Ulrich Adam (CDU) über sein Ja zu Studienbeiträgen und den Bau des Steinkohlekraftwerkes in Lubmin

Ein Mathematiker durchschaut die Bundespolitiker mithilfe der Logik. Zwischen den Sitzungswochen in der Hauptstadt lässt sich Ulrich Adam immer wieder auf den unterschiedlichsten Terminen in seinem Wahlkreis blicken und erfreut sich dabei auch gern an der regionalen Küche. Doch außerhalb der Wahlkampfzeit scheinen die wenigsten Positionen eines Direktkandidaten in die Öffentlichkeit zu gelangen. moritz versucht Abhilfe zu schaffen.

moritz: Sie sind seit 18 Jahren Abgeordneter für den Wahlkreis 16. Dem Wähler sind die genauen Tätigkeiten eines Mandatsträgers meist unbekannt. Haben Sie eine normale Arbeitswoche mit 40 Stunden?
Ulrich Adam: Die Tätigkeit als Abgeordneter war noch nie mit einem geregelten „nine to five job“ vereinbar. Die Menschen erwarten dass ich in dieser Zeit in einem meiner Büros jederzeit zu erreichen bin. Das habe ich über meine Mitarbeiter sichergestellt. In Berlin muss ich an den Sitzungen der Gremien, denen ich angehöre und dem Plenum des Bundestages teilnehmen. Hier beginnt mein Arbeitstag meistens gegen 07.30 Uhr und endet oft erst spät am Abend.

moritz: Die wenigsten Abgeordneten schaffen es mit Redebeiträgen im Reichstag in die Nachrichtenberichterstattung. Haben Sie deshalb so wenige Wortbeiträge in Ihren fünf Legislaturen abgegeben?
Adam: Die Redebeiträge werden unter anderem im Plenum des Bundestages geleistet, der in Berlin im Reichstagsgebäude tagt. Zwischen Bundestag und Reichstag besteht ein großer historischer Unterschied. Nachrichtenberichterstattungen sollten nicht als Fixpunkt für politisches Arbeiten dienen. Für mich zählen nicht die gesammelten Reden, sondern die Ergebnisse. Da die Arbeit in den Ausschüssen geleistet wird, melde ich mich lieber hier zu Wort. Hinzu kommt, dass für meine Themengebiete nicht so häufig Redezeit durch die Fraktion vergeben wird.

moritz: Bei der Bundestagswahl 2002 gewannen Sie das Direktmandat nur knapp gegen Dr. Tilo Braune von der SPD. Drei Jahre später schlugen Sie die sozialdemokratische Kontrahentin dann eindeutig. Welchen Tipp geben Sie der SPD für die Wahl 2009?
Adam: Die SPD ist eine eigenständige Partei und bestimmt nicht auf meine Tipps angewiesen. Wie die Wahl 2009 ausgeht, werden die Bürgerinnen und Bürger im Wahlkreis Demmin-Greifswald-Ostvorpommern dann entscheiden.

moritz: Gehen Sie im nächsten Jahr mit 59 Jahren in den politischen Ruhestand oder verteidigen Sie ein fünftes Mal Ihr Mandat?
Adam: Um den Generationenvertrag aufrecht zu erhalten, hat der Bundestag das Renteneintrittsalter für Ihre Generation auf 67 Lebensjahre angehoben. Von dieser schrittweisen Angleichung bin auch ich betroffen und sehe für mich daher keinen irgendwie gearteten Ruhestand im Alter von 59 Jahren. Bisher konnte ich den Wahlkreis immer als Direktkandidat im Bundestag vertreten und für dieses Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger bin ich sehr dankbar. Bis zur Bundestagswahl 2009 sind es noch eineinhalb Jahre. Die Gremien werden, ebenso wie die anderer Parteien, rechtzeitig die Kandidaten für die Bundestagswahl 2009 nominieren. Vielleicht macht der moritz dann ein Interview mit den Bundestagskandidaten?

moritz: Greifswald hat Ihnen eine eigene Briefmarke und die Ortsumgehung zu verdanken. Welcher Verdienste Ihrer bundespolitischen Tätigkeit dürfen Sie sich noch rühmen?
Adam: Spötter sagen immer „Das höchste, was ein Abgeordneter erreichen kann, ist eine Ortsumgehung.“ Als Abgeordneter eines Flächenwahlkreises bin ich für zahlreiche Projekte, nicht nur für die Ortsumgehung Greifswald, zuständig. Wie wichtig eine gute Infrastruktur ist, sieht man am Beispiel des Energiestandortes Lubmin, der meiner festen Überzeugung nach langfristig die Industrieansiedlungen im Greifswalder Raum befördern wird. Auch die A20 ist ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung der Region. Mit Sorge beobachte ich die Veränderungen im Bereich der Schiene. Hier halte ich das Angebot im Regionalverkehr seitens der Bahn für ausbaufähig.
Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass ein gutes Angebot den Verkehr von der Straße auf die Schienen bringen kann. Das liegt in unser aller ökologischem und ökonomischem Interesse.

moritz: Als Mitglied des Verteidigungsausschusses beschäftigen Sie sich mit der Sicherheit  Deutschlands und den Belangen der Bundeswehr. Können Sie damit im eigenen Wahlkreis punkten, wenn doch existentielle Nöte vor Ort die nationalen Sicherheitsinteressen permanent in den Schatten stellen?
Adam: Ich sehe die Sicherheitspolitik und die Interessen der Bürger als zwei Seiten einer Medaille. Ohne eine stabile globale Sicherheitslage sind auch die Arbeitsplätze in unserer Region gefährdet. Nehmen Sie nur den wirtschaftlichen Einbruch nach den Anschlägen vom 11. September oder den Attentaten auf die Verkehrssysteme in London und Madrid. Die Bürger erwarten, dass der Staat sie schützt und mit diesem Schutz geht auch eine positive wirtschaftliche Entwicklung einher. Daher denke ich, dass meine Verantwortungen als Sicherheitspolitiker auch in der Wahl vor Ort für meinen Erfolg entscheidend sind.

moritz: Sprechen wir noch mal über den Kontakt zu den Bürgern Ihres Wahlkreises. Es fällt auf, dass sie auf der Internetplattform kandidatenwatch.de/ abgeordnetenwatch.de vor der Wahl 2005 auf Fragen eingingen. Kaum sind Sie im Amt bestätigt, werden politisch Interessierte mit einer Standardantwort abgespeist. Verschließen Sie sich modernen Kommunikationsmitteln?
Adam: Ganz und gar nicht. Ich habe aber gemerkt, dass es bei Kandidatenwatch/Abgeordnetenwatch nur darum geht, sich der Öffentlichkeit ein weiteres Mal zu präsentieren. Die Fragesteller haben trotz versuchter Kontaktaufnahme nach der Wahl keinen weiteren Kontakt zu mir gesucht. Auch habe ich nach der Wahl die Zeit gefunden, Antworten auf die Frage „Was steckt hinter Abgeordnetenwatch/Kandidatenwatch“ zu suchen? Muss dieses Forum eine Monopolstellung genießen? Trotz prominenter Unterstützung bin ich der Meinung, dass es ausreicht, für den Bürger über die Büros im Bundestag und im Wahlkreis, über Homepage und per Mail ansprechbar zu sein.

moritz: Wie viele dieser Menschen, deren Fragen Sie nicht beantwortet haben, schreiben Ihnen dann tatsächlich einen Brief oder kommen zu Ihnen ins Büro?
Adam: Bisher habe ich drei Schreiben von Fragestellern bei Abgeordnetenwatch/Kandidatenwatch bekommen und auch umgehend beantwortet. Tatsächlich erreichen mich täglich Anrufe und Schreiben von Bürgern aus dem Wahlkreis mit ihren Anliegen. Das zeigt mir: Wenn die Bürger ein Begehren haben, wissen sie offensichtlich, wie sie ihre Abgeordneten erreichen – auch ohne die Moderation von Abgeordnetenwatch über das Internet.

moritz: Sie sind ein eindeutiger Befürworter des Baus eines Steinkohlekraftwerkes in Lubmin. Die Volksinitiative-Lubmin sammelt Unterschriften gegen diesen Plan. Was halten Sie als Parlamentarier von diesem direktdemokratischen Element?
Adam: Ich befürworte grundsätzlich jedes demokratische Engagement. Schlimm ist, wenn Leute zu Hause sitzen, mit der Politik nicht einverstanden sind und beim nächsten Mal nicht zur Wahl gehen. Ein Volksbegehren ist an eine hohe Mindestbeteiligung geknüpft. Wird die nötige Stimmenanzahl erreicht, wird sich der Landtag wieder mit dem Thema Lubmin befassen. Hierbei wird sicherlich auch das Anliegen der Unterzeichner und deren Argumente erneut Berücksichtigung finden. Allerdings kann der Landtag auch die positiv getroffene Entscheidung zur Ansiedlung des Kohlekraftwerks beibehalten.

moritz: Dabei herrscht auch in Ihrer eigenen Partei Uneinigkeit zum Dong Energy-Kraftwerk. Neben dem Europaparlamentarier Prof. Alfred Gomolka sieht auch der CDU-Kreisverband Rügen eine große Gefahr für den Tourismus und die Umwelt. Sorgen die ebenfalls am Energiestandort Lubmin geplanten Gaskraftwerke nicht für niedrigere CO2-Emissionen und machen die Kohleverbrennung obsolet?
Adam: Es wäre unnatürlich, wenn es in der CDU nicht auch Gegenstimmen zu Lubmin gäbe. Allerdings haben wir beim vergangenen Landesparteitag der CDU in Binz einen klaren Entscheid mit 97% der Stimmen für Lubmin gefällt (trotzdem bleibt der Rüganer CDU-Kreisverband bei seinem Nein, Anmerkung der Redaktion). Daher kann ich nicht von Uneinigkeit sprechen. Der Bau eines Gaskraftwerkes, den ich ebenfalls sehr begrüße, stellte darüber hinaus eine Ergänzung zum Kohlekraftwerk dar. Das Gaskraftwerk dient lediglich dem Auffangen von sogenannten Spitzenlasten. Es leistet keinen Beitrag zur Grundlast und dem täglichen durchschnittlichen Stromverbrauch. Wir sind daher auf dem Energiemix durch beide Kraftwerke angewiesen und auch bestrebt, beide Kraftwerkarten in Lubmin anzusiedeln. Die Bundesnetzagentur warnt gerade aktuell vor massiven Stromengpässen. Als Aufsichtsgremium für die Stromgesellschaften steht die Netzagentur nicht im Ruf für Energiekonzerne Lobbyismus zu betreiben.

moritz: Die Solon AG schuf in Greifswald 150 Arbeitsplätze, stellt Photovoltaikmodule her und beweist somit, dass regenerative Energiequellen auch in Ihrem Wahlkreis für Beschäftigung sorgen. Ist damit das Argument der Schaffung von Arbeitsplätzen nicht hinfällig?
Adam: Bei einer Arbeitslosenquote von annähernd 20 Prozent, kämpfe ich um jeden Arbeitsplatz in der Region. Natürlich freue ich mich, dass die Solon AG so erfolgreich ist. Bei der Energiediskussion und der erneuerbarer Energien wie der Photovoltaik, vergessen viele, dass wir auf eine ausreichende Grundsicherung angewiesen sind. Die Bundesregierung fördert nach wie vor die Solarenergie. Zugleich ist sie dem Bürger aber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die von ihm benötigte Energiemenge bereitsteht.

moritz: Sie halten den Fusionsforschungsreaktor Wendelstein 7-X für zukunftsfähig in Bezug auf die  Energiegewinnung und wichtig für den hiesigen Arbeitsmarkt. Der Bund der Steuerzahler kritisierte dagegen im „Schwarzbuch 2007“ die Steuerverschwendung aufgrund von Missmanagement und Überforderung am Max-Planck-Institut. Hat die parlamentarische Kontrolle nicht funktioniert?
Adam: Die Rüge kommt vom Bund der Steuerzahler, nicht vom Bundesrechnungshof. Der Bundesrechnungshof gilt bei der Kontrolle der Ausgaben als ebenso penibel, wie der Bund der Steuerzahler. Das Max-Planck-Institut wird die Kritik sicherlich berücksichtigen. Dies hat aber grundsätzlich nichts mit der Zukunftsfähigkeit von Energie, gewonnen durch „kalte Kernfusion“, zu tun. Kalte Kernenergie bedeutet: Kein strahlender Abfall. Sicherlich ist diese Art der Energiegewinnung noch ein sehr ambitioniertes Ziel, aber auch ambitionierte Ziele können irgendwann erreicht werden.

moritz: Wie wichtig ist die Greifswalder Hochschule für Ihren Wahlkreis?
Adam: Die Universität ist zunächst einmal ein wichtiger und beständiger Arbeitgeber in Greifswald. Wir blicken auf eine über 550-jährige Geschichte der Universität. Größen wie Otto von Bismarck und Ferdinand Sauerbruch haben hier Jahre ihres Studiums verbracht. Und ich hoffe, dass aus der heutigen Studentenschaft ähnliche Persönlichkeiten und Leistungsträger hervorgehen. Bildung ist die Hauptressource Deutschlands. Der Austausch zwischen Wirtschaft und Universität nimmt erfreulicherweise zu und sichert somit die Arbeitsplätze in und um Greifswald.

moritz: Ihr Wahlkreis besitzt eine große Fläche. Können Sie während eines Wahlkampfes auch in Demmin oder auf der Insel Usedom mit dem Leuchtturmcharakter des Universitätsstandortes Greifswald werben oder ist die Alma Mater für die dortigen Bürger zu weit weg?
Adam: Ganz im Gegenteil. Denn viele junge Studenten pendeln aus diesen Kreisen an die Uni. In Berlin und Brandenburg fahren die Studenten je nach Wohnlage an ihre jeweilige Universität auch oftmals bis zu einer Stunde. Die Universität ist ein Motor, der weit in die Region hinein wirkt. Firmen aus der Region profitieren von der Zusammenarbeit mit der Uni.

moritz: Viele Studenten können im Wahlkreis 16 nicht wählen, da sie sich nur mit ihrem Nebenwohnsitz in der Hansestadt anmeldeten. Sind angehende Akademiker daher als potentielle Wähler nicht so wichtig?
Adam: Für den Mathematiker in mir ist aus rein logischer und algebraischer Perspektive die Schnittmenge der beiden Aussagen dieser Fragestellung nicht erkennbar. Natürlich freue ich mich über jeden Studenten und Akademiker, der seinen Wohnsitz nach Greifswald verlegt, zumal die Stadt selbst ja auch hiervon Vorteile bei der Steuerzuweisung hat. Ich kann aber auch die jungen Menschen verstehen, die ihren Erstwohnsitz in ihrem Heimatort bei ihren Eltern behalten, weil sie sich dort verwurzelt fühlen und dort ihre Wahlentscheidungen treffen möchten. Wichtig ist mir als Direktkandidat ein breiter Rückhalt in der Wählerschaft.

moritz: Bildungsminister Henry Tesch (CDU) zeigte bisher keine Kompetenz in hochschulpolitischen Fragen. Würden Sie Ihrem Kollegen auch öffentlich entgegentreten, wenn es wieder zu Kürzungsdebatten an der Uni kommt?
Adam: Der Minister hat zunächst einmal Ruhe in die zerstrittenen Fronten zwischen der alten Landesregierung und den Hochschulen gebracht. Oftmals ist es effektiver ruhig und besonnen zu agieren. Mag sein, dass der Minister seine Akzente leise setzt, aber er setzt sie.
Nicht umsonst habe ich die Bildung als die Hauptressource Deutschlands bezeichnet. Daher gilt es, die universitären Standorte zu fördern, statt Sparmaßnahmen einzuleiten. Für alle steht aber außer Frage: An den Universitäten ist immer auch wirtschaftliches Handeln gefragt. Ich habe es beispielsweise extrem bedauert, dass der theologische Studiengang in Rostock unter Rot-Rot abgeschafft wurde. Das haben nicht mal die Kommunisten in 40 Jahren geschafft.

moritz: Der Greifswalder Rektor Prof. Rainer Westermann befürwortet genauso wie Sie die Einführung von Studienbeiträgen, denn die fehlenden Einnahmen seien ein Wettbewerbsnachteil für die Uni. Hindern Studienbeiträge nicht die finanziell Schwächeren ein Studium aufzunehmen und somit Deutschlands Studentenzahl an den OECD-Durchschnitt zu konvergieren?
Adam: Um den wirtschaftlichen Standard in Deutschland zu halten, brauchen wir tatsächlich mehr Hochschulabsolventen. Um dies zu fördern, wurden unter anderem die Studiengänge mittlerweile auf Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt. Wer Studiengebühren sagt, muss auch dazu sagen, dass diese bei den entsprechend bedürftigen über Stipendien und zinsgünstige Darlehen finanziert werden sollen, wie in vielen Ländern der Welt absolut üblich. Daher kann ich hier keine Gerechtigkeitslücke erkennen. Zumal die Studierendenschaft über ihre Vertretungen ja auch über die finanzielle Mittelverwendungen an den Universitäten wachen wird und Einfluss gewinnt.

moritz: Halten Sie es für möglich, dass Mecklenburg-Vorpommern langfristig nicht mehr auf den  Länderfinanzausgleich angewiesen ist und sich durch die Hochschulen zum Bayern des Nordens entwickeln wird?
Adam: Das wäre ein schöner Traum. Aber ich halte das für wenig realistisch. Bis „Fusionsreaktor und Fischerhemd“ das Schlagwort von „Laptop und Lederhosen“ abgelöst haben, ist es noch ein weiter Weg. Bis dahin orientiere ich mich gerne am Beispiel der Bayern. Schließlich zeigt dieses Land wie man erfolgreich einen Strukturwandel gestalten kann.

Geschrieben von Björn Buß und Maria Trixa