von Archiv | 17.10.2005
Zehn Jahre ist es jetzt her, dass die Kanadierin mit ihrem Debüt „Jagged little Pill“ sämtliche Rekorde brach. Um diesen Erfolg zu feiern und auch als eine Art Rückblick hat Alanis ihren alten Freund, Songschreib-Helfer und Produzent von „Jagged little Pill“, Glen Ballard, wieder aufgesucht und die ganze CD noch einmal neu eingesungen und produziert, und zwar unplugged.
Geldmacherei, schimpfen die einen; diejenigen aber, die sich Zeit nehmen und reinhören, wissen es besser: Alle Songs haben ein neues Gesicht. Mit akustischen Gitarren, Piano und Streichern klingen die Lieder plötzlich ruhiger, friedlicher und gar nicht mehr so wütend wie noch vor zehn Jahren. Ihre Stimme hat sich verändert, verbessert. Sie ist mit 30 viel gelassener als in den wilden 20ern.
Geschrieben von Anne Breuer
von Archiv | 17.10.2005
Impressionen einer Reise zwischen Vergangenheit und Zukunft
Die staubige Straße windet sich durch das karge, steinübersäte Bergland. Ein alter Bauer mit verblichener Weste und Strickmütze versucht mit einem dünnen Ast die Herde der schwarzen Ziegen zusammenzuhalten, die sich über den spärlichen Bewuchs hermacht. Der klimatisierte Reisebus bahnt sich unaufhaltsam seinen Weg. Am Abend wird er auch die engen Gassen mit extremer Hanglage meistern, um seine Passagiere wohlbehütet im Vier-Sterne-Club-Hotel mit geräumigen Appartements, Pool und einem Buffet von höchster kulinarischer Detailfreude ankommen zu lassen .
Was sich hier nach einem entspannten Pauschalurlaub anhört, war nur eine Seite der Medaille mit dem Titel „Auf den Spuren des Apostels Paulus in Kleinasien“. Die andere Seite wurde einem bewusst, wenn man im Morgengrauen von einem intensiven „Allah u akba“ aus den Lautsprechern am nicht weit entfernten Minarett geweckt wurde. Dann galt es die Sachen zu packen und das Frühstücksbuffet so gut wie möglich auszunutzen, denn um 8.00 Uhr Ortszeit ging es täglich los und dann sollten Wasser und Kekse (gelegentlich auch mal ein Eis aus einer Tankstellenkühltruhe) die einzige Nahrung bis zum nächsten Abend sein.
Das Tagesprogramm war von der Erkundung antiker Stätten bestimmt, die es oft in unwegsamen Gelände zwischen allerlei Gestrüpp zu rekonstruieren galt. Wer auf den Rat gehört hatte, geschlossenes Schuhwerk anzuziehen, war bewegungstechnisch klar im Vorteil, da er sich weniger um die fiesen Disteln kümmern musste. Aber auch wenn andernorts die mitunter 2.000 Jahre alten Steinstraßen für die Touristenscharen von der Vegetation befreit waren, gab es dennoch einen Faktor, der die Aktivität stark einschränkte: die Hitze. Die Einheimischen betrachteten es oft kopfschüttelnd, wenn sich die Gruppe aus Deutschland über verdorrte Felder und Hügel bewegte. Eine Kopfbedeckung war überaus sinnvoll.
Wenn man dann aber nach einigen Stunden auf die Mittelmeerküste traf, konnte einem nichts das Gefühl nehmen, es sich verdient zu haben. Nereiden und Tritonen gleich stürzten wir uns in die Brandung, um hinterher eine Cola-Dose für rund 3 Euro zu erwerben, was man in dem Bewusstsein, die 7 Euro für eine Liege und einen Sonnenschirm gespart zu haben, gerne tat und sich stattdessen in den brennend heißen Sand setzte, wo man den Rücken mit Sonnencreme von einer netten Kommilitonin eingerieben bekam.
Sicher hatte der Apostel Paulus im 1. Jahrhundert n. Chr. ein anderes Verhalten an den Tag gelegt, als er seine Missionsreisen durch Kleinasien unternahm. Dieses zu rekonstruieren hätte wohl mehr als die zwei Wochen der Exkursion in Anspruch genommen. Das fachübergreifende Projekt vereinte Theologen, klassische und christliche Archäologen sowie Kunsthistoriker unter dem Leitgedanken, ein plastisches Bild von der Welt der Antike und des frühen Mittelalters zu erhalten. Man bekam weit mehr als das geboten.
Die überwältigende Vielzahl archäologischer Befunde erfüllte einen oft mit Ehrfurcht, andererseits empfand man vielerorts den Erhaltungszustand und den Umgang mit den Resten vergangener Kulturen erschreckend. So fand sich dort, wo einst eine Stadt namens Derbe gewesen sein musste, nur noch ein großer Hügel, der sich vermutlich aus dem zusammen geschobenen Schutt ergab, der die Bauern über die Jahrhunderte auf den umliegenden Feldern gestört hatte. Was brauchbar war, war im eigenen Heim verbaut worden. Wem dieser Umgang mit dem kulturellen Erbe respektlos erscheint, der sei daran erinnert, daß auch viele ältere Greifswalder Gebäude teilweise aus Eldenaer Ziegeln errichtet wurden. Hier greifen Heraklits Worte „panta rhei“.
Ebenso fließend wie die Vergangenheit sind auch die kulturellen Kontraste, die sich in der heutigen Türkei zeigen. Wenn man das Land als “Normaltourist“ bereist, wird man in den Bettenburgen Antalyas, den vollgestopften Ramschläden Sides oder den Buskolonnen an den „Baumwollterrassen“ Pamukkales eine Welt vorfinden, die das durchschnittliche okzidentale Erholungsbewusstsein befriedigt. Wer es etwas abenteuerlicher haben möchte, kann sich auf verschlungenen Pfaden in eine abgeschiedene Campingatmosphäre begeben, in der er dennoch nicht auf westliche Standards verzichten muss. Doch ist das das Bild eines ganzen Landes?
Die Reise führte auch in die Großstadt Konya. Die einstige Hauptstadt des Seldschukenreiches zeigt eine Koexistenz von boomender Wirtschaft und heruntergekommener Architektur des Funktionalismus. Dem kubischen Stahlbeton stehen die glänzenden, nach einem „Schema F“ (das sich übrigens von der einstigen Hauptkirche Konstantinopels, der Hagia Sophia, ableitet) gestalteten Moscheen gegenüber. Obwohl sich der Staat strikt aus religiösen Belangen heraushält und stattdessen allerorts versucht, die große Vaterfigur Atatürk wach zu halten, wird hier offensichtlich, wo die Wertschätzung der Menschen liegt.
In der heiß geführten EU-Beitritts-Debatte steht die Frage einer wirtschaftlichen Kooperation als ein bedeutender Faktor im Raum. Kulturell und religiös gilt es die Vereinigungsversuche jedoch zu relativieren. Die hier vorhandenen Differenzen sind etwas, das man akzeptieren sollte. Sie sollten dennoch niemanden davon abhalten, dieses interessante Land kennenzulernen.
Geschrieben von Arvid Hansmann
von Archiv | 17.10.2005
Religion fasziniert die Menschen seit jeher und selbst wer meint, nicht zu glauben, tut dies doch, schreibt Süddeutsche-Redakteur Martin Urban in seinem Buch „Warum der Mensch glaubt“. Allerdings entwickelt das Buch erst im Laufe des Lesens seinen interessanten Charakter, während es sich zu Anfang zu ausführlich mit den Neurowissenschaften auseinander setzt.
Urban liefert interessante Theorien. So meint er, dass manche Erleuchtung biblischer Figuren durch epileptische Anfälle zustande kam, was er auch begründet. Dann stellt er die These auf, dass der Glaube mit dem Gehirn-Stoffwechsel zusammenhänge und wundert sich, dass die Jungfrau Maria immer nur frommen Katholiken erscheine und nicht etwa einem Buddhisten.
Urban hält alle „Religionsgründer“ für psychisch auffällige Gestalten.
Nebenbei vermittelt der Wissenschaftsjournalist fundiertes Wissen über Religionen wie Judentum, Christentum, Buddhismus und Islam und deren Rituale wie das gemeinsame Abendmahl der Christen oder den Sabbat bei den Juden. Urban legt die Glaubenstheorien und die Situationen der Kirchen in Deutschland, im aus seiner Sicht fundamentalistisch orientierten Amerika und im russisch-orthodoxen Glaubensgebiet dar und berücksichtigt dabei religiöse Strömungen wie die Zeugen Jehovas, Adventisten, Baptisten, Mormonen.
Das Buch liefert eine Menge Hintergrundwissen. Es gibt einen geschichtlichen Überblick über Glaubensarten, deren Entstehung und Rituale. Und wie nebenbei erfährt der Leser so einiges über die Geschichte der Päpste, und das auf erzählende und unterhaltsame Weise.
Das Buch „Warum der Mensch glaubt“ von Martin Urban ist bei Eichborn erscheinen und kostet 19,90 Euro.
Geschrieben von Judith Köther
von Archiv | 17.10.2005
Religion fasziniert – das bewies Papst Benedikt XVI. beim XX. Weltjugendtag in Köln
Ein ereignisreicher Sommer ist zu Ende: Die Klausuren sind geschrieben, New Orleans versank in den Fluten, Deutschland wählte eine neue Regierung und die Rheinmetropole Köln erstrahlte unter dem kirchlichen Oberhaupt Papst Benedikt XVI. Der Papst war zu Besuch in Deutschland – und er mobilisierte die Massen.
Dass all die Jugendlichen nach Köln gekommen sind, zeige die Vitalität der Kirche, so der Papst in seiner Ankunftsrede am Flughafen Köln-Bonn. Es waren ereignisreiche Tage für mehrere hunderttausenden Pilger. Der Papst besuchte den Kölner Dom, war mit dem Schiff auf dem Rhein unterwegs, aß und unterhielt sich mit zwölf auserwählten Jugendlichen und besuchte eine jüdische Synagoge. Abschließend zelebrierte er mit den Pilgern die Nachtwache auf dem Marienfeld. „Christus nimmt nichts weg von dem, was ihr an Schönem und Großem in Euch habt, sondern er führt alles zur Vollendung“, predigte er.
Seine Präsenz war in der ganzen Stadt zu spüren, in den Gesichtern, in den Menschen. „Wow, ich hätte nie gedacht, dass Kirche so cool sein kann“, berichtete Laetitia aus der Ukraine. Und auch Marc, der zusammen mit zehn Freunden von Marseille nach Köln kam, war ganz hingerissen von der Ausstrahlung. des Pontifex. „Das kann man nicht beschreiben“, sagt er, „das muss man erlebt haben.“
Die Polizei-Beamten waren immer wieder erstaunt über ihren bisher friedlichsten Massen-Einsatz. „So harmonisch wird das bei der WM 2006 bestimmt nicht ablaufen“, prophezeite einer von ihnen. Als Benedikt XVI. dann mit seinem 272 PS starken Papamobil grüßend durch die jubelnde Menge fuhr, flogen ihm die Herzen nur so zu.
Geschrieben von Judith Küther
von Archiv | 17.10.2005
Wie ein Sturm die amerikanische Medienlandschaft veränderte
Dass der Hurrikan Katrina zerstörerisch sein würde, war von Anfang an klar. Meteorologen hatten seit Tagen vor ihm gewarnt. Dass er aber auch in den amerikanischen Medien einen Sturm auslösen würde, damit hätten wohl die wenigsten gerechnet.
Vor und während des Sturmes schien noch alles beim Alten: Reporter mit Windjacken und Sturmmikrophonen stemmten sich gegen die Unbilden der Natur, um ihren Zuschauern Bilder aus erster Hand zu liefern und lobten die Evakuierungsarbeiten der Regierung. Doch als Katrina ging und Chaos und Hilflosigkeit zurückließ, änderte sich das.
Das Zusammenbrechen zivilisatorischer Schranken und die ungenügende Reaktion der Politiker darauf – als Beispiel sei hier nur der Befehl der Gouverneurin von Louisiana genannt, Plünderer einfach zu erschießen – veränderten die Medien. Wo sonst eher Bush-freundlich berichtet wird, wurden auf einmal Inkompetenzen und Schlampereien der Regierung gnadenlos offen gelegt: „The United States of Shame“ titelte eine Kolumne der New York Times. Eine Reporterin im Morgenfernsehen führte den Direktor der Katastrophenschutzbehörde FEMA vor Millionen von Zuschauern vor, als er versuchte, ihr zu erklären, er wüsste nichts von den tausenden in New Orleans gestrandeten Menschen. Ob er denn kein Fernsehen habe, fragte sie, ihr Sender berichte seit zwei Tagen darüber. Erfahrene Kriegsreporter berichteten, so etwas wie dort hätten sie noch nie gesehen. Ein CNN-Reporter fiel der in Belobigungen für Kollegen schwelgenden Senatorin von Louisiana ins Wort, ob es nicht etwas unpassend sei, sich für die ach so gut laufenden Rettungsarbeiten zu belobigen, wenn er seit Tagen in der Stadt sei und immer noch Leichen herumliegen sähe. Ob sie gar nichts von der Wut der Menschen spüre?
Auch das war neu: Die Bevölkerung stand nicht wie bei der letzten großen Krise des 11. September geschlossen hinter dem Präsidenten, sondern selbst Bush-Anhänger fragten sich, was hier schief gelaufen ist. Die Medien hatten sie aufgerüttelt. Dass eine solche humanitäre Katastrophe in ihrem Land passieren konnte, das war für die meisten bis zu Katrina unvorstellbar. Wenn es sogar die Nachrichtenteams schafften, in die überschwemmten Städte vorzudringen, warum können es dann die Helfer nicht?
So tragisch es sein mag: Es scheint, als wäre eine Katastrophe wie diese notwendig gewesen, um Amerika aus seiner Terrorstarre zu erwecken. Medien gelten als vierte Macht im Staat, sollen kontrollieren und aufdecken – und zum ersten Mal seit dem 11. September kamen sie dieser Aufgabe wieder gewissenhafter nach. Ob dies so bleibt, kann allerdings nur die Zeit zeigen.
Geschrieben von Katja Staack