Gedanken zum 8. Mai

Keitel beim unterzeichnen der Kapitulationsvereinbarung

Der 8. Mai 2010 ist nicht nur in Russland ein Tag zum Feiern. Wenngleich in anderen Staaten der Erde dieses Datum  bei Weitem nicht so pompös gefeiert wird wie alljährlich in Moskau, so ist es dennoch von entscheidender Bedeutung. Der 8. Mai 1945 gilt in der Geschichtsschreibung als der Tag der Kapitulation Hitlerdeutschlands und damit als Tag der Befreiung des Landes vom Nationalsozialismus. Anlässlich des 65-jährigen Jubiläums ist es angebracht, in den Frühling des Jahres 1945 in Greifswald zurückzublättern.

Flüchtlingsströme aus Ostpreußen und Hinterpommern

Im Januar 1945 trafen zahlreiche Trecks aus Ostpreußen in Greifswald ein. Die Stadt musste insgesamt 30.000 Flüchtlinge aufnehmen. Die Stadthalle wird zum Transitlager umfunktioniert, das Theater, die Marienkirche und einige Kasernen erfahren eine Umnutzung zu Materialdepots. Zum ersten Tag des Monats wurde Oberst Rudolf Petershagen zum Stadtkommandanten ernannt.

Die Idee der kampflosen Übergabe der Stadt

In Greifswald machte sich allmählich die Angst vor der völligen Zerstörung der Stadt breit. Aus diesem Grund stellten der Kurator der Ernst-Moritz-Arndt Universität, Dr. Kuhnert, und Professor Carl Engel, damaliger Rektor der Hochschule, bei der pommerschen Gauleitung den Antrag, Greifswald aufgrund der bis dato unbeschädigt gebliebenen medizinischen Versorgung zur internationalen Lazarettstadt zu erklären und somit vor der Zerstörung zu bewahren.  Diese Bestrebungen scheiterten. Aufgrund der Besetzung Stettins durch die Sowjetunion zogen der Gauleiter nach Ducherow und die militärischen Gau- und Provinzialstellen nach Greifswald um. Im April des Jahres 1945 sind 10.500 Verwundete und Kranke in den Krankenhäusern untergebracht, die nicht mehr abtransportiert werden können.

Petershagen und Bürgermeister unter Zeitdruck: Es ist fünf vor zwölf für Greifswald

Am 27. April kam ein Treffen zwischen Oberst Rudolf Petershagen, Oberst von Wurmbach, Greifswalds Bürgermeister und Chef der NSDAP-Kreisleitung Schmidt, und Professor Engel zustande. In dem Treffen wurde über das zukünftige militärische Vorgehen beraten. Petershagen erklärte, dass ein längerer Widerstand Greifswalds militärisch nicht mehr möglich sei, da sowohl Menschen als auch Waffen für ein solches Vorgehen fehlen würden. Lediglich die innere Linie, also die Greifswalder Innenstadt, könne verteidigt werden. Die Russen würden in einem solchen Fall lediglich einige Stunden aufgehalten werden können.

Am frühen Abend des 29. Aprils überschritt die Rote Armee die Peene und befand sich auf dem Vormarsch auf die Anklamer Chausee.

Rudolf Petershagen erließ daraufhin den Befehl, Vertreter Greifswalds zu den Sowjets zu entsenden, um vor den Toren der Stadt zu kapitulieren. Als Repräsentanten wurden Oberst von Wurmbach, Professor Engel und Oberststabsarzt Katsch entsendet. Gegen Mitternacht fuhren die drei aus der Stadt und trafen dort auf eine erschütternd geringe Zahl versprengter Soldaten, die in Richtung Greifswald vor der heran rückenden Roten Armee flohen. Kurze Zeit später traf das Greifswalder Rettungskommando auf die Rote Armee und hisste die Weiße Fahne.

Kapitulationsverhandlungen in “der feurigen Hölle von Anklam”

Anschließend fuhren sie nach Anklam, um die Kapitulationsverhandlungen zu führen und die kampflose Übergabe der Stadt rechtskräftig zu machen. In Anklam angekommen, sind die Kapitulierenden entsetzt über den Zustand der Stadt:

Vor diesen Zuständen, wie hier in Rostock 1945, wurde Greifswald bewahrt

“Ich habe sowohl im vergangenen, wie in diesem Kriege viel Schauriges und grausige Zerstörungen gesehen, doch nichts, was dem Inferno, der feurigen Hölle von Anklam vergleichbar gewesen wäre. Schon in der Vorstadt Peenedamm fuhren wir durch einen wahren Feuerorkan. Auf den Straßen lagen überall Trümmer, die von zerschossenen Häusern herunter gestürzt waren. (…) Das Stadtinnere von Anklam war ein einziges Flammenmeer. Glühender Funkenregen prasselte gleich Hagelschauern über unsere Wagen. (…) Kein Haus schien von der Feuersbrunst verschont zu sein.”

Engels Aufzeichnungen illustrieren besonders eindrucksvoll die verheerenden Folgen der Umsetzung der Befehle Hitlers.

Die Verhandlungen verliefen in Anklam reibungslos und es wurde sämtlichen Wünschen der Retter entsprochen.  Am 30. April erfolgte daraufhin die Übergabe der Stadt an die Rote Armee.

Angesichts des verhängnisvollen und brutalen zweiten Weltkrieges und angesichts der Verbrechen des Nationalsozialismus gilt an diesem 8. Mai daher denjenigen Dank und Würdigung, die sich für die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus und für eine Beendigung des Krieges einsetzten.

Quelle:

Tagebuch des Rektors der Greifswalder Universität Carl Engel, in: Buske, Norbert (Hrsg.): Die kampflose Übergabe der Stadt Greifswald im April 1945, Schwerin 1993.

Literatur:

Matthiesen, Helge: Greifswald in Vorpommern. Konservatives Millieu im Kaiserreich, in Demokratie und Diktatur 1900-1990, Düsseldorf 2000.

Fotos:

www.wikipedia.de (Keitel)

www.bild.bundesarchiv.de (Rostock 1945)

1.Mai Nazifrei! – Erlebnisbericht aus der Blockade in Rostock

Ein Erlebnisbericht von Christopher Denda

In den vergangenen Jahren war die Demonstration der örtlichen Rechtsextremen in MV zum ersten Mai nach Neubrandenburg verlagert worden. Vergangenes Wochenende sollte es erstmalig nach vier Jahren wieder einen Aufmarsch der Neonazis in Rostock geben. Von den Erfolgen der Blockade aus Dresden bestärkt wollten wir nun gleiches in Rostock versuchen.

Rostocker Parteien und Sozialministerin Manuela Schwesig feierten selbst in Evershagen ein Straßenfest gegen rechts. Die Route der Nazis sollte lediglich einen Kilometer daran vorbeigehen.

Die Sitzblockade auf der Brücke über die Stadtautobahn

Währenddessen versucht ein breites linkes Bündnis den Aufmarsch der Rechtsextremen zu verhindern. An deren Sammelpunkt, dem Marktplatz Lütten Klein, werden dann Punkt 9 Uhr wichtige Knotenpunkte besetzt. Es kommt zu insgesamt drei Sitzblockaden auf der Abfahrt Lütten Klein der Stadtautobahn, der Helsinkier und der Petersburger Straße.

Die Stimmung innerhalb der Sitzblockade ist sehr gelassen, auch wenn man noch nicht weiß, wie lange man dort verharren muss. Über den Köpfen kreist ein Polizeihubschrauber und die Demonstranten sind von Polizeieinsatzkräften eingekesselt. Aber es bleibt erst einmal alles friedlich.

Dann gegen 11 Uhr die erste gute Nachricht von der Demoleitung – es sind erst wenige Nazis in Lütten Klein eingetroffen. Eine Stunde später wird’s dann aber doch noch brenzlig – im wahrsten Sinne des Wortes –eine Wiese steht in Flammen und es kommt zu starker Rauchentwicklung. Dadurch werden auch die Einsatzkräfte der Polizei sichtlich nervöser.

Mittlerweile ist Udo Pastörs, der Fraktionsvorsitzende der NPD im Schweriner Landtag, mit etwa 600 Anhängern der rechten Szene in Lütten Klein versammelt – mehr als die Veranstalter geplant hatten.

NPD-Funktionär Udo Pastörs zieht mit Anhängern durch Rostock

Beamte schätzen, dass sich etwa 500 Leute in der Sitzblockade befinden – darunter auch Mitglieder des Landtags, wie Helmut Holter und Wolfgang Methling (Linke) sowie Reinhard Dankert (SPD).  Weitere linke Demonstranten, die zu der Blockade stoßen wollen, werden von Polizisten begleitet. Die Gruppe blockiert die Brücke über die Stadtautobahn. Der Demonstrationszug der Rechten sollt eigentlich genau hier entlanggehen. (mehr …)

Drei ernste Themen für den Mittwoch

Für alle jene die noch nicht wissen, wie sie ihren Mittwochabend verbringen wollen haben wir hier noch einige Vorschläge auf Lager. Greifswald hat an diesem Tag gleich mehrere viel versprechende Diskussionsveranstaltungen zu bieten. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) lädt zu einem Vortrag über den Rechtsextremismus in Osteuropa ein. Das Theater Vorpommern bietet eine Einführung in das zur Premiere anstehende Skandalstück “Zerbombt” an in der Katholische Studentengemeinde spricht André Stiefenhofer über das Christentum in der Islamischen Welt.

Ungarn-Korrespondent spricht über Rechtsextremismus

Vergangene Woche erzielte die rechtsextreme Partei “Jobbik” bei den ungarischen Parlamentswahlen ein Ergebnis von knapp 17 Prozent. Aus diesem Anlass lädt der Greifswalder AStA in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung Mecklenburg Vorpommern zu einem Diskussionsabend mit dem Thema “Rechtsextremismus auf dem Vormarsch in Osteuropa”. Referent ist der dpa-Sonderkorrespondent Gregor Mayer der den Urnengang in Ungarn analysieren und neben Hintergrundinformationen auch Einblicke in die Neonazi-Struktur Osteuropas liefern wird.

Die Veranstaltung beginnt 19:30 Uhr im Konferenzraum des Universitätshauptgebäudes in der Domstraße (Eingang 2).

Theaterskandal jetzt auch in Vorpommern

Bei seiner Uraufführung in London 1995 löste “Zerbombt” einen europaweiten Skandal aus. Das Stück der britische Dramaturgin Sarah Kane spielt in einem Hotelzimmer in Leeds während eines fiktiven Bürgerkriegs und handelt von extremen Misshandlung, Abhängigkeit und Demütigung unter den drei handelnden Personen. Die expliziten Darstellungen in Bild und Sprache führten zu einer breiten Diskussion in der Boulevardpresse genau wie in den Feuilletons renommierter Zeitungen. Die Bandbreite der Urteile reichte von Beschimpfungen als Perversität bis hin zu literarischen Auszeichnungen.

Die Inszenierung des Theaters Vorpommern wird am Donnerstag, dem 22. April in Greifswald Premier feiern. Regisseur Jan Böde stellt gemeinsam mit Dramaturgin Anja Nicolaus, dem Kostüm- und Bühnenbildner Dieter Böde und den Darstellern bei einer Premierenvorschau am Mittwoch, dem 14. April, um 18.00 Uhr im IKUWO in der Goethestraße 1 das Stück und sein Inszenierungskonzept vor.

Christenverfolgung in der Islamischen Welt

Mit dem Thema “Gewalt” beschäftigt sich auch  die Katholische Studentengemeinde (KSG) Greifswald an ihrem ersten Themenabend in diesem Semester. André Stiefenhofer, Mitarbeiter von “Kirche in Not”, berichtet über die Arbeit des päpstlichen Hilfswerkes gegen die in einigen islamischen Ländern stattfindenden religiösen Verfolgungen und die Arbeit der Kirchen in Ländern und Regionen mit geringem Anteil gläubiger Christen.

Der Vortrag beginnt um 20 Uhr in den Räumen der Studentengemeinde im Pfarrer-Wachsmann-Haus (Bahnhofstraße 15).

Bilder:

“Zerbombt” – Plakatmotiv Theater Vorpommern

Logos – AStA Greifswald bzw. KSG Greifswald

Foto Startseite – Jenny Them via jugendfotos.de

Die Blockade von Dresden – Innenansicht

Ein Gast-Erlebnisbericht von Stephan Schumann

Am 13. Februar kommen jedes Jahr unzählige Nazis nach Dresden. Sie benutzen die Vergangenheit um für ihre Parolen zu werben. Seit 1998 jedes Jahr dasselbe. Soweit, so bekannt. Doch dieses Mal war alles anders.

Die Stadt Dresden selber und die örtliche CDU und FDP beteiligten sich am Protest. Ok, nur durch eine Menschenkette, aber um die friedlichen “GehDenken” Demonstrationen der letzten Jahre haben selbige immer einen größeren Bogen gemacht.

Eine hohe Polizeipräsenz sollte Ausschreitungen verhindern.

Währenddessen versuchte ein breites linkes Bündnis den Aufmarsch der Rechtsextremen zu verhindern. An deren Sammelpunkt, dem Bahnhof Neustadt, wurden Punkt 9 Uhr wichtige Knotenpunkte besetzt. Der Versuch selbiges durch das Anmelden von Spontankundgebungen wenigsten etwas legaler zu machen fiel unterschiedlich erfolgreich aus. Auf dem Albertplatz wurde eine Kundgebung „Gegen das Demonstrationsverbot für Linke in der Neustadt“ genehmigt.  (mehr …)

Rechte Schmierereien in der Greifswalder Innenstadt

In der Nacht zum Donnerstag wurden in der Greifswalder Innenstadt rechtsextreme Schmierereien an verschiedenen Stellen angebracht. Auf einem großen Baustellenschild vor der neuen Stadthalle prangt seitdem der Spruch “Dresden das war Mord”, an einem Toilettenhäuschen vor der Mensa am Schießwall steht “Rache für Dresden”. Die Fassade des Internationalen Kultur- und Wohnprojekts wurde mit drei Hakenkreuzen beschmiert.

Der oder die Täter nehmen mit den beiden Sprüchen Bezug auf den 65. Jahrestag des alliierten Bombenangriffs auf die Stadt Dresden. Dort werden morgen mehr als 7000 Rechtsextreme zu einem Gedenkmarsch erwartet.

Das IKuWo war in den vergangenen Monaten mehrfach Ziel politisch motivierter Straftaten aus dem rechten Milieu. Ende Oktober waren mehrere Personen erwischt worden, als sie das Gebäude mit Flaschen bewarfen. Als die Täter flüchteten, nahmen fünf Teilnehmer der gerade im IKuWo laufenden Veranstaltung ihre Verfolgung auf und verständigten die Polizei. Dabei beobachteten sie, wie einer der Täter an der Kreuzung Gützkower Str./Bahnhofstraße einen Hitlergruß zeigte. Nach Angaben der Verfolger handelte es sich bei den Tätern um Mitglieder der Burschenschaft Rugia.

Erst vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass im Dezember eine tote Katze vor der Tür des Vereinshauses abgelegt worden war. Dem Tier hatte man einen Flyer der örtlichen Antifa an den Kopf genagelt.

In allen drei Fällen ermittelt die örtliche Polizei. Eine Vertreterin des IKuWo erklärte gegenüber dem webMoritz, man vermute, dass es sich bei allen drei Vorfällen um Täter aus dem Umfeld der besagten Burschenschaft handle. Diese sehe man auch als derzeitigen Rückzugsraum der Rechtsextremen vor Ort.

Einschüchtern lasse man sich durch die Angriffe und Drohungen der vergangenen Monate nicht. Der erneute Vorfall zeige jedoch, dass sich das Klima in Greifswald deutlich zuspitze. Es seien nun Stadt und auch die Universität gefragt, klare Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.

In einer vorherigen Version des Artikels war im vorletzten Absatz von “besagten Burschenschaften” die Rede. Dies war ein Tippfehler unsererseits, der möglicherweise zu Missverständnissen geführt hat. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Bilder: Carsten Schönebeck