von Oleg Maximov | 22.07.2011
Oleg Maximov (24) studiert in Greifswald Kunstgeschichte und Wirtschaft auf B.A. Er arbeitet seit 2008 vor und hinter der Kamera bei MoritzTV. Nebenbei interessiert er sich für jegliche (pop-)kulturelle Bereiche und das Feiern.
Ein Typ kotzt direkt vor der 30 Meter langen Menschenansammlung an die Wand. Alle Leute gröhlen, klatschen und rufen Beifall. Ich stehe seit 30 Minuten irgendwo in der Mitte, halbzerquetscht und gut angeheitert. Wie es der Zufall so will, wurden alle meine Begleiter nach vorne gedrückt. Die Fremden vor mir kennen die Leute, die gerade erst angekommen sind. Diese drängeln sich zu ihnen. Schieben mich immer weiter weg von meinen Freunden. Andere schlängeln sich seitlich in den Eingangsbereich und versuchen es mit der Busfahrertaktik. Da es keine Trennlinie gibt, mutiert die Schlange, breitet sich aus. Ein lebendiger sich windender Organismus: Einlassstopp vor dem Mensa Club.
Sonst findet man solche Riesenschlangen nur in Großstädten, vor exklusiven Clubs mit Live-Konzerten. In Greifswald gibt es nicht so viele Ausgehmöglichkeiten und irgendwie zieht es einen immer wieder hier hin. Genauso so wie manche einmal im Jahr Lakritze fressen, nur um festzustellen, dass es ihnen immer noch scheiße schmeckt.
In der Menschentraube rührt sich was. Die Türsteher lassen wieder welche durch. Es sieht aus wie eine Entbindung. Ein kleines Häufchen Elend presst sich durch den winzigen Eingang, um auf der anderen Seite nüchtern wiedergeboren zu werden. Nach langem Rumstehen fühlen sich die Meisten jedenfalls so. Und wie ein Baby schreit jeder erst einmal Tequila! Oder Wodka! Oder lieber Jägermeister?
Ich stehe immer noch im menschlichen Uterus. Alle meine Freunde sind auf der anderen Seite des Zauns. Ich werde ungeduldig und überlege, was ich jetzt alles verpasse. Ein Tanzfläche voll von zwei Mal zwei Meter großen Schränken, mit Bauchtaschen an der Hose. Böse Blicke, Angeremple und überschwappende Drinks, die natürlich immer auf einem selbst landen.
Wollen wir noch einen Pfeffi trinken?
Dazu der immer gleiche Partymix. Das ist keine normale Studentenparty, das ist die Atzocalypse! Das Testosteron lässt die Luft flimmern, man will nur noch raus und eine Zigarette rauchen. Draußen gibt es schon Zwist zwischen verschiedenen Cliquen, so dass der Türsteher mal wieder eingreifen muss. Auf den Rückweg, wenn der Club dicht macht, torkeln große Männer umher. Der Mondschein hüllt sie in ein fahles Licht. Sie suchen nach einer Frau, einer offenen Kneipe oder einer Schlägerei.
Nachdem ich so darüber nachgedacht habe, gehe ich doch lieber zurück. Zu der gemütlichen Grillrunde, in der ich mich noch vor einer Stunde befand. Ich seufze, halte mir die Hand vor den Mund und imitiere Würggeräusche, während ich mir den Weg aus der Masse grabe. Dabei denke ich „Heute nicht!“ Doch ich weiß: Ich komme wieder.
Foto: Gabriel Kords (Porträt), Oleg Maximov (Pfeffi), Logo: Jakob Pallus
Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts „fünf x fünf – Die Kolumne“. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Mit dieser Kolumne sind die fünf Wochen und damit das Projekt (vorerst) vorbei.
von Oleg Maximov | 15.07.2011
Oleg Maximov (23) studiert in Greifswald Kunstgeschichte und Wirtschaft auf B.A. Er arbeitet seit 2008 vor und hinter der Kamera bei MoritzTV. Nebenbei interessiert er sich für jegliche (pop-)kulturelle Bereiche und das Feiern.
Was machen die meisten Studenten in ihrer Freizeit in einer so kleinen Stadt wie Greifswald gemeinsam? Außer Partys oder Kneipenbesuche. Filme gucken! Egal ob Kino oder im Wohnzimmer. Blockbuster oder Arthaus-Film. Ich bin für alles zu haben. Doch seit einiger Zeit kollidiert meine Vorstellung vom Filmschauen mit dem Rest der Welt.
Nehmen wir da das Kino. Ab und zu gibt es ja Filme, die unbedingt auf der großen Leinwand angesehen werden müssen. Vor ein paar Monaten war es „Black Swan“ von Darren Aronofsky. Eine gute Freundin und ich wollten diesen unbedingt sehen, Aronofski ist schließlich ein verdammtes Genie und es ist ein Wunder, dass hier in der pommerschen Provinz überhaupt solche Filme laufen.
Wir gingen an einem Werktag zur Spätvorstellung, um sicher vor Idioten zu sein. Doch uns erwarteten stereotypische Situationen, wie aus einem Lehrbuch. Direkt hinter uns saßen laut rülpsende und popcornraschelnde Vollhonks, die nur auf Natalie Portmans Lesben-Szene gespannt waren. Ich ignorierte sie. Die Kinobetreiber verkaufen Popcorn und daher muss man mit Geraschel rechnen. Irgendwann hat jeder Prolet den Wanst voll mit dem klebrigen Zeug und hört auf, es in sich hinein zu schaufeln.
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von Oleg Maximov | 08.07.2011
Oleg Maximov (23) studiert in Greifswald Kunstgeschichte und Wirtschaft auf B.A. Er arbeitet seit 2008 vor und hinter der Kamera bei MoritzTV. Nebenbei interessiert er sich für jegliche (pop-)kulturelle Bereiche und das Feiern.
Da meine letzte Kolumne so viel „positiven“ Anklang gefunden hat und sich einige Leute tierisch gegen die Eier getreten fühlen, nun der Rest der Story.
Ich habe ja erzählt, dass ich mich in meiner jetzigen Wohnung wohler fühle, als in der alten. Doch wieso habe ich dann ein Jahr lang in einem Verbindungshaus gelebt? Zwei meiner Freunde zogen schon vor mir in das Haus und empfahlen es mir. Außerdem ist es schön, wenn wenigstens zwei bekannte Gesichter mit einem in der ersten Bude außerhalb von Muttis Rockzipfel leben.
Nach vielen Partys, Fernsehabenden und anderen Dingen, die einem vom studieren abhalten, nahm ich das Band auf. Die Leute schienen nett und gut drauf zu sein. Ich dachte, dass die konservativen Strukturen in dieser Verbindung nur locker und vage im Hintergrund schwebten.
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von Oleg Maximov | 01.07.2011
Oleg Maximov (23) studiert in Greifswald Kunstgeschichte und Wirtschaft auf B.A. Er arbeitet seit 2008 vor und hinter der Kamera bei MoritzTV. Nebenbei interessiert er sich für jegliche (pop-)kulturelle Bereiche und das Feiern.
Heute habe ich meine Wohnung geputzt, damit ich guten Gewissens wegfahren kann. Mein Mitbewohner kann ganz schön grantig werden, wenn die Wohnung mal im Dreck versinkt. Dann denke ich jedoch daran, wie es in meinem ersten Jahr in Greifswald war und warum ich ausgezogen bin. Damals lebte ich noch auf einem Verbindungshaus. Ich war naiv und kannte keinen.
Es war das erste WG-Zimmer, was ich besuchte und sofort bekam. Nach und nach lernte ich jedoch mehr und mehr, dass meine liberal-naive Vorstellung von einer Verbindung überhaupt nicht zutraf. Und hier rede ich nicht von Konservativismus. Der ging mir nicht so auf die Nerven, wie das ständige stumpfe Betrinken und die ständigen Hausbesuche von anderen Verbindungen. Zugegeben, anfangs mochte ich das fröhliche Treiben und dass immer irgendwas auf dem Haus abging. Aber nach einen halben Jahr ist es ermüdend, immer wieder dasselbe zu machen. Immer im selben Kreis, am selben Ort. Halbverschlossen vor der Öffentlichkeit. Vor allem wenn die Gäste meist eine Horde Hardcore-Biertrinker sind. Ein Abend blieb mir besonders in Erinnerung. Als mehrere verschiedene Verbindungen auf unseren Haus Gäste waren. Einige von meinem Bund hatten ihre Fahnen gestohlen, die immer draußen vor jedem Verbindungshaus hängen. (mehr …)
von Oleg Maximov | 24.06.2011
Oleg Maximov (23) studiert in Greifswald Kunstgeschichte und Wirtschaft auf B.A. Er arbeitet seit 2008 vor und hinter der Kamera bei MoritzTV. Nebenbei interessiert er sich für jegliche (pop-)kulturelle Bereiche und das Feiern.
„Mama, was ist eigentlich Sperma?“, fragte das kleine Mädchen. Vor ihr war ein Glaskasten, in dem 18 Liter dieser Substanz in Glaszylindern ausgestellt waren. Ich stand daneben und fragte mich, was ich eigentlich in meinem desaströsen Zustand hier zu suchen hätte. Und dass ich mein Vergangenheits-Ich nicht mag.
Den Abend davor hatte ich Musik im Ravic aufgelegt. Es gibt dabei nicht viel zu beachten. Sie sollte nicht zu laut und nicht zu grenzwertig sein. Es sei denn, das Publikum will es so. Dem Publikum war es an diesem Abend scheißegal.
Neben mir an der Bar saßen „die drei Weisen“. Sie waren Spezialisten darin, einem auf den Sack zu gehen. Während „Weiser Nr. 1“ nach einem Song fragte, der irgendwas mit Ibiza hieße, grinste der „Weise Nr. 2“ hämisch in meine Richtung. Der Dritte saß die ganze Zeit nur grenzdebil strahlend daneben. Den Interpreten oder den Titel konnte mir „Nr.1“ natürlich nicht nennen. Stattdessen fuchtelte er mit seinem Smartphone vor meinem Gesicht herum, auf dem er per Google herausgefunden hatte, wie Ibiza richtig ausgesprochen wird: „Ibitsa“ nämlich und dass er hier auch sehen könne, wie es aussieht. Oha. (mehr …)