von ganz links“ gelte. „Rechts der Mitte dagegen wird man zum Freiwild von Fehlberichterstattungen und Ehrverletzungen übelster Art.“

Als besonders beklagenswert empfindet es der Jurist, dass „rechte, das heißt konservativ-christliche und patriotische Standpunkte“ nicht strikt von rechtsextremen Standpunkten getrennt werden. So würden politische Standpunkte, „die früher von namhaften Ministerpräsidenten der CDU wie Alfred Dregger, Franz-Josef Strauß, Hans-Karl Filbinger oder Altbundespräsident Karl Carstens vertreten wurden und das politische Erscheinungsbild der CDU prägten, heute als rechts gleich rechtsextrem bezeichnet und durch die Antifa geschulten Linken bekämpft.“

Unter den genannten, die Weber als rechts ungleich rechtsextrem bezeichnet, befinden sich zwei Nationalsozialisten: Hans-Karl Filbinger und Karl Carstens. Der spätere CDU-Politiker Hans-Karl Filbinger hatte als Marinerichter und NSDAP-Mitglied 1943 und 1945 vier Todesurteile beantragt beziehungsweise selbst gefällt. Karl Carstens, zwischen 1979 und 1984 Bundespräsident, war zwischen 1940 und 1945 ebenfalls Mitglied der NSDAP und trat bereits 1934 der SA bei.

Weber stellt in dem Brief an die Ostsee-Zeitung darüber hinaus klar, dass für ihn eine Zusammenarbeit mit der NPD und DVU nur dann in Frage käme, wenn diese sich von den Verbrechen des Naziregimes distanzierten und die freiheitlich-demokratische Grundordnung anerkennen würden. Da dies gegenwärtig nicht der Fall sei, käme keine Zusammenarbeit mit beiden Parteien in Frage, wenngleich es für ihn „keinen Unterschied“ ausmache, ob er „mit Herrn Voigt oder Frau Merkel“ rede.

Nach Angaben des Fachschaftsrates (FSR) Jura soll sich Weber zudem fremden- und frauenfeindlich geäußert haben, weshalb die betroffenen Studentinnen und Studenten Beschwerden beim FSR einreichten. Dieser habe daraufhin Weber ein Gesprächsangebot zur Klärung der Vorwürfe gemacht, dass der Jurist bisher nicht angenommen hat.

Unterdessen wurde die Universitätsleitung Ende Juli von der Landesregierung dazu aufgefordert, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Weber aufgrund des Verdachtes rechtsextremer Tätigkeiten zu prüfen. Zudem sollen Möglichkeiten überprüft werden, das Tragen der Kleidermarke Thor Steinar via Hausrecht zu verbieten.

Thor Steinar ist eine Kleidungsmarke,  auf deren Produkten Abwandlungen rechtsextremer Symbole gezeigt  werden. So mussten die Hersteller des in Königs Wusterhausen sitzenden Unternehmens ihr altes Logo verändern, da es der, aus Gründen der Verfassungsfeindlichkeit verbotenen Wolfsangel zu ähnlich war.

Die Ware wird fast ausschließlich in rechtsextremen Szeneläden feil geboten. Nach Angaben des Brandenburgischen Verfassungsschutzes betrachten Neonazis die Marke als „zur Szene gehörig“.

Wenngleich die Firma nicht mehr deutsch ist, sondern mittlerweile einem Unternehmer aus Dubai gehört, so hat sich an den Motiven der Kleidung nichts geändert. Die rechtsextremen Inhalte werden nach wie vor transportiert. So findet in der diesjährigen Winterkollektion das alte Logo erneut auf einem Feuerzeug mit dem Namen „TS-Sturm“ Verwendung. In dem Namen des Feuerzeugs verbirgt sich sowohl das Kürzel „S-S“ für Schutzstaffel, als auch die Silbe „Sturm“ der Sturmabteilung (SA) der NSDAP. In der Kapuzenjacke „Wings“ wird das Kürzel „TS“ dergestalt von Adlerflügeln flankiert, dass ein Bezug zum Hoheitszeichen der NSDAP hergestellt werden kann.

Am 3. September änderte die Universitätsleitung die Hausordnung der Universität dahingehend, dass „Verhaltensweisen zu unterlassen sind, die geeignet sind, die öffentliche Wahrnehmung der Universität als weltoffenes, pluralistisches, freiheitliches und demokratisches Zentrum von Forschung und Lehre zu beeinträchtigen.” Darüber hinaus werden insbesondere “die Verwendung von Kennzeichen mit verfassungswidrigen, rassistischen, fremdenfeindlichen, gewaltverherrlichenden oder anderen menschenverachtenden Inhalten” untersagt. Nachdem in den Medien, so unter anderem in der Wochenzeitung Die Zeit, vorerst fälschlicherweise die Nachricht übermittelt wurde, dass das Rektorat das Tragen von Thor Steinar verbieten wolle, dementierte Pressesprecher Jan Meßerschmidt kurz darauf, dass dies der Fall sei.

Ungeachtet dessen ist weder die Universität Greifswald, noch irgendeine andere Universität von dem Problem des Rechtsextremismus befreit. So berichtete beispielsweise der Unispiegel im Januar 2010 von Aktivitäten Rechtsextremer an verschiedenen deutschen Universitäten. Greifswald wird in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt. Aktivitäten von Rechtsextremisten seien dem Unispiegel zufolge nicht zufällig. Neonazis studieren demnach vorrangig geisteswissenschaftliche Fächer und geben sich als „Vordenker einer neuen, rechten Avantgarde“.  Eine Begründung dieser These bleibt die Autorin Ine Brzoska hingegen schuldig.

Der Biologiestudent Ragnar Dam auf einem Zeltlager der HDJ

Vor etwa einem Jahr veröffentlichte „Recherche Nord“ Informationen über rechtsextremistische Tätigkeiten des Greifswalder Biologiestudenten Ragnar Dam. Bis zum Verbot der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) war er Chef der HDJ-Einheit „Mecklenburg-Pommern“ und „Führer“ der Leitstelle Nord. Hausdurchsuchungen in Dams Wohnungen in Berlin und Greifswald ergaben Berichten von „Recherche Nord“ zufolge, dass er in seiner Funktion „Rassenschulungen“ durchgeführt habe. Ziel der HDJ war es, für die „Blutsreinheit“ und das „Fortbestehen des Deutschen Volkes“ einzutreten. Aus diesem Grund wurde die Vereinigung am 31. März 2009 vom Bundesinnenministerium verboten. „Der Kampf um die Köpfe“, den Udo Voigt vor Jahren ausrief, hat längst begonnen. Universitätsstudium, Kleidung von Thor Steinar, Consdaple und die Schulhof-CD: Das ist das Gepäck, mit dem sich die Neuen Nazis auf den Weg in die Mitte der Gesellschaft machen. Regional ist es ihnen bereits gelungen. So erlangte die NPD bei den Wahlen zum Landtag Mecklenburg-Vorpommern in den Landkreisen Uecker-Randow, Demmin und Ostvorpommern zwischen 10 Prozent und 15 Prozent der Zweitstimmen. Nach Angaben der Sozialraumanalyse für Anklam seien etwa 17,5 Prozent der Befragten Bevölkerung der Ansicht, dass die Partei helfe, die Probleme vor Ort zu lösen. Die NPD hat die SPD bei der Wiederholung der Kommunalwahl am 27. September 2009 um 0,1 Prozent mit 7,4 Prozent knapp überholt. Ob den Rechtsextremen dies jedoch bundesweit gelingen wird, ist von der Zivilcourage derer abhängig, die sich keine Neuauflage des Dritten Reiches wünschen.

Eine Frage der (Doppel)moral

Ein Kommentar von Florian Bonn

Sollte der Staat seinen Bürgern vorschreiben dürfen, was sie anzuziehen haben? Diese, durch die Änderung der Hausordnung der Universität Greifswald aufgeflammte Debatte, wurde vor einigen Jahren schon einmal in Deutschland geführt. Damals kamen Befürworter und Gegner allerdings aus der politisch entgegengesetzten Richtung als in der heutigen Debatte. Heulen heute Konservative ob dieses Eingriffs in ihre Freiheit empört auf, hatten sie vor wenigen Jahren keinerlei Probleme damit, angehenden Lehrerinnen und anderen Staatsbediensteten das Tragen eines Kopftuches zu verbieten. Um Kleidung geht es in beiden Debatten nur sekundär, der Kern ist die Symbolkraft, die dahinter steckt. Ist also die Marke Thor Steinar ein Symbol für Rechtsextremismus, auch wenn keine verfassungsrechtlich zu beanstandenden Symbole auf den Kleidungsstücken zu finden sind? Diejenigen, die das nicht so sehen, argumentieren, dass Thor Steinar keine zu beanstandenden Symbole mehr verwendet und mittlerweile im Besitz eines ausländischen Investors ist. Doch zur Geschichte der Marke gehören das mittlerweile verbotene alte Logo, die rechtsextremen vormaligen Besitzer und recht eindeutige T-Shirt Motive wie eine große „88“ im Lorbeerkranz. Das ist auch der Weg, mit dem Thor Steinar zu einer profitablen, umsatzstarken Marke geworden ist. Thor Steinar Kleidung kann also durchaus als Symbol der Rechtsextremen bezeichnet werden Die aktuellen, vergleichsweise harmlosen Motive passen gut ins Bild eines Strategiewechsels innerhalb der Neonaziszene. Der Trend geht weg vom klassischen Skinheadoutfit. Autonome Nationalisten kann man rein optisch kaum als Neonazis identifizieren. Auch sonst versuchen sich NPD und andere durch Bürgerfeste und andere Veranstaltungen in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren. Ein Thor Steinar tragender Professor kann für diese Bewegung schon fast als Maskottchen dienen. Durch ein Verbot von Thor Steinar Kleidung wird niemand aus der Uni ausgesperrt, kaum jemand dürfte ausschließlich Thor Steinar Kleidung in seinem Besitz haben. Was das Verbot allerdings darstellt, ist ein Verbot des Werbens für Rechtsextremismus. Ein solches ist kaum zu beanstanden, gerade weil auch Politische Parteien in den Räumen der Universität nicht werben dürfen.

Bildnachweis: Archiv/ Homepage des Trägervereins (“ikuwo.de”) – IKuWo, Archiv/ Homepage “Recherche Nord” (“www.recherche-nord.com”) – Ragnar Dam, Dana via Wikipedia (FPÖ-Plakat), Archiv/ Artikel: Neonazis marschieren ungehindert durch Anklam

Dieser Artikel, sowie die Ausgabe in der Online-PDF sind an vereinzelten Stellen korrigiert worden und weichen daher in Teilen von der gedruckten Version ab.


Studierende enttäuscht: Das Hochschulgesetz

Udo Michallik sieht in dem neuen Entwurf eine Bestätigung der Arbeit des Bildungsministeriums.

“Mit der heutigen breiten Zustimmung  zu den Änderungen des neuen Landeshochschulgesetzes im Bildungsausschuss des Landtages sehe  ich die Arbeit des Bildungsministeriums für ein praxisnahes und zeitgemäßes Hochschulgesetz  bestätigt. Dieses Gesetz  befördert den Bolognaprozess und stärkt die Hochschulautonomie”, lobt der Staatssekretär des Bildungsministers, Udo Michallik, die Änderungen des neuen Landeshochschulgesetzes nach der 93. Sitzung des Bildungsausschusses des Landtages in Schwerin.

Ganz anders sehen das hingegen die Vertreter der Studierendenschaften. „Statt auf die Proteste der Studierenden zu reagieren und endlich entscheidende Weichen für Qualitätsverbesserungen in der Lehre zu stellen, werden neue Proteste heraufbeschwört”, kritisiert Thomas Schattschneider, Sprecher der Landeskonferenz der Studierendenschaften (LKS), die Zustimmung des Bildungsministeriums.

Am Donnerstag, dem 30. September fand im Bildungsausschuss des Mecklenburg-Vorpommerschen Landtages die öffentliche Anhörung zum vierten Änderungsgesetz des Landeshochschulgesetzes statt. Neben Vertretern der LKS waren auch Mitglieder der Hochschulleitungen, Vertreter der Personalräte und Universitätsklinika geladen.

Kritik am Studienkontenmodell

In dem neuen Entwurf des Landeshochschulgesetzes (LHG), das im Dezember diesen Jahres dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt werden soll, wird sich unter anderem für ein Studienkontenmodell ausgesprochen. Es soll Studierenden, die ihr Studium deutlich unterhalb der durchschnittlichen Regelstudienzeit abschließen, ein Bildungsgutschein zur Verfügung gestellt werden, der für Weiterbildungsangebote der Hochschulen des Landes genutzt werden soll.

Es dürfe nicht das Ziel  sein, möglichst viele Studierende in kürzester Zeit zu produzieren, kritisierte Henning Rehm, Sprecher der LKS, das Modell. Vielmehr komme es darauf an, qualifiziertes Fachpersonal auszubilden. Studierende, die ihr Studium weit unterhalb der Regelstudienzeit absolvierten, seien so gering, dass man sie vernachlässigen könne. Zudem würde diese Zahl aufgrund zwingender Erwerbstätigkeit zur Finanzierung des Studiums weiter sinken. “Gleichzeitig bleibt die Landesregierung Antworten schuldig, wie die Kosten für die Studienkontenverwaltung und die Weiterbildungsangebote von den Hochschulen kompensiert werden”, erklärte Rehm abschließend.

Was aus Sicht des Bildungsministeriums eine optimale Regelung der Freiversuchsregelung ist, wird von Seiten der Vertreter der Studierendenschaften hingegen als “Verschlechterung der Studienbedingungen” bewertet. So provoziere die optimale Regelung eine faktische Abschaffung des Freiversuches. Darüber hinaus würde die Zahl der Freiversuche reduziert. “Statt die Zahl der Prüfungsversuche zu reduzieren, sollten die Möglichkeit der Wiederholungsprüfungen ausgeweitet werden”, kommentiert Rehm weiter.

Die Studierendenschaften müssen sich ebenfalls auf einige Veränderungen einstellen, die nicht unbedingt im Sinne derselben sind. So sehen es zumindest die Sprecher der LKS. Zum einem wolle der Gesetzgeber die Rechte der Studierendenschaften dadurch stärken, indem die Einberufung einer Vollversammlung ermöglicht werden soll. Eine verpflichtende Einberufung der Vollversammlung, wie es beispielsweise die Greifswalder Studierendenschaft auf der Vollversammlung im vergangenen Semester forderte, wird in dem Gesetz nicht verankert.

Stärkung der Meinungsbildung der Studierendenschaft durch “geeignete Medien”

Die Finanzen des AStA sollen künftig vom Rektor kontrolliert werden können.

Darüber hinaus soll dem Entwurf zu Folge die “Integration ausländischer Studierender und die Meinungsbildung in  der Studierendenschaft durch geeignete Medien” befördert werden. Des weiteren ist im neuen Entwurf eine “Erprobungsklausel” verankert, wonach Hochschulen “in Gänze von hochschulgesetzlichen Bestimmungen zu Aufbau und Organisation der Hochschulen abweichen” dürfen. Das Amt des Kanzlers darf dabei per Gesetzesentwurf jedoch nicht zur Disposition gestellt werden.

Zudem würde es zu einer Veränderung des Verhältnisses zwischen Rektorat und Studierendenschaft kommen, vorausgesetzt die Mehrheit des Landtages erteilt dem Entwurf in dieser Form seine Zustimmung. Demnach soll die Hochschulleitung in Zukunft den Haushalt der Studierendenschaft überwachen. Entlastungen derselben bedürfen dann der Zustimmung des Rektorats. Die Vertreter der Studierendenschaften erachten dies als einen gravierenden Eingriff in ihre Rechte und lehenen diese Pläne als haltlos ab.

Studierendenschaftsvertreter forderten die Landesregierung mehrheitlich dazu auf, die soziale Öffnung der Hochschulen auszubauen, Angebote für Teilzeitstudiengänge einzurichten, die Mitbestimmungsrechte der Studierendenschaften und Mitarbeitervertretungen zu erweitern und auf spezielle Lehrprofessuren zu verzichten. Im vergangenen Jahr wurden bei Audimaxbesetzungen, so auch in Greifswald, ähnliche Forderungen erhoben.

Regierung würde mit neuem LHG drei Reformprojekte umsetzen

Die Uniklinik wird eine Teilkörperschaft der Universität.

Der Bildungsausschuss der Landesregierung bewertet den neuen Entwurf des LHG erwartungsgemäß positiv. Nach Angaben der Pressemitteilung des Bildungsministeriums würden mit gleich drei Reformprojekte der Regierung mit auf den Weg gebracht. So würde das neue Gesetz zum einem der aktuellen Strukturreform im Bologna-Prozess gerecht. Zum anderen würde damit die Hochschulautonomie gestärkt und die Universitätsmedizin neu organisiert. Hierunter fällt unter anderem die Zusammenführung des Greifswalder Universitätsklinikums und des Fachbereiches Medizin der Ernst-Moritz-Arndt Universität zur Teilkörperschaft “Universitätsmedizin”.

Im Mittelpunkt der Gesetzesänderungen stehen nach Angaben des Bildungsministeriums effizientere Studienbedingungen für die Studierenden in Mecklenburg-Vorpommern. So müssen dem Gesetzesentwurf zu Folge die Hochschulen des Landes ihre Studienangebote im Bachelor/ Master-System künftig besser aufeinander abstimmen. Damit soll unter anderem ein verzögerungsfreier Hochschulwechsel ermöglicht werden. Darüber hinaus kommt es aus Sicht des Bildungsministeriums zu einer Stärkung der Hochschulautonomie, indem Studien- und Prüfungsordnungen künftig nicht mehr vor dem Ministerium anmelde- und genehmigungspflichtig sind. Dem Rektorat soll per Gesetzesänderung zukünftig “im Ausnahmefall” ein Vetorecht eingeräumt werden.

LKS-Vertreter kritisieren Ablauf der Anhörung

Thomas Schattschneider kritisiert Ergebnis und Ablauf der Anhörung.

Von den Vertretern der Studierendenschaften wird jedoch nicht nur der Gesetzesentwurf, sondern auch die Zusammensetzung der zur Anhörung geladenen Mitglieder kritisiert. So wurden einem Schreiben der Landeskonferenz der Studierendenschaften zu Folge die Senate und Konzile der Hochschulen nicht berücksichtigt. “Der
Ausschuss verschloss sich somit einem differenzierten Bild aus den Hochschulen, was angesichts der vorgesehenen
Aufwertungen einzelner Teilkörperschaften und Funktionsträger sowie der nur noch optionalen
Vorhaltung einzelner Gremien ein fatales Signal gegenüber diesen Gremien ist”, schlussfolgern LKS-Vertreter.

Darüber hinaus seien lediglich “selektiv” jeweils zwei studentische Hochschulgruppen der beiden Universitätsstädte eingeladen worden, die nur “einen verschwindend geringen Bruchteil der Studierenden repräsentieren.” Die beiden geladenen Hochschulgruppen sind dem Schreiben zu Folge Teil der Nachwuchsorganisationen von zwei im Landtag vertretenen Parteien und somit keine Vertretung der Studierendenschaften als gesetzmäßiges Organ.

Martin Hackbarth, Vorsitzender der Juso-Hochschulgruppe weist diese Kritik derweil zurück. Schließlich seien Jusos und Linke.SDS eingeladen worden, um ihre Sicht zur Novelle des Landeshochschulgesetzes darstellen zu können. “Das neue Landeshochschulgesetz soll unter anderem die Forderungen des Bildungsstreiks, bei dem sowohl u.a. die Linke.SDS, als auch die Jusos aktiv waren, berücksichtigen.  Daher kann ich die Entscheidung, dass Hochschulgruppen eingeladen wurden nur begrüßen”, meint Hackbarth gegenüber dem webMoritz. Zudem könne nicht von einer selektiven Auswahl gesprochen werden, nur weil es andere Parteien “verpasst hätten”, ihre Jugendorganisationen im Meinungsbildungsprozess zu beteiligen. “Die Entscheidung möglichst viele Organisationen, Gruppen, Personen, Vereinigungen am Gesetzesprozess zu beteiligen kann aus demokratischer Sicht nur begrüßt werden”, erklärte der Juso-Hochschulgruppenvorsitzende abschließend.

Pressemitteilung der SPD zum Thema 70 Minuten vor Sitzungsschluss veröffentlicht

Die Landtagsfraktion der SPD publizierte etwa 70 Minuten vor Schluss der Anhörung eine entsprechende Pressemitteilung. LKS-Vertreter kritisierten dieses Vorgehen als “Höhepunkt demokratischer Unkultur”:

“Zu diesem Zeitpunkt waren zwölf der Anzuhörenden noch nicht zu Wort gekommen. Fragen an
die in dieser Gruppe Anzuhörenden waren ebenso noch nicht gestellt worden. Dass zu diesem Augenblick
bereits veröffentlicht wird, die „…fast 60 Sachverständigen bewerteten den Gesetzentwurf grundsätzlich
positiv“, ist nicht nur sachlich falsch, sondern Zeichen einer Missachtung der Anzuhörenden und schadet
dem bereits heute geringen Glauben an Folgen des Anhörungsverfahrens des Landtagsausschusses auf das
Gesetzgebungsverfahren.”

Ebenfalls kritisiert wird das scheinbare Desinteresse der Ausschussmitglieder an den mündlichen Statements der geladenen Gäste. Thomas Schattschneider zu Folge sollen zeitweise lediglich drei der zehn Mitglieder des Bildungsausschusses der Anhörung beigewohnt haben. “Auch schön, dass unser Landtagsabgeordneter gegangen ist, als die Greifswalder Studierendenvertreter mit ihren Redebeiträgen anfingen”, kommentierte Erik von Malottki, LKS-Vertreter und Präsident des Studierendenparlaments via Twitter das Verhalten im Anschluss der Anhörung sarkastisch.

Fotos: Gabriel Kords (Udo Michallik, Thomas Schattschneider), Pressematerial Uniklinikum (Uniklinikum), AStA (AStA-Logo), Kolossos via Wikipedia (Schweriner Schloss),