TITEL: Ganz einfach nebenbei

mm107_Greifswelt_26_Grafik2Ob Umweltschützer, Rettungsschwimmer oder Konsumkreislaufdurchbrecher, alles ist erlaubt, sobald es sich um das Thema Engagement dreht. Wie man dabei noch das Studium und seinen Freizeitaktivitäten meistern kann, zeigen drei hilfsbereite, junge Menschen aus Greifswald.

Vorlesungen, Seminare, Übungen, Tutorien, Lernen – Studieren kann sehr zeitintensiv sein. Wenn man dann mal Freizeit hat, versucht man sich dazu aufzuraffen, etwas Sport zu treiben, liegt auf der Couch rum und schaut ein bisschen Fern, liest ein Buch, fährt wieder in die Heimat oder geht feiern. Was für andere tun, sich engagieren, etwas auf die Beine stellen, da hat doch niemand Zeit für neben dem Studium. Oder doch? Tatsächlich gibt es eine Menge Möglichkeiten, sich neben dem Studium zu engagieren, und auch viele Studierende, die genau das tun. Eine von ihnen ist Nadja. Sie studiert Biodiversität und Ökologie und auch in ihrer Freizeit setzt sie sich als Mitglied der BUND-Jugend (Bund für Umwelt und Naturschutz) Greifswald für Umwelt- und Naturschutz ein. Angefangen hat ihr Engagement schon vor dem Studium, als sie ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolvierte, wie sie erzählt. Als sie dann vor vier Jahren nach Greifswald kam, schloss sie sich der damals neu gegründeten Ortsgruppe der BUND-Jugend an. Inzwischen hat die Gruppe sich etabliert, es seien nette Leute dabei und das Engagement mache einfach Spaß. Ob nun ein konsumkritischer Stadtrundgang, die Organisation des Ryckjump, die Pflege von Orchideenwiesen auf Rügen oder vegane Plätzchen backen zu Weihnachten, jede Aktion macht Sinn und Freude.

Ganz wichtig ist Nadja dabei, keinen moralischen Zeigefinger zu erheben: „Die Leute werden aufgeklärt, informiert, aber was sie dann aus dem Wissen machen, ist ihre Sache.“ Letztendlich geht es ihr nicht um Anerkennung oder ein gutes Gewissen, sondern einfach darum, aktiv zu sein für die Umwelt und dabei auch Spaß zu haben. Im Gegensatz zu einigen anderen Hobbies ist das Engagement in der BUND-Jugend sehr kostengünstig, es gibt Kostenerstattungen für vieles und eine BUND-Mitgliedschaft ist zumindest zu Beginn nicht notwendig, zählt Nadja auf. Auch der Zeitaufwand halte sich in Grenzen, je nach Lust und Laune könne man sich mehr oder weniger einbringen und beim Organisieren helfen. „Wenn du gerade Klausuren hast, oder eine Hausarbeit abgeben musst, verstehen das alle.“ Hinterher könne man sich ja wieder mehr einbringen und sowohl was für die Umwelt, als auch das eigene Organisationsgeschick tun.

Begleiten auf der Schatzsuchemm107_Greifswelt_26_Grafik1

Auch für Johanna ist wichtig, dass sie, wenn sie viel für die Uni zu tun hat, auch mal eine oder zwei Wochen frei nehmen kann von ihrem Engagement. Die Nachhaltigkeitsgeographin ist Mitglied in dem Verein, der den Umsonstladen in der Wolgaster Straße betreibt. Ihre wöchentliche „Arbeitszeit“ beträgt nur wenig mehr als drei Stunden, in denen sie im Laden hinter dem Tresen steht und die Besucher auf ihrer „Schatzsuche“ begleitet.

Von dem Moment an, als Johanna das erste Mal den Umsonstladen besucht hatte, war sie begeistert von dessen Konzept: Der Laden bietet die Möglichkeit alte, aber noch nutzbare Kleidungsstücke oder Haushaltsgegenstände abzugeben, statt sie wegzuwerfen, damit jemand anders sie einer weiteren Verwendung zuführen kann. Gerade für Studenten ist dies eine gute Möglichkeit, ein paar Teller für die WG-Küche zusammenzusammeln. Meist ist einiges los, und Johanna hat alle Hände voll, den Kunden bei der Suche zu helfen, neue Artikel entgegen zu nehmen oder einzusortieren. Dennoch macht es ihr viel Spaß, und auf die Frage, ob sie ihre Zeit nicht lieber für einen Nebenjob investieren würde, antwortet sie: „Man verdient in Greifswald eh ziemlich wenig in der Stunde, da kann man sich auch für eine gute Sache engagieren und muss nicht so viel Zeit reinstecken.“ Der Umsonstladen finanziert sich übrigens komplett durch Spenden. In dem Moment, in dem nicht mehr genug Spenden da wären, um die Miete zu zahlen, würde der Verein aufgelöst und der Laden geschlossen werden, erklärt Johanna. Es solle halt niemand Geld reinstecken müssen, das er oder sie nicht habe, sondern nur sich engagieren und mithelfen.

Engagieren und Mithelfen

Rund ums Helfen dreht sich auch alles bei Kai, der neben seinem Medizinstudium beim DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V.) Greifswald Referatsleiter ist. Ihm obliegt die Organisation der medizinischen Aus- und Weiterbildung der Mitglieder. Außerdem leitet er Einsätze bei Wassersportveranstaltungen und ähnlichem. Begonnen habe alles mit einem Rettungsschwimmerkurs daheim, erinnert sich Kai. Eins kam zum anderen, er wurde Mitglied im örtlichen DLRG und blieb auch nach dem Studienbeginn in Greifswald dabei, obwohl es teilweise schwierig ist, beides unter einen Hut zu kriegen. „Aber ich hab den Vorteil, dass mein Ehrenamt relativ Saisonal ist, also Hochwasser ist in der Regel im Frühjahr und die Marktsaison ist im Sommer. Und gerade in der Klinik, also im Medizinstudium, ist der Hauptteil im Wintersemester. Im Sommersemester ist es nicht ganz so zeitaufwendig“, fährt er fort.

Überhaupt scheint das Studium Segen und Fluch für den hiesigen DLRG zu sein. Auf der einen Seite sind viele junge, motivierte und auch teilweise schon gut ausgebildete Mitglieder dabei, während auf der anderen Seite eben diese Mitglieder meist nur relativ kurze Zeit in der Stadt sind und dann wieder wegziehen, weshalb es schwer ist, etwas Nachhaltiges aufzubauen. Die meisten Studenten wollen oder müssen nach dem Studium Greifswald leider verlassen.

Je nach Lust und Laune

Trotzdem empfiehlt Kai, allen Interessierten, einfach mal vorbei zu schauen. Neben der teils lebensrettenden Arbeit sei auch immer Zeit für einen Plausch, einen netten Kneipenabend oder Ausflug. Das Kais Engagement lebensrettend sein kann, steht außer Frage. So half er zum Beispiel in diesem Jahr beim Inselschwimmen in Schabrol dabei, einen relativ schwer verletzten Schwimmer zu versorgen.

Aber auch wenn ihr nicht Leben retten, die Umwelt schützen oder gegen die Wegwerfgesellschaft kämpfen wollt, gibt es eine Menge Möglichkeiten, sich in Greifswald zu engagieren. Der Weltladen sucht immer ehrenamtliche Mitarbeiter und der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V.) kann helfende Hände gebrauchen. Oder helft euren Nachbarn beim Umzug oder Einkauf, nehmt euch auf Spaziergängen einen kleinen Müllbeutel mit und sammelt ein bisschen Müll auf oder bringt einfach ein paar alte Klamotten, die ihr nicht mehr braucht, in den Umsonstladen oder die Altkleidersammlung. Engagement hat viele Gesichter und jedes hilft.

Ein Feature von Erik Lohmann

Der Umsonstladen wird wieder eröffnet

Der neue Umsonstladen

Der neue Umsonstladen

Großes Ereignis für einen kleinen Laden – nach drei Monaten der Ungewissheit öffnet der Umsonstladen am 1. April wieder seine Türen.

Als der Dachstuhl des bisherigen Ladengeschäftes in der Nähe der Europakreuzung am ersten Weihnachtsfeiertag des letzten Jahres unerwartet abbrannte, war dies ein herber Schlag für den Umsonstladen und seine Mitglieder. Die Räumlichkeiten blieben für Wochen gesperrt. Als sie endlich diese wieder betreten werden durften, waren die Waren unbrauchbar, das Haus in katastrophalem Zustand. Monatelang suchten die Mitglieder des Umsonstladen e.V. nach neuen Räumlichkeiten für ihr Projekt.

Erst vor Kurzem wurden sie fündig. Nach Aufrufen in Zeitungen, im Internet und sogar im Radio fand der Verein eine passende Ladenfläche – gleich bei Netto und Joey’s Pizza in der Wolgaster Straße 85. Das Geschäft ist heller und wirkt freundlicher als die bisherigen Räumlichkeiten, die Miete ist aber auch teurer. Aus diesem Grund ist der Verein, der ausschließlich von ehrenamtlichen Mitgliedern besteht, auf Spenden angewiesen. Neben Geldspenden für die Ladenmiete werden auch noch andere Artikel und besonders Regale für das Geschäft gesucht. Wer möchte, kann am Mittwoch von 15.00 bis 18.00 Uhr und am Donnerstag von 10.00 bis 12.00 Uhr noch Waren abgeben.

Die große Neueröffnung wird am Freitag, den 1. April, gefeiert. Ab 15.00 Uhr lädt der werden Gäste und Interessierte mit einem Sektempfang begrüßt und sind herzlich zum Stöbern eingeladen.

Das Prinzip des Umsonstladen

Im Umsonstladen wird keine Ware verkauft. Die Ware stammt aus Spenden der „Kunden“. Jeder kann nicht mehr benötigte Gegenstände, sofern sie funktionstüchtig sind, vorbeibringen und sie so anderen Kunden zur Verfügung stellen. Jeder Kunde darf pro Tag drei Gegenstände mitnehmen. Es wird nicht getauscht, Bringen und Holen sind kostenlos und unabhängig von einander. Lediglich um eine kleine Spende für die Ladenmiete von etwa 800 Euro wird gebeten.

Foto: Jakob Pallus

Wolgaster Straße: Dachstuhl steht in Flammen *Update*

Feuer im Dachstuhl des Umsonstladens.

Im Dachstuhl über dem Umsonstladen Greifswald und dem Tattoo- & Piercingstudio „All you Need is Crazy“ in der Wolgaster Straße 2 ist am Samstagabend ein Feuer ausgebrochen. Nach Informationen des webMoritz ist das Feuer im Obergeschoss des zweistöckigen Wohn- und Geschäftshauses ausgebrochen.

In dem Dachgeschoss befinden sich zwei Wohnungen. In einer der Wohnungen soll die Mutter des Umsonstladenbetreibers wohnen. Die 79-Jährige, in deren Wohnung laut Feuerwehr das Feuer ausgebrochen ist, wurde gerettet. Sie kam mit einem schweren inneren Rauchtrauma in eine Berliner Spezialklinik. Die beiden anderen männlichen Bewohner der Nachbarwohnung konnten ebenfalls gerettet werden.

Laut Ostsee-Zeitung sind die Wohnungen und die Geschäfte nicht mehr nutzbar. Tattoostudio-Besitzer Bedong und seine Freundin Nadja bedanken sich auf der Homepage des Ladens bei der Polizei und Feuerwehr für die schnelle Hilfe. Die Löscharbeiten der Freiwilligen Feuerwehr und der Berufsfeuerwehr Greifswald dauerten bis in die Mitternachtsstunden. Zur Schadenshöhe können noch keine Angaben gemacht werden. Die Brandursache ist ebenso noch unklar. Der Umsonstladens gehört seit 19. November 2004 zum Stadtbild Greifswalds.

Fotos: Torsten Heil (Handy-Kamera)

Anm. der Redaktion: Der Artikel wurde mit weiteren Informationen ergänzt und teilweise verändert.