Der Greifswalder Politikstudent Alexander Köcher macht ein Praktikum in Mumbai, wo gestern Nacht einer der schwersten Terroranschläge Indiens stattgefunden hat.

Alexander war bis vor kurzem AStA Coreferent für politische Bildung. Wir konnten inzwi

schen per E-Mail und Skype Kontakt mit Alexander herstellen. Ihm geht es gut. In einem Interview beantwortet er einige Frage:

webMoritz: Hallo Alex, wo warst du gestern zur Zeit der Anschläge?
Alexander Köcher: Ich wohne in einem Suburb im Norden Mumbais. In der Nähe meiner Wohnung hat gestern in einem Restaurant der woechentliche deutsche Stammtisch stattgefunden. Von dort bin ich noch unwissend ca. 22:30 Uhr aufgebrochen und war eine weitere Stunde in einem Internetcafe.

webMoritz: Wie hast du davon mitbekommen?

Alexander Köcher: Plötzlich erhielt ich einen Anruf einer indischen Freundin, die mir sehr besorgt mitteilte was passiert war und mir dringend empfahl nach Hause zu gehen. Da das Internetcafe zu dieser Zeit gerade schloss, hatte ich keine Möglichkeit die Nachrichten zu lesen. Zu Hause angekommen rief mich eine besorgte Kollegin an und berichtete mir etwas ausführlicher über die Lage. Ich habe dann sofort meine Familie verständigt und sprichwörtlich ein Lebenszeichen nach Hause geschickt.

webMoritz: Welche Dimension haben die Anschläge? Wie schätzt Du die Schwere der Lage ein?
Alexander Köcher: Die Dimensionen der Anschlaege sind gewaltig. Mehr als 100 Tote und unzählige Verletzte sind ihnen bisher zum Opfer gefallen. Ausserdem ist die Lage noch immer nicht unter Kontrolle, im Hotel Oberoi dauert zur Stunde die Geiselnahme noch an. Vollkommen neu an diesen Anschlägen ist, dass sie nicht nur mit Bomben, sondern auch mit Schnellfeuergewehren begangen wurden. Ein deutscher Freund war zum Zeitpunkt des Geschehens im Cafe Leopold, einem beliebten Touristenrestaurant. Er berichtete mir am Telefon, dass er gerade mit einem Bekannten zu abend gegessen habe, als in dem Restaurant eine Handgranate explodierte und kurz darauf das Feuer auf die im Lokal befindlichen Gaeste eröffnet wurde. Er konnte sich durch einen Seitenausgang in Sicherheit bringen, hat aber leichte Verletzungen durch Granatsplitter erlitten.

webMoritz: Gegen wen

richteten sich die Anschläge?
Alexander Köcher: Die mutmassliche Terrorgruppe die die Anschläge verübt hat – Deccan Mudschahedin – ist bisher beinahe unbekannt. Medienberichten zufolge seien sie mit einem Schiff direkt aus Pakistan gekommen. Es wird auch berichtet, dass sie in den überfallenen Luxushotels geziehlt nach Engländern und Amerikanern ausschau gehalten haben sollen. Bei mehreren Medienanstalten seien zudem Emails eingegegangen, nachdem das Ziel der Anschläge sei, auf die Lage der in Indien unterdrückten Muslime hinzuweisen. Im Fokus steht vermutlich ebenfalls die Kaschmirfrage aber auch über eine Verbindung zu Al Quaida wird spekuliert.

webMoritz: Sind sie verbunden mit den Konflikten die du selbst gerade untersuchst?
Alexander Köcher: Die Unterdrückung der Muslime ist in der Tat nicht an den Haaren herbei gezogen. Gerade hier in Mumbai ist die Politik durch die chauvinistische Shiv Sena und die MNS gepraegt. Die Shiv Sena hat in der Vergangenheit bereits mehrfach Front gegen Muslime gemacht und auch die MNS stimmt in diesen Kanon mit ein. Beide Parteien folgen der sogenannten Hindutva-Ideologie, nach der Indien das Land der Hindus sei und jegliche Minderheiten keine Daseinsberechtigung hätten.

webMoritz: Hat sich die Athmosphäre in der Stadt verändert?
Alexander Köcher: Die Stadt ist heute gelähmt. Viele Menschen sind nicht zur Arbeit gefahren, die Strassen sind beängstigend leer. Der berühmt berüchtigte Mumbaier Verkehr war heute so dünn, das es beispiellos ist. Die Stimmung der Menschen auf den Strassen ist gedämpft, man unterhält sich leise und die Gesichter sind ernst. Ich war heute den Tag über bei einer Konferenz mit dem Thema “Urban Neoliberalism: Restructuring Southasian Citys” weiter im Norden. Die Konferenz startete heute Morgen mit einer Schweigeminute und während der Diskussion wurde immer wieder ein Bezug zu den aktuellen Ereignissen hergestellt.

webMoritz: Angeblich werden Evakuierungen vorbereitet. Wirst du das Land verlassen?
Alexander Köcher: Ich hab heute mit dem Konsulat hier in Mumbai telefoniert. Die haben gesagt, ich soll zu Hause, also hier in Mumbai, bleiben. Ich plane also keine Abreise.

Mehr zur Alexanders Aufenhalt in Mumbai erfahrt ihr hier seinem Gastbeitrag für den webMoritz oder auf seinem Blog.