„Dann müssen wir auf die Straße. Mit Ihnen.“

Die Psychologin Professor Hannelore Weber ist seit FebrWeberuar 2013 Rektorin unserer Universität. Mit moritz sprach sie über ihre Arbeit, finanzielle Probleme der Universität und Frauenförderung.

Ist Ihnen das Ausscheiden aus dem regulären Lehr und Forschungsbetrieb des Psychologischen Instituts schwergefallen?

Sehr schwer. Ich habe um die Entscheidung gerungen, ob ich mich zur Wahl als Rektorin stellen und damit mein altes, akademisches Leben hinter mir lassen sollte. Das waren wie zwei Seelen in meiner Brust. Ich bin mit großer Leidenschaft Hochschullehrerin gewesen. Momentan betreue ich noch Diplomarbeiten am Institut für Psychologie und habe meine Arbeitsgruppe dort. Es überfällt mich ein wenig Wehmut, wenn ich ab und an ins Institutsleben eintauche. Mal wieder die Zeit für Forschung haben, das wäre schon schön.

Was waren die ersten Herausforderungen in Ihrem Amt?

Wenn ich mich früher für Vorlesungen vorbereitet habe, dann habe ich mir Zeit genommen und auch nehmen können. Stundenlang. Nun bin ich mit einer Vielfalt von neuen Aufgaben konfrontiert, sowohl was die internen Vorgänge an der Universität betrifft als auch die vielen Außentermine, die sich aus der Zusammenarbeit mit der Politik, mit anderen Hochschulen und Institutionen ergeben. Die schiere Menge an Fragestellungen und Aufgaben lässt mir nicht mehr die Zeit wie früher, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen. Dieses v

eränderte Zeitmanagement ist eine neue Herausforderung für mich.

Wie sieht ihr Alltag als Rektorin aus?

Wenn ich Auszüge aus einem Arbeitstag durchgehe, wird das schnell deutlich. Nun ist es 11 Uhr. Gleich im Anschluss folgt ein Berufungsgespräch, wobei es darum geht, eine junge Kollegin für eine Professur an der Universität für den Bereich Gender Studies zu gewinnen. Danach fahre ich zur Universitätsmedizin zu einem Treffen mit Vertretern der Euroregion Pomerania. Dort geht es um grenzüberschreitende Projekte zwischen Polen, Schweden und Deutschland. Letzte Woche war ich in diesem Zusammenhang in Stettin und habe die Medizinische Universität besucht, die großes Interesse an einer Kooperation mit Greifswald hat. Später am Nachmittag steht die Suche nach privaten Förderern an, die wir gewinnen wollen, um möglichst viele Deutschlandstipendien für engagierte und begabte Studierende verteilen zu können. Im Anschluss werde ich im Institut für Psychologie an den Vorbereitungen einer Tagung mitarbeiten. Heute Abend treffe ich mich noch mit einer Gutachtergruppe des Verbundes der Norddeutschen Universitäten, die morgen die Universität besuchen wird und sich unser Qualitätsmanagement hinsichtlich der Lehre ansieht.

Eines Ihrer Forschungsgebiete umfasst die Regulation von Stress und Emotionen. Hilft Ihnen Ihr Fachwissen sich zu entspannen?

Es hilft schon. Allerdings ist es häufig so, dass man zwar die Theorie und relevante Forschungsergebnisse kennt, sie aber vergisst, wenn man mitten im Alltag gefangen ist. Dann fehlt bisweilen die Zeit, die nötige Distanz zu bekommen und sich zu sortieren. Wenn eine Anforderung sehr schnell auf die Nächste folgt, muss man lernen, diese Reflexionsphasen einzubauen, um dann wieder effizient und angemessen handeln zu können.

Der Nordkurier hat vor wenigen Tagen geschrieben, dass das Defizit der Universität im laufenden Haushaltsjahre 6, 8 Millionen Euro beträgt. Stimmt das?

Wir haben ein strukturelles Defizit. Wie groß das Defizit jedoch letztlich wird, hängt davon ab, inwieweit wir zusätzliche Kosten, zum Beispiel durch Tarifsteigerungen für Mitarbeiter oder steigende Energiepreise, v

om Land erstattet bekommen.

Welche Lösungsansätze sehen Sie, wenn das Land das Defizit nicht in voller Höhe ausgleicht?

Wenn das Land nicht ausgleicht, werden wir nicht umhin kommen, im Personalhaushalt zu sparen, indem wir beispielsweise freiwerdende Stellen nicht sofort neu besetzen können, sondern erst nach einigen Monaten. Die mangelnde finanzielle Ausstattung wird sich verschärft in den kommenden Jahren stellen. Wir hoffen, dass unser Bildungsminister in den Gesprächen zum Doppelhaushalt 2014/2015 möglichst viel bei der Finanzministerin für die Hochschulen herausholen kann. Wenn das nicht gelingt, werden wir uns überlegen müssen, wie wir die Öffentlichkeit auf die die drängenden Probleme der Universitäten aufmerksam machen. Dann müssen wir eventuell auch auf die Straße gehen. Mit Ihnen.

Werden Sie sich für eine weitere Erhöhung der Professorinnen-Quote an der Universität starkmachen?

Das ist für mich ein großes Anliegen, weil sich Greifswald im bundesdeutschen Vergleich hinsichtlich des Anteils von Hochschullehrerinnen an den Professuren deutlich unter dem Durchschnitt befindet. Deshalb haben wir uns auch entschieden, an dem „Professorinnen-Programm“ teilzunehmen. Dabei werden vom Bund zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, wenn eine

ausgeschriebene Professorenstelle durch eine Frau besetzt wird. Als eine Art Eintrittskarte für die Teilnahme an diesem Programm haben wir ein Gleichstellungskonzept eingereicht. Dieses wird momentan begutachtet.

Wie beurteilen Sie die aktuelle, politische Debatte um die Frauenquote?

In dieser Hinsicht habe ich, wie viele andere mir bekannte Frauen in Führungspositionen, meine Meinung geändert. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass wir das auch so schaffen und dafür nicht unbedingt eine Quote brauchen. Immerhin hat sich beispielsweise die Anzahl der promovierenden Frauen deutlich erhöht. Auf der anderen Seite finde ich den internationalen Vergleich alarmierend. In anderen Ländern sind bereits deutlich mehr Frauen in der Führungsebene vertreten als in Deutschland. Den Glauben, dass wir schon irgendwann dort ankommen werden, habe ich leider verloren. Deshalb denke ich schon, dass wir eine Frauenquote brauchen, vor allem in der Wirtschaft.

Aber trifft das auch für den universitären Bereich zu?

Bei Professuren macht Quote keinen Sinn, weil die Auswahl durch die Qualifikation bestimmt wird. Ich würde jedoch zumindest erwarten, dass sich nach dem sogenannten „Kaskadenmodell“ der Anteil an Frauen an den Professuren in dem Maße erhöht, wie sich auch der Anteil der Frauen mit der dazu nötigen Qualifikation erhöht, entweder durch eine Juniorprofessur oder eine Habilitation.

Wie wichtig ist für Sie eine familienfreundlichere Universität?

Eine familienfreundliche Universität ist ein wichtiger Faktor, dass sich Frauen und Männer für eine Karriere an der Universität entscheiden. Auch für einen Mann ist der Job reizvoller, wenn er in einer familienfreundlichen Umgebung arbeiten kann. Es ist ein wichtiger Standortfaktor, da andere Universitäten bei Berufungen mit ihrer Familienfreundlichkeit werben, zum Beispiel mit guter Kinderbetreuung oder Arbeitsplätzen für den Partner, mit Double-Career-Angeboten. Es gibt zahlreiche Universitäten, die viel Geld in solche Angebote stecken; hier schlägt einmal wieder unsere kritische finanzielle Situation zu Buche, sodass uns die Mittel, die wir eigentlich für solche Maßnahmen bräuchten, fehlen.

Was halten sie von einem Kinderraum für die Bibliothek?

Das Hauptgebäude - der Arbeitsplatz der Rektorin

Das Hauptgebäude – der Arbeitsplatz der Rektorin

Solche Kinderzimmer sind sicher eine sehr interessante Maßnahme.

Hat eine andere Universität in diesem Bereich Vorbildwirkung?

Es gibt Universitäten, die sind im Hinblick auf die Möglichkeiten einer familienfreundlichen Universität vorbildlich, beispielsweise in der Kinderbetreuung oder mit umfangreichen Familienserviceangeboten. Das ist häufig dort der Fall, wo Universitäten, zum Beispiel im Rahmen der Exzellenzinitiative, sehr viel Geld bekommen haben.

Denken Sie, dass Universitätskarrieren auf dem Weg zur Professur familienfreundlicher werden müssten?

Die Voraussetzungen für eine Universitätskarriere sind ein großes Problem im Hinblick auf Familienfreundlichkeit. Die Karriere verlangt hohe Mobilität, meist auch Auslandsaufenthalte. Das ist wissenschaftsfreundlich, da es im Rahmen einer globalisierten Forschung wichtig ist, mehrere Universitäten zu kennen, aber das ist nicht unbedingt familienfreundlich. Es ist ein Dilemma. Hier stehen sich zwei Forderungen gegenüber, und es ist sehr schwierig, dort eine Lösung zu finden.

Wie wichtig finden Sie das Landschaftsökologiestudium für die Universität?

Das ist ein absolut attraktiver Studiengang für die Universität Greifswald und wir tun alles, um diesen Studiengang zu fördern und zu erhalten.

Die Ausschreibung der Umweltphilosophie Professur ist aber zuletzt zweimal im Fakultätsrat gescheitert.

Die Stelle wird jetzt ausgeschrieben.

Die Universität Greifswald bietet noch Diplomstudiengänge an, obwohl es diese nicht mehr geben sollte. Wie wird es mit diesen Studiengängen weitergehen?

Das kann ich nicht beurteilen. Bis jetzt gibt es keine Anzeichen, hier irgendetwas zu ändern.

Also wird auch Psychologie weiter auf Diplom angeboten?

Nein, die Umstellung der Psychologie steht zum Wintersemester an. Wir werden den Diplomstudiengang auf einen Bachelor Studiengang mit acht Semestern Regelstudienzeit und einen zwei semestrigen Master umstellen.

Falls das Haushaltsdefizit in den nächsten Jahren weiter ansteigt und nicht durch das Land ausgeglichen wird, halten Sie dann Kürzungen nach dem Rasenmäher-Prinzip oder eine weitere Fokussierung der Universität für sinnvoller?

Wenn wir überleben wollen, dann können wir nicht nach dem Rasenmäher-Prinzip kürzen. Wir werden in einem Wettbewerb stehen, in dem wir funktionstüchtige einzelne Einheiten erhalten müssen. Das heißt, wir werden dann noch einmal in eine Strukturdiskussion einsteigen müssen.

Das heißt, es kann dann auch wieder zu Institutsschließungen kommen?

Wenn es Strukturdiskussionen geben muss, dann wird sich sicherlich noch einmal die Frage von Institutsschließungen stellen.

 Aus den Reihen der Geisteswissenschaftler kommen Klagen, dass es ihnen schlecht gehen würde. Muss die Situation der Geisteswissenschaftler verbessert werden?

Den Geisteswissenschaftlern geht es nicht schlechter als den anderen. Wenn man auf die Ebene der Institute runter geht, gibt es größere und kleinere Institute auch an anderen Fakultäten. Die Strukturen, die gegenwärtig existieren, sind finanziert, wenn auch mit den Einschränkungen, über die wir anfangs gesprochen haben. Wir bekommen jetzt generell Probleme, weil es Kostensteigerungen in bestimmten Bereichen gibt, die nicht aufgefangen werden.

Wenn man sich die Spitzenforschungsprojekte der DFG anschaut, sieht man da bundesweit zahlreiche Geisteswissenschaftliche Projekte. Die Greifswalder Geisteswissenschaften sind hier unterrepräsentiert, hier gibt es nur ein geisteswissenschaftliches Graduiertenkolleg.

Aber immerhin es gibt ein Graduiertenkolleg! Das ist die gute Nachricht und nicht selbstverständlich: Hochschulen wie die Freie Universität in Berlin, die für einzelne Fachgebiete wirklich große Institute haben, fällt es natürlich leichter, große Forschungsverbünde einzuwerben. Aber die DFG fördert auch kleinere Projektverbünde, wie Forschergruppen mit beispielsweise sechs oder sieben Wissenschaftlern, oder auch Forschungsvorhaben einzelner Wissenschaftler. Man kann also auch mit kleinen Strukturen erfolgreich sein.

In den Naturwissenschaften haben sich ja mehrere kleine Institute für größere Forschungsverbünde zusammengeschlossen.

Hier wurde auch die Zusammenarbeit mit anderen Universitäten stärker genutzt, beispielsweise wurden in der Physik Sonderforschungsbereiche mit Rostock oder Kiel eingeworben. Der verstärkte Zusammenschluss mit anderen Universitäten ist die andere Alternative, wenn man zu klein ist. Das ist auch ein Konzept für die Zukunft. Wir werden stärker darauf achten müssen, andere Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in gemeinsame Projekte mit einzubeziehen.

Professor Westermann sah als größten Misserfolg seiner Amtszeit, dass die Universität in der Exzellenzinitiative keinen Erfolg hatte. Für wie wichtig halten sie die Beteiligung der Universität Greifswald an eventuellen Nachfolgeprojekten?

Ich gehe davon aus, dass die Exzellenzinitiative in der bisherigen Form nicht weitergeführt wird. Sie hat einzelne Standorte begünstigt, die in der Lage sind sehr große Forschungsverbünde zusammenzustellen. Das können wir in Greifswald nicht leisten, da wir immer vergleichsweise klein bleiben werden, auch wenn wir alles zusammenlegen, was wir haben. Ich erwarte aber, Entwicklung, dass der Bund in anderer Form wieder in die Hochschulfinanzierung einsteigt, und hier müssen wir uns beteiligen. Ein Beispiel, das gerade im Gespräch ist, sind Bundesprofessuren, also Professoren, die vom Bund bezahlt werden. Dort können sich auch Universitäten mit kleineren Schwerpunkten bewerben.

Wie wichtig ist für Sie das Ziel einer umweltfreundlicheren Universität mit dem Ziel der CO2-Neutralität?

Da sind wir auf einem guten Weg, nicht nur mit den Initiativen der Kollegen aus der Landschaftsökologie, sondern auch mit Initiativen aus anderen Bereichen der Universität, vor allem auch aus der Verwaltung. Hier stelle ich mit großer Freude fest, dass auf allen Ebenen der Universität ein großes Engagement da ist, eine nachhaltige Bewirtschaftung zu schaffen. Wir werden das bei einem Umweltaktionstag im Juni vorstellen können.

Wie steht es um die Neueröffnung des C9?

Das Studentenwerk prüft im Moment das alte Heizhaus auf dem Gelände der alten Frauenklinik. Dabei hat sich aber herausgestellt, dass es aufgrund einer Havarie zumindest in Teilen schadstoffbelastet ist. Es wird jetzt mit einem Gutachten abgeschätzt, wie hoch der Sanierungsbedarf ist. Ansonsten halten wir das für einen guten Standort für den Club 9.

Wie wichtig sind die Studentenclubs für die Universität als weiche Standortfaktoren?

Alle studentischen Engagements in diesem Bereich sind wichtig, da wir eine kleine Stadt sind und kommerzielle Anbieter fehlen. Von daher sind die Studentenclubs für den Standort Greifswald enorm wichtig.

Der Hochschulsport hat trotz der jüngsten Investitionen noch mehrere marode Sportstätten. Was wollen sie tun, um die Situation des Hochschulsports zu verbessern?

Hochschulsport steht natürlich auf der Liste. Ich freue mich, dass ein Teil der zurückgezahlten Gebühren für Sportstätten ausgegeben wird, das ist sehr gut angelegtes Geld. Ansonsten ist es wie überall die Frage, wie viel Geld wir bekommen, um die lange Liste unserer Sanierungswünschen abzuarbeiten.

Wo sehen Sie die Universität in zehn Jahren?

In zehn Jahren sehe ich einen Wissenschaftsstandort Greifswald, in dem sich die Universität noch stärker mit den außeruniversitären Einrichtungen vernetzt. Ich sehe auch, dass wir das gewonnene Wissen aus der Universität noch stärker in Anwendung bringen müssen, das heißt noch mehr kleine Firmen ansiedeln, die das Wissen in die Wirtschaft bringen. Stärkere Vernetzung und Transfer sind meine Wünsche.

Wollen Sie auch für verstärkte Industrieinvestitionen an die Universität sorgen. Im Moment kommt ein Großteil der Drittmittel aus Projekten des Bundes.

Wir müssen stärker werden, was Mittel aus der EU-Wirtschaftsförderung angeht, da stehen wir im Vergleich zu der Universität Rostock recht bescheiden da. Aber auch durch Ausgründungen von Unternehmen müssen wir für mehr Investitionen sorgen.

Wie wollen Sie die Universität in ihrer ersten Amtszeit als Rektorin verändern?

Verändern? Wenn es zunächst um etwas geht, dann ist das Erhalten. Kein Rückbau, kein Abbau, Strukturen so erhalten, wie sie jetzt sind. Und zu dieser Erhaltungsstrategie gehört auch, dass wir starke Partner gewinnen: Außeruniversitäre Einrichtungen, Industrie und Vernetzung mit anderen Universitäten.

 Das Interview führten Florian Bonn und Friederike Haiser, das Portraitfoto schoss Florian Bonn.

TITEL – Wenn das Geld nicht reicht

TITEL – Wenn das Geld nicht reicht

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Die Universität Greifswald hat zurzeit ein Defizit von 7,8 Millionen Euro. Wie die Möglichkeit für eine Lösung aussehen, fasst moritz zusammen.

Was könnte die Universität mit 7,8 Millionen Euro für die Studenten machen?

Mit 7,8 Millionen Euro könnte jeder Student das neue Iphone 5 von der Uni gesponsert bekommen, 1,7 Jahre auf Kosten der Uni in der Mensa essen gehen oder elf Semester an der Universität Greifswald studieren ohne die Rückmeldegebühr zu bezahlen. Dieses Geld steht der Universität aber nicht zur Verfügung, sondern das Gegenteil ist der Fall: Die Universität Greifswald hat ein Haushaltsdefizit von fast 7,8 Millionen Euro zu bewältigen. Gründe dafür sind vielseitig. Auf der einen Seite sind die Steigerungen der Energie- und Personalkosten. Die Gewerkschaft ver.di erhöhte die Beitragskosten um ungefähr drei Prozent, das Land glich aber nur mit circa 1,5 Prozent des Etats an, wodurch ein Minus von 1,5 Prozent entstand. Im letzten Jahr kam es zusätzlich zu einer Überarbeitung der Richtlinien zur Eingruppierung von Mitarbeitern, die knapp 300 Mitarbeiter betrifft. Diese wurden in eine höhere Lohngruppe einsortiert. Auch die Energiepreise sind angewachsen. Zusätzlich muss die Universität durch die EEG-Umlage weitere 200 000 Euro zahlen. Auf der anderen Seite ist die Energierechnung aus dem letzten Jahr noch vorhanden. Diese wurde zu niedrig berechnet und somit muss die Universität nun Nachzahlungen tätigen.

Drei Lösungsmöglichkeiten

Wie können die Lösungsmöglichkeiten dafür aussehen? Bis jetzt wurden drei Lösungsansätze entwickelt, die jedoch auch kombiniert werden könnten. Die erste Variante wäre eine Förderung durch das Land Mecklenburg-Vorpommern (MV). Diese jedoch wäre schwierig umzusetzen, da das Land nicht nur die Greifswalder Geldsorgen beheben muss. Auch Rostock hat ein Defizit, das aber deutlich höher als das in Greifswald liegt. Dort muss ein Loch von 17 Millionen Euro gestopft werden. Aber auch die anderen Hochschulen im Land brauchen Hilfe. Ende März entscheidet das Finanzministerium nach Sondierungsgesprächen mit dem Bildungsministerium darüber, ob etwaige überschüssige Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden können. Gleichzeitig gibt das Finanzministerium eine Tendenz zu den unterschiedlichen Fördermöglichkeiten. Die endgültige Entscheidung trifft dann der Landtag in Schwerin.

Eine weitere Möglichkeit wäre die Förderung durch den Bund. Diese scheidet im Moment aus, da das vorhandene Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern dies unterbindet. Durch das Verbot darf der Bund sich in Bildungsfragen nicht einmischen. Wenn dieses durch eine Änderung des Grundgesetzes aufgehoben werden würde, müssten die Länder aber nicht nur mit der finanziellen, sondern auch mit der inhaltlichen Unterstützung rechnen. Der Bund hätte aber die Mittel, um die ausstehenden Summen zu begleichen.

Universität müsste Geld sparen

Die letzte Alternative wäre, dass die Universität selbst zahlt. Diese wäre die schmerzlichste, da die Summe im Haushalt 2014 eingespart werden müsste. Dabei wären Strukturanpassungen, wie Institutsschließungen und Personalabbau, unumgänglich. Gerade die finanziell schwächeren Institute könnte es bei dieser Lösung treffen. „Ich will jetzt nicht den Tod der Philosophischen Fakultät voraussagen, aber es könnte auf ein langsames Sterben hinauslaufen“, erklärt Erik von Malottki, Vorsitzende der Landskonferenz der Studierendenschaften (LKS).

Nun geht es darum, dass sich die drei Parteien – Bund, Land und Universitätsleitung – einigen. Doktor Wolfgang Flieger, der Kanzler der Universität, wollte erst mal keine Aussage bezüglich der Problemlösung machen. Ohne Druck solle das Bildungsministerium von MV eine Entscheidung treffen können. Dagegen äußerte sich Professor Hannlore Weber, Rektorin der Universität Greifswald, gegenüber moritzTV zu diesem Thema.  Sie erklärt, dass die Universität keine Schulden, sondern nur Mehrbedarf hätte. Dieser Mehrbedarf müsse im neuen Haushalt eingerechnet werden, damit die 7,8 Millionen Euro auch gezahlt werden können. Für die Bezahlung muss aber das Land diese Summe bereitstellen. Im Moment sei es kein großes Problem für die Studierendenschaft, da es bislang keine Institutsschließungen geben soll. Auch Mathias Brodkorb, Minister für Bildung in MV, möchte den Mehrbedarf der Universitäten decken. Er sieht es aber nicht nur als Problem der Universitäten und des Landes, sondern auch der Bund muss in der Finanzierung mit berücksichtigt werden. „Mit dem Hochschulpakt hat der Bund bereits deutlich gemacht, dass auf Dauer gar nichts anderes sinnvoll denkbar ist“, erklärt Brodkorb. Nicht nur der Bildungsminister, sondern auch die neue Bundesbildungsministerin Johanna Wanka spricht sich für eine Förderung durch den Bund aus. Hierfür hat der Bund den Ländern den Ländern einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Kooperationsverbots im Grundgesetz vorgelegt. „Die Länder müssen nur zustimmen“, so eine Sprecherin des Bildungsministeriums.

Mischmöglichkeit wäre beste Lösung

Die Beteiligten gehen aber davon aus, dass es nicht nur auf eine der drei Lösungen hinauslaufen wird. Eine Mischmöglichkeit wird es wohl eher werden. „Dass Bund und Land beide investieren, wäre für mich die beste Möglichkeit“, erklärt Erik. Bevor es jedoch zu dieser Möglichkeit kommen kann, muss das Kooperationsverbot mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundesrat und Bundestag gekippt werden. Es gibt bereits Bundesländer, die sich schon für die Abschaffung des Kooperationsverbots ausgesprochen haben, wie Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin und Brandenburg. Dem gegenüber stehen Bayern und Hessen, die gegen den Antrag zur Änderung des Grundgesetzes  gestimmt haben. Schon einmal wurde der Versuch unternommen, das Kooperationsverbot zu kippen. Damals brachte Annette Schavan den Antrag im Bundesrat ein. Am 21. September 2012 wurde dieser Entwurf vom Bundesrat abgelehnt. Grund für diese Ablehnung war, dass der Antrag nur eine Förderung der Hochschulen mit überregionaler Bedeutung unterstützen sollte. Die anderen Parteien, beispielsweise die Grünen, sehen aber auch eine Förderung des Schulwesens als nötig an.

Das Finanzproblem wird sich weiter verschärfen, wenn 2017 die Exzellenz-initiative ausläuft. Durch diese Initiative werden herausragende Forschungen an den deutschen Universitäten von Bund und Ländern gefördert. Das Ziel dieser Förderung ist es, im internationalen Vergleich besser abzuschneiden. Von 2006 bis 2017 stehen insgesamt 4,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Gerade Projekte und Universitäten, die die Forschung als Schwerpunkt haben, werden durch die finanzielle Förderung gestärkt. Universitäten, die sich dagegen eher um die Lehre kümmern, werden benachteiligt.

Exzellenzinitiative läuft 2017 aus

Gerade wegen des Auslaufens der Exzellenzinitiative bilden sich Interessenvereinigungen der Universitäten. Allen voran die „German U15“, die sich für die Abschaffung des Kooperationsverbots ausspricht, um nach 2017 weiter Förderungen zu erhalten. Die Idee einer Universitätsvereinigung ist nicht neu. Musterbeispiele bilden dabei Frankreich mit den „grandes écoles“ und die „Russell-Group“ in Großbritannien. Doch auch in Deutschland gibt es schon Vorbilder, so zum Beispiel die „TU9“, die neun Technischen Universitäten mit großer Einflussmacht und Tradition, oder die „UAS7“, ein Zusammenschluss von sieben deutschen Hochschulen zur Förderung ihrer Lehr- und Forschungsaktivitäten.

Um den Druck seitens der Studierenden auf die Bildungsminister zu verschärfen, hat sie die LKS entschieden, einen Termin Anfang April mit dem Bildungsminister von MV zu organisieren, um auf die Forderung nach einer Ausfinanzierung der Hochschulen hinzuweisen. Wenn die Verhandlungen zwischen dem Finanzminister und dem Bildungsminister keinen Erfolg zeigen, plant die LKS mehrere gemeinsame Aktionen der Studierendenschaften des Landes und eine bundesweite Kampagne gegen die Unterfinanzierung des Bildungssystems, um eine höhere Geldsummen für Bildung zu erhalten.

Wenn es zur keiner Einigung zwischen der Universität, dem Land und dem Bund kommt, muss die Universität dieses Geld im Haushalt 2014 einsparen und bekommt keine Unterstützung. Dies könnte zur Folge haben, dass Greifswald weniger Studiengänge in den Folgesemestern haben wird. Da kann man nur hoffen, dass sich die Beteiligten einig werden.

KOMMENTAR: von Anne Sammler

Unsere Universität liegt in einem Bundesland mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten und der Bund verteilt sein Geld lieber an elitäre Universitäten, die Deutschland international vertreten sollen. Im Jahr 2017 läuft ein Sonderprogramm des Bundes aus: die Exzellenzinitiative. Doch um sicherzugehen, dass der Geldstrom nicht versiegt, schließen sich die begünstigten Universitäten schon jetzt zu Vereinen zusammen, die sicherstellen, dass sie auch weiterhin bevorzugt werden. „German U15“, „TU9“ und „UAS7“: Das sind die Vereine der unterschiedlichen deutschen Hochschulen. Wer sich die Mitglieder ansieht, wird feststellen, dass die Universität Greifswald auf keiner dieser Listen vertreten ist.

Wie soll es also in Zukunft mit den kleineren Hochschulen Deutschlands weitergehen? Gerade die ärmeren Bundesländer kämpfen für den Erhalt eines präsentierbaren Bildungssystems. Da stellt sich also die Frage, warum der Bund nicht eingreift, wenn er sieht, dass Geld benötigt wird und die Universitäten keinen passablen Standard mehr gewährleisten können. Gerade jetzt kommt diese Debatte wieder auf den Tisch. Nicht nur die Universität Greifswald steht vor großen finanziellen Problemen, da könnte der Bund doch mit ein paar Millionen aushelfen. Aber das verbietet das Kooperationsverbot. Dagegen wird gekämpft. Doch da wir im Sommer Bundestagswahlen haben, möchte sich niemand festlegen und das lieber die kommende Legislatur entscheiden lassen. Man möchte sich auch bei den Wählern nicht unbeliebt machen. Studenten machen ja nur vier Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung aus.

Das Geld wird aber jetzt gebraucht. Die Politiker wehren sich dagegen. Für diese Änderung muss man die Grundstatuten unseres Staates angreifen: das Grundgesetz. Die Tradition der föderalen Bildungspolitik besteht schon seit 1871 und diese wurde nur zu Zeiten des Dritten Reiches und der DDR missachtet. Doch wäre es nicht besser, wenn alle Menschen in Deutschland dieselbe Grundbildung genießen könnten? Und auch die weiterführende Bildung sollte einigermaßen gleich sein. Die Politiker können die Qualität der Bildung nicht davon abhängig machen, wie reich das Bundesland ist. Das bedeutet den intellektuellen Tod für die ärmeren Bundesländer. Mecklenburg-Vorpommern ist schon ein gutes Beispiel dafür. Heißt es nicht immer: „Die Jugend ist die Zukunft“? Warum investieren die Politiker dann nicht in ihre Zukunft?

Die Länder wehren sich gegen diese Änderung, da der Bund bei Gesetzesänderung nicht nur den prallen Geldbeutel zücken, sondern auch inhaltlich mitreden wollen würde. Wozu haben wir denn eine Frau Wanka, wenn diese auch nicht eingreifen kann? Fakt ist, wir brauchen Geld. Wenn das nicht irgendwer aus dem Hut zaubert, dann muss die Universität selbst bluten. Wie das aussehen wird, bleibt abzuwarten, aber klar sollte jedem sein, dass 7,8 Millionen Euro nicht an weniger Schokopudding in der Mensa gespart werden. Dafür müssen strukturelle Kürzungen her, die ganz besonders die Philosophische Fakultät betreffen werden. Das würde auch eine Kürzung der Vielfältigkeit Greifswalds bedeuten.

 

Hintergrundinfo: German U15

Im Oktober 2012 haben sich 15 große forschungsorientierte und medizinführende Universitäten aus Deutschland zur „German U15“ vereinigt, um zusammen ihre Forderungen der Politik, Wissenschaft und Gesellschaft besser verständlich zu machen.

Vorsitzender des in Berlin eingetragenen Vereins ist der Rektor der Universität Heidelberg, Professor Bernhard Eitel. Sein Stellvertreter ist Professor Peter-André Alt, Rektor der Freien Universität (FU) Berlin.

Der Hauptschwerpunkt ist die Finanzierung der Universitäten, von denen 13 Gewinner der Exzellenzinitiative sind, die 2017 ausläuft. Die Politik soll das Kooperationsverbot noch in dieser Legislaturperiode abschaffen, sodass Bund und Länder dauerhaft Forschung und Lehre unterstützen können. Forschung und Lehre sollen weiterhin auch eine „untrennbare Einheit“ bilden, so die offizielle Internetpräsenz der „German U15“. Die Begründung für die Forderung nach mehr Geld ist der Wunsch, der Weltspitze anzugehören. Außerdem sehen sich die Universitäten den immer stärker ansteigenden Studentenzahlen nicht mehr gewachsen.

Weitere Schwerpunkte sind die Förderung der Spitzenforschung, die verstärkte Zusammenarbeit mit außeruniversitären Einrichtungen zur Nachwuchsförderung, die Steigerung der Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Deutschland international und national, die Verbesserung der Karrierechancen für Absolventen und die Bewahrung der Autonomie der Universitäten.

Kritiker wie der Eliteforscher Michael Hartmann führen an, dass Universitäten mit „überproportional verfügbaren Finanzmitteln aus staatlichen und privatwirtschaftlichen Quellen“ noch mehr Geld auf sich vereinen wollen und dabei aber der immer größer werdenden Studentenanfängerquote entgegenwirken, indem sie „irgendwelche Barrieren hochziehen und über die Gefährdung der Qualität von Lehre und Forschung lamentieren.“ Wenn die „German U15“ ihre Ziele erreiche, dann wäre das Resultat: „Nicht mehr Qualität für alle, sondern mehr Geld für die Spitze – eben noch mehr Elite.“

Die 15 Mitglieder sind die FU Berlin, die Humboldt-Universität Berlin, die Universitäten Bonn, Frankfurt/Main, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Heidelberg, Köln, Leipzig, Mainz, Münster, Tübingen und Würzburg sowie die Ludwig-Maximilians-Universität München.

Ein Feature von Anne Sammler & Corinna Schlun; mit Grafik von Daniel Focke

POLITmoritz Folge 2

Um euch in den gegenwärtigen Semesterferien hochschulpolitisch wieder auf den neusten Stand zu bringen, kommt hier nun die 2. Folge unserer neuen Reihe POLITmoritz.

In dieser Ausgabe gibt es endlich das lang versprochene Interview mit der neuen Rektorin Hannelore Weber zu sehen.

Außerdem waren wir tierisch mit dem neuen AStA- Vorsitzenden Nicolas Wartenberg unterwegs, um herauszufinden, wie seine künftige Amtszeit aussehen wird.