Sieben Bewerber für KoWi-Professur

Ein Beitrag von Marietta Beielstein

Im Rahmen der Besetzung einer W2-Professur für Kommunikation mit dem Schwerpunkt Organisationskommunikation am Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft, fanden am 22. und 23. Oktober 2010 im Hörsaal der Deutschen Philologie öffentliche Vorstellungsvorträge statt.

Zum Verfahren ist folgendes zu erläutern: Das entscheidende Organ bei der Wahl der zukünftigen Professur ist eine sogenannte Berufungskommission, bestehend aus verschiedenen Vertretern des Instituts für Politik- und Kommunikationswissenschaft, zwei Studierendenvertretern und einem Vertreter einer anderen Fakultät. Bevor diese aber ihr Urteil verkünden, wer die neue Professorenstelle übernehmen soll, muss die Stelle erst einmal ausgeschrieben werden.

Daraufhin folgen dann Bewerbungen der verschiedensten Personen, die an der Stelle interessiert sind. Aufgrund der im Hochschulgesetz vorgeschriebenen Anforderungen, werden alle Bewerbungen hinsichtlich dieser formalen Kriterien überprüft. Nur diejenigen Bewerbungen, die formal den Anforderungen entsprechen, gelangen in die engere Auswahl, bei der dann darauf geachtet wird, wie stark der Bewerber die Kriterien für die Kommunikationswissenschaft, insbesondere Organisationskommunikation erfüllt.

Vorstellungsvortrag als Bewerbungsgespräch

Noch wissen die Studenten der Kommunikationswissenschaft nicht, wessen Vorstellungsvortrag überzeugt hat.

Aus diesen Untersuchungen ergeben sich dann eine bestimmte Anzahl von Bewerbern, die gebeten werden, sich in einem Bewerbungsgespräch persönlich vorzustellen und einen Vortrag über ein von ihnen selbst gewähltes Thema zu halten. Jeder Vortrag soll dabei maximal 30 Minuten dauern. Danach folgen 20 Minuten, in der über die Inhalte des Vortrags Fragen gestellt werden können. Und weitere zehn Minuten, um Fragen der Studierendenschaft zu klären.

Danach setzt sich die Kommission in einem anderen Raum zusammen und berät über den Vortrag. Nachdem alle Bewerber angehört wurden, wird eine Liste, meistens aus drei Namen bestehend, erstellt, die die präferierten Kandidaten für die Stelle auflistet. Diese wird dann den verschiedenen Gremien, unter anderem dem Fakultätsrat und dem Rektorat präsentiert, wobei der Rektor als einzige Person die Macht besitzt, einen Ruf zu erteilen. Dabei ist zu beachten, dass nicht immer der Kandidat, der an erster Stelle steht, auch wirklich den Ruf annimmt.

W2-Professur unbefristet

Daraufhin würde dann versucht werden, die Person, die an zweiter Stelle steht, einzustellen. Allerdings ist das Berufungsverfahren ein längerer Prozess, der mehrere Monate andauern kann (da der Bewerber unter anderem verbeamtet werden müsse). Im Moment wird versucht die neue Stelle bis zum kommenden Sommersemester (2011) zu besetzen, aber aller spätestens bis zum Wintersemester 2011/2012. Mit dieser Besetzung wird auch die Absicht verfolgt, einen neuen Masterstudiengang für die Kommunikationswissenschaft einzuführen. Dementsprechend handelt es sich hierbei um einen Abschluss in Organisationskommunikation. Dies erfordert dann allerdings noch weitere organisatorische Maßnahmen, die erst in Angriff genommen werden können, wenn die W2-Professur vergeben ist.

Die Bezeichnung W2 hat dabei eine einfache Erklärung. Bei einer sogenannten W2-Professur handelt es sich um eine spezielle Gehaltsklasse, wobei es bei W1 (Juniorprofessur) beginnt und bei der höchsten Stufe (W3) endet. Im Gegensatz zu einer W1-Stelle, die auf sechs Jahre befristet vergeben wird, ist die W2-Stelle unbefristet und bietet die Aussicht auf eine W3-Stelle, allerdings an einer anderen Universität. Insgesamt waren es sieben Bewerber, die eingeladen worden sind.

Bewerber:

Professor Dr. Peter Szyszka (Universität Wien)
o „Was wir beobachten (sollten), wenn wir Organisationskommunikation und Public Relations kommunikationswissenschaftlich beobachten. Theoretische Annäherung und Forschungsbeispiele.“

Professor Dr. Stefan Wehmeier (FH Wien, Studiengänge der Wiener Wirtschaftskammer)
o „Paradoxien integrierter Kommunikation in der neuen Medienwelt.“

Dr. Simone Huck-Sandhu (Universität Hohenheim)
o Orientierung durch interne Kommunikation. Neue Perspektiven für die Organisationskommunikation.“

Dr. Jens Woelke (Universität Münster)
o „‘Wahrnehmung, Globalisierung, Erfolgsbewerbung‘. Methodische Herausforderungen für die Forschung zur Organisationskommunikation.“

Professor Dr. Lars Rademacher (Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation München)
o „Unternehmenskultur und Behavioral Branding. Organisationsdesign als der Problem der Organisationskommunikation.“

Professor Dr. Jochen Hoffmann (Universität Karlstad-Schweden)
o „Wenn das ‚Außen‘ zum ‚Innen‘ wird. Die gesellschaftliche Multireferenzialität von Organisationskommunikation.“

Professor Dr. Olaf Hoffjann (Mediadesign Hochschule Berlin)
o „Lüge – aber bitte vertrauenswürdig! Entwurf einer Theorie des Vertrauens in PR“

Die Vorträge fanden zwar bereits Ende Oktober statt, doch erst im kommenden Sommersemester wird klar sein, welcher der sieben Bewerber sich durchsetzen wird.

Foto: Ronald Schmidt

Mit wenigen Mitteln viel erreichen: Studentenverein S.T.E.P.S.

Ein Beitrag von Jessica Reimann

Ein kleiner unmöblierter Raum, Wände und Boden sind kahl. Und doch ist das ganze Haus mit Leben gefüllt. In der Ecke steht ein Mädchen an einer Tafel und zeigt nacheinander auf die Buchstaben des Alphabets. Außer ihr befinden sich noch circa 20 andere Kinder im Raum. Sie sitzen auf dem Boden und sprechen im Chor die Buchstabenlaute nach.

Bis vor ein paar Monaten gab es das alles noch nicht. Der Raum war leer und die Kinder arbeiteten, um ihre Familien zu unterstützen. Die Insel Sri Lanka im Indischen Ozean verbinden die meisten wohl zuerst mit weißen Sandstränden, exotischen Tänzerinnen, Buddhismus und Ayurveda.

Andere denken zuerst an die Flutkatastrophe zu Weihnachten 2004. Eine riesige Flutwelle forderte damals 35.000 Menschenleben und stürzte vor allem die Küstenregionen ins Chaos.

Vincen Francis mit einem Jungen aus Sri Lanka.

Vincen Francis Jesudasan verbrachte dort seine Kindheit und überlebte gemeinsam mit einer Familie aus Rostock,  die ihm später das Studium ermöglichte, den Tsunami. Seit 2005 ist er Student der Psychologie an der Universität Greifswald.

Er betont jedoch, dass nicht die Flutkatastrophe, sondern der jahrelang andauernde Bürgerkrieg zwischen den ethnischen Gruppierungen Singhalesen und Tamilen, das weitaus größere Problem der srilankischen Bevölkerung ist.

 

Bürgerkrieg ohne Krieger

Eine Gruppe von Menschen mit furchtverzerrten Gesichtern waten durch einen Fluss, dessen Wasser ihnen bis zur Brust reicht. Mütter tragen ihre Kinder auf den Schultern, um sie unbeschadet ans andere Ufer zu bringen. Sie sind auf der Flucht. An einem anderen Ort, nicht weit entfernt liegen Kinder, deren Wunden nur notdürftig verbunden sind, auf einer blauen Plastikplane. Ein Kind schreit vor Schmerzen. In dieser provisorischen Krankenstation zusammengedrängt warten sie auf Hilfe. Bis vor einem Jahr gehörten diese Bilder zum Alltag in Sri Lanka.

Seit über 30 Jahren herrschte dort Bürgerkrieg zwischen den Singhalesen und Tamilen. Während die Singhalesen mit 74 Prozent Bevölkerungsanteil die große Mehrheit darstellen, handelt es sich bei den Tamilen um eine Minderheit im Nordosten Sri Lankas.

Tamilische Separatisten forderten einen unabhängigen Staat, welcher jedoch von der Regierung strikt abgelehnt wurde. Der Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen ist vor allen auf kulturellen Unterschieden begründet.

Unterstützung von Bildungsvereinen, um die Verständigkeitsschwierigkeiten zu überbrücken.

Ein Hauptproblem besteht darin, dass die beiden Volksgruppen unterschiedliche Sprachen sprechen und es ihnen somit fast unmöglich ist, miteinander zu kommunizieren und ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. Als im Mai 2009 der Anführer der tamilischen Separatisten Velupillai Prabhakaran getötet wurde, erklärte der Präsident Sri Lankas Mahinda Rajapaksa den Bürgerkrieg offiziell für beendet. Die Verständigungsschwierigkeiten und Konflikte zwischen den Parteien wurden jedoch nicht gelöst.

Kinder sind der Schlüssel zu nachhaltigem Frieden

Doch genau das hat sich Vincen Francis Jesudasan zur Aufgabe gemacht. Er will einen kleinen Beitrag zum Frieden in seiner Heimat Sri Lanka leisten.

Anfang dieses Jahres folgte er dem Hilferuf seiner Schwester, die weiterhin die Lage im Land miterlebt, und machte sich auf den Weg nach Sri Lanka. Dort entschied er sich, einen ersten Schritt zu machen und hatte die Idee von einer Bildungseinrichtung für Kinder jeden Alters und jeder ethnischen Herkunft.

Freundschaften zu fördern ist nur ein Ziel des Vereins.

Ziel soll es sein, eine Begegnungsstätte zu etablieren, in der singhalesische Kinder mit tamilischen spielen, die Sprache des anderen lernen und Freundschaft schließen können.

Seine Gastfamilie und Freunde lieferten das nötige Startkapital dafür. „Wir wollen einen kleinen Beitrag leisten durch Bildung Frieden im Land zu ermöglichen. Wir legen besonderen Wert darauf, dass die Kinder, die wir unterrichten, die Sprache des anderen lernen“, sagt Vincen Francis mit Überzeugung.

Seine  Augen glänzen, als er von den bisherigen Erfolgen seines Hilfsprojektes in Sri Lanka erzählt: „In 17 Dörfern können wir bisher Förderunterricht anbieten. Von Montag bis Freitag für zwei Stunden am Nachmittag. 1167 Kinder sind es inzwischen.“

Der Psychologiestudent achtet darauf, dass sparsam mit den Spendengeldern umgegangen wird. So ließ er nicht neue Häuser bauen, sondern hat Menschen im Land gefunden, die ihre leer stehenden Häuser zur Verfügung stellen.

Unterrichtet werden die Schüler überwiegend von Frauen, die ihr Abitur oder Studium abgeschlossen haben und durch die  Arbeit im Projekt eine Alternative zur frühen Heirat haben. Über diese bezahlten Arbeitskräfte hinaus, konnte er weitere 50 ehrenamtliche Helfer in Sri Lanka von seiner Idee überzeugen.

S.T.E.P.S. of forgiveness

 

Zurück in Greifswald machte er sich daran, das Projekt auf solide Beine zu stellen. Gemeinsam mit der Medizinstudentin Dicnapiyance Gonsalvas, die selbst vor 25 Jahren mit ihren Eltern vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka geflohen war, und seiner Gastmutter, gründete er den Verein S.T.E.P.S. of forgiveness.

Der studentische Verein S.T.E.P.S.: links Vincen Francis, rechts im Bild Dicnapiyance.

„Wir wollten das Projekt von Deutschland aus am Leben erhalten“ begründet Dicnapiyance die Entstehung des Vereins. Der Name des Vereins steht für die vielen kleinen Schritte, die man gehen muss, um einander vergeben zu können.

Mittlerweile besteht der Verein aus acht Mitgliedern, die mit Ausnahme der Gastmutter alle Studenten der Universität Greifswald sind. „Wir sind ein junger Verein mit einer großen Vision und brauchen dringend Unterstützung“, betont die Medizinstudentin Dicnapiyance, „Wir versuchen gerade unsere Arbeit professionell und strukturiert aufzubauen.“

Das Projekt mit Geld- oder Sachspenden unterstützen

Materialien, die für den Unterricht benötigt werden.

Benötigt wird in erster Linie Geld. Wer die aktuelle Weihnachtsaktion „Eine Schultüte für 12 Euro“ unterstützen möchte, versorgt ein Kind in Sri Lanka für ein Tertial (Januar bis April) mit allen benötigten Schulmaterialien. Zum Start des nächsten Schuljahres soll ein Einschulungsfest stattfinden, an dem sich die Kinder kennen lernen können und ihnen ihre Schultüten überreicht werden.

Für 15 Euro kann außerdem eine Lehrkraft einen Monat lang bezahlt werden. Dafür werden dringend Paten gesucht, die über längere Zeit eine solche Stelle finanzieren wollen.

Aber auch ohne Geld kann geholfen werden: Gerne werden Sachspenden, wie alte Computer und Nähmaschinen, Drucker, Kopierer, Schultaschen und alles, was man im Unterricht gebrauchen kann, entgegengenommen. Vincen Francis Jesudasan möchte mit seiner Arbeit eine Botschaft in die Welt senden: „Wir müssen alle lernen dem anderen zu vergeben und jeder kann seinen Teil dazu beitragen.“

Fotos: Vincen Francis Jesudasan

Kontaktdaten:

www.steps-online.org
03834-412159 oder 0176-40258333
S.T.E.P.S. of forgiveness e.V.
Postfach 1131
17464 Greifswald

Spendenkonto:

S.T.E.P.S. of forgiveness e.V.
Konto: 100 150 705
BLZ: 150 50 500
Sparkasse Vorpommern

Rechtsextreme machen mit Parolen Jagd auf Erstis

von Luisa Pischtschan

Volle Hörsäle, volle Mensen, vollgesprühte Wände – Die rechtsextreme Szene Greifswalds scheint mit großflächigen Spray- und Klebeaktionen immer weiter mobil zu machen.

Der Treppenabsatz vor der Mensa mit der Parole.

Seit Beginn der Erstsemesterwoche sind in Greifswald auffällig viele Sprühereien aus dem rechtsextremen Spektrum zu beobachten. Mit Slogans wie „Komm in die Bewegung Ersti“ an öffentlichen Plätzen wird der Eindruck einer Mobilmachung innerhalb Greifswalds erweckt. Insbesondere an geläufigen Orten wie das Toilettenhäuschen neben der Mensa am Wall, das bereits zum zweiten Mal die Parole „NS-Hochschulgruppe!!“ trug, soll anscheinend eine Aufbruchstimmung in der Szene präsentiert werden. Auch die Treppen der großen Mensa wurden in großem Maße „pünktlich“ zur Begrüßung der neuen Studierenden in der Hansestadt beschädigt. Nachdem dort die Reinigung schon einmal erfolgte, wurden diese auch ein weiteres Mal besprüht. „Die Beschädigung der Mensa ist für uns eine Straftat, deswegen wurde auch sofort Strafanzeige gestellt“, erklärte am Mittwoch die Geschäftsführerin des Studentenwerks, Cornelia Wolf-Körnert, gegenüber dem webMoritz. Die Reinigung erfolge durch eine Fremdfirma, die vom Studentenwerk als „Betreiber des Hauses“ finanziert wird.

Schmierereien als „reine Provokation“

Auch der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) hat während der Vorbereitungen zur 24h-Vorlesung „demokratiefeindliche Sachbeschädigungen“ hinnehmen müssen, wie die AStA-Vorsitzende Daniela Gleich berichtet: „Das Banner der 24h-Vorlesung ist mit diversen Aufklebern beschädigt worden, welche sich nur schwer beziehungsweise gar nicht ohne weiteren Schaden entfernen lassen.“ Der AStA hoffe, dass die Polizei „gegen diese Aktionen“ vorgehe und „die Verantwortlichen zur Rechenschaft“ gezogen werden würden.

Für Günther Hoffmann, Experte für die Neonazi-Szene, sind die vermehrt auftretenden Parolen allerdings kein Indiz für einen steigenden Rechtsextremismus – die gehäuften Schmierereien stellten eine „reine Provokation“ dar. Dass die Sprühereien in letzter Zeit häufiger aufgetaucht sind, hänge auch mit den Erstsemestern zusammen. „Die Szene in Greifswald ist relativ klein“ und sie existiere mehr „für sich“, erklärt Hoffmann, der sich auch in der Anklamer Initiative „Bunt statt Braun“ engagiert. Und doch betont er: „Für mich sind diese Slogans ganz klar rechtsextremistisch.“

Gewalt keine strategische Komponente

Das verunreinigte WC-Häuschen

Bei der Stadt Greifswald ist der Schwerpunkt „rechtsextreme Schmierereien“ schon länger bekannt, wie die Präventionsbeauftragte Christine Dembski am Mittwoch dem webMoritz bestätigte. Um Sachbeschädigungen dieser Art zu melden, wurde eine „Grafitti-Hotline“ ins Leben gerufen: „Die Hotline wurde eingerichtet, weil eine hohe Belastung durch illegale Graffiti vorhanden ist“, erklärt Dembski. Eine getrennte Erfassung von extremistischen und nicht extremistischen Farbschmierereien erfolge allerdings nicht. Während eines Anrufs des webMoritz bei der Hotline ging  allerdings nur der Anrufbeantworter der – von der Stadt beauftragten – Firma ABS gGmbH ans andere Ende der Leitung, der nach dem Namen des Anrufers bzw. der Anruferin, der persönlichen Adresse als auch die genauen Ortsangabe der Sachbeschädigung fragte.

Auch das Studierenparlament (StuPa) positionierte sich in einer Stellungnahme deutlich gegen die rechtsextremen Taten. „Gerade im Hinblick auf unsere ausländischen Kommilitonen und dem Bemühen der Studierendenschaft, sich für Integration und Weltoffenheit einzusetzen, muss diese Entwicklung mit großer Sorge betrachtet werden“, schildert Erik von Malottki, Präsident des StuPas, dem webMoritz. Günther Hoffmann allerdings sieht keine direkte Gefahr bezüglich Gewaltausübung durch die hiesige Szene. „Gewalt wird hier nicht als strategische Kompenente zur Rate gezogen“, erklärt er. „Die Leute sind eher in ihrem internen Bereich, als dass sie in die Offensive gehen.“

Fotos: Luisa Pischtschan

Franz Müntefering in Anklam über Engagement, Niederlagen und Sarrazin

Ein Bericht von Martin Hackbarth

17.45 Uhr. Ein Zug passiert den Anklamer Hauptbahnhof. Einige wenige steigen aus, darunter auch ein älterer Herr im grauen Mantel und mit schwarzer Tasche. Er sieht sich um und lässt sich von einer kleinen Gruppe begrüßen, welche ihn zum Veranstaltungsort bringen soll. Es handelt sich bei ihm um Franz Müntefering, den ehemaligen Bundesvorsitzenden der SPD. Er ist wohl der bekannteste Politiker, der in den letzten Jahren in der Hansestadt an der Peene zu Besuch war. Grund seines Besuches war eine vom SPD Ortsverein organisierte Veranstaltung „Warum sich politisch engagieren?“ 50 Personen, welche nicht nur aus Anklam kamen, sondern auch aus näherer Umgebung, nahmen dies zum Anlass, um daran teilzunehmen. Für Müntefering selbst ist es eine recht kleine Veranstaltung, aber für Anklamer Verhältnisse hingegen ein Erfolg.

Demokratie lebt von der Mitgestaltung vieler

Franz Müntefering in Anklam. SPD-Mitglied und Theologiestudent Christopher Denda war auch dabei.

Die Veranstaltung begann: Müntefering referierte etwa eine halbe Stunde darüber, weshalb man sich politisch engagieren soll, warum er es damals tat und was er in seiner politischen Laufbahn erlebt hatte. Dabei war Müntefering weitestgehend neutral und riet zum allgemeinen politischen Engagement in demokratischen Parteien auf. „Es ist wichtig, dass sich Menschen politisch engagieren und sich für andere einsetzen“, sagte er. „Denn“, erläuterte der SPD-Politiker weiter, „eine Demokratie lebt von der Mitgestaltung vieler und nicht vom Diktieren einiger weniger.“

Man solle sich nicht von der politischen Arbeit abschrecken lassen und darf auch gerne mal anecken, denn „ wer zu 100 Prozent hinter einer Partei steht, ist nicht ganz dicht“, fuhr Müntefering fort. Darüber hinaus sollte man auch keine Angst vor dem Streiten innerhalb einer Partei, sowie mit anderen Parteien haben. Der 70-jährige Bundestagsabgeordnete erklärte: „In der Politik muss man sich streiten, aber danach noch ein Bier miteinander trinken können.“ Dies sei sehr wichtig, um Privates von Politik trennen zu können. Denen an Politik interessierten Anwesenden riet das SPD-Mitglied sich den Satz „Ein Sieg dauert seine Zeit, Niederlagen hingegen kommen viele“ einzuprägen.

Über die sozialen Sicherungssysteme

Dem Referat schloss sich eine etwa einstündige Debatte an. Während dieser wurde kurz über Thilo Sarrazin, Hartz IV, ehrenamtlichen Engagement und Bürgerinitiativen gesprochen. Zu Sarrazin selbst äußerte sich Müntefering nur dahingehend, dass er eine spätere Auflage des Buchs las und nun das unabhängige Schiedsgericht über die Zukunft entscheiden solle. Hartz IV wurde vor den anwesenden Bürgerinnen und Bürger verteidigt, aber unter dem Eingeständnis, dass sich einiges verbessern müsse. Er beobachtet auch mit Bedauern, wie sich die Politik derzeit verändert. Die sozialen Sicherungssysteme „dürfen wir uns von den FDP-isten nicht kaputt machen lassen“, so der ehemalige SPD-Vorsitzende zur aktuellen Lage. Zum ehrenamtlichen Engagement, Bürgerinitiativen und mehr Volksbefragungen auf Bundesebene äußerte sich Müntefering positiv. Er begrüßte, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich für andere einsetzen.

Foto: Stefan Damm

Greifswald 21: Zugeparkt und aufgehängt!

Eine Glosse von Matthias Stiel

Was dem Stuttgarter sein Durchgangsbahnhof, ist dem Greifswalder sein Fahrradkeller.

„Baubeginn: 27. September – Fahrradkeller wieder bezugsfähig: 01. Oktober.“

Der Fahrradkeller im Wohnheim Ernst-Thälmann-Ring

So war es angekündigt im Wohnheim Ernst-Thälmann-Ring, aber daraus wurde nichts. Erst heute wurden die hoffentlich letzten Arbeiten in den Fahrradkellern der Gewölbekeller abgeschlossen. Rechnet man die Wochenenden raus, macht das immer noch einen Zeitverzug von über 400 Prozent. Ob es auch mehr gekostet hat – wer weiß?

Acht Uhr Morgens, lautes Rumgeräume, Hämmern auf die Heizungsrohre, zwei Bohrlöcher, Frühstückspause, ´ne Stunde malern, Feierabend: Seit dem 27. September jeden Tag das gleiche Spiel. Als fauler Student schleppe ich mich dann brutal geweckt um halb neun Richtung Bibliothek. Dass ich erst um 10 Uhr meine sechs Stunden Tagespensum anfangen wollte, weil ich die Nacht davor bis um halb eins gearbeitet hab – geschenkt. Heute wird ein schöner Tag, nach der Bibo, zweiter Nebenjob. Immer mit dem Satz im Ohr „Um Acht fangen wir an, … `nen paar Studenten wecken, höhö“, von meiner Mitbewohnerin den Handwerkern abgelauscht, die gerade aus ihrem Wochenende gekommen waren. Wochenende? Lange nicht gehört das Wort, muss beim Lernen und Arbeiten irgendwie untergegangen sein.

Der Hit ist das Ergebnis der behördlich genehmigten Ruhestörung. Gut, für die räumlich miserablen Gegebenheiten kann keiner was, aber  welche weibliche Studentin unter 1,75m Körpergröße soll ihr Fahrrad an die Fleischerhaken wuchten, welcher männliche Student sein Zugeparktes auf Zehenspitzen über fünf andere balancieren? Lösungsvorschläge? Bin ich hier der Handwerksexperte!

Die von „Der Firma“, wie wir sie in unserer WG nennen, aber anscheinend ebenso wenig. Wer einmal auf dem Bau gearbeitet hat hört das: Das sind keine scharfen Bohrer, das ist nicht mal `ne ordentliche Bohrmaschine, die sich da millimeterweise durch den Beton ächzt. Dafür das Fahrzeug immer schön auf´m Rasen geparkt – Profis !

Proteste hat es in Greifswald nicht gegeben, zum Glück auch keine Wasserwerfer und verlorenes Augenlicht, aber die Parallelen zum Schwabenlande sind offensichtlich.

Stielchen

Foto: Matthias Stiehl