von Archiv | 17.10.2005
Ob Zweifeln eine Tugend ist, kann man getrost bezweifeln. Zwar gäbe es ohne das Bezweifeln etablierter Meinung wohl kaum so etwas wie Fortschritt, denn alle würden das Gewohnte akzeptieren. Doch wenn er sich erst einmal eingenistet hat, wird der Zweifel zum Gift und alles gerät in Verdacht. Als solch destruktive Macht ist der Zweifel eher übel beleumundet.
Dem Greifswalder Philosophen Andreas Urs Sommer geht es in seinem neuen Buch um die Kunst des Zweifelns in all ihrer übel beleumundeten Radikalität. In 33 handlichen Lektionen spielt er ihre Anwendung in Alltagszusammenhängen durch. Beispielsweise die Manie des Reisens. Erweitere ich meinen Horizont, wenn ich die Begegnung mit Fremdem suche, oder fliehe ich nur vor dem Eigenen? Beraubt einen das Reisen seiner Identität, oder ist es eher so, dass wir Fremdes ohnehin stets nur so sehen, wie wir es sehen wollen? Ist der Weltbürger ein Heimatloser, und fehlt ihm damit tatsächlich etwas Essenzielles?
Aus allen Richtungen befragt Sommer seine Themen und lässt zugleich vermuten, dass man getrost noch mehr und weiter fragen könnte. Am Ende jeder Lektion steht eine kleine Übung, die dem eigenen Nachdenken auf die Sprünge helfen soll. So regt er etwa zum Thema Geld an, eine Banknote über einer Kerzenflamme zu verbrennen und dabei in sich hinein zu horchen. Welche Macht hat Geld über einen selbst, und welche hat es nicht?
In seinen Fallstudien skeptischen Denkens führt Sommer Philosophie in die Alltagswelt ein und zeigt, wie sie im eigenen Leben bereichernd wirken kann. Er will philosophisches Denken als Verunsicherungsunternehmen unter die Leute bringen. Nicht zuletzt, wie er meint, tue dies der Demokratie gut und fördere so statt der Amerikanisierung der Welt deren Verschweizerung. Ganz ohne Zweifel liegt darin letztlich das geheime Ziel des gebürtigen Schweizers Sommer.
Das Buch „Die Kunst des Zweifelns“ von Andreas Urs Sommer ist in der Beckschen Reihe als Taschenbuch erschienen und kostet 9,90 Euro.
Geschrieben von Mirko Gründer
von Archiv | 17.10.2005
Volkmar Sigusch über den Wandel von der Wollust zur Wohllust
Wie leben und erleben junge Menschen heute den Einstieg in die Sexualität? Wie wird der Begriff der Perversion heute verstanden und wofür stand er früher? Und wie zur Hölle funktioniert „Felching“?
Diesen und anderen Fragen über Sexualität geht Volkmar Sigusch in seinem neuesten Buch „Neosexualitäten – Über den kulturellen Wandel von Liebe und Perversion“ nach. Sigusch gilt als der Begründer der Kritischen Sexualwissenschaft. Er ist Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft an der Universität Frankfurt und seine Veröffentlichungen umfassen einige Standardwerke der modernen Sexualwissenschaft. Anspruchsvoll und zugänglich zugleich versteht er es, auch den interessierten Laien mit seinem Fach zu faszinieren. Da stört es kaum, dass ohne Fremdwörterbuch in einigen Passagen kaum ein Weiterkommen möglich ist. Seine empirischen Studien widersprechen allgemeinen Auffassungen von Sittenverfall und Morallosigkeit der Jugend. Sigusch setzt sich kritisch mit dem öffentlichen Umgang mit Perversionen auseinander und scheut sich nicht, provokante Thesen zu vertreten. Gleichzeitig weist er notorische Moralapostel ebenso in die Schranken wie den noch aus der Zeit der sogenannten sexuellen Revolution verbleibenden Geist eines sozialen Zwanges zu praktizierter Freiheit. Eloquent, aufklärerisch und charmant plädiert Sigusch dafür, dass jeder Einzelne entscheiden möge, wie ordinär oder obszön er sein Sexualleben gestalten möchte.
Das Buch „Neosexualitäten“ von Volkmar Sigusch ist im Campus-Verlag erschienen und kostet 24,90 Euro.
Geschrieben von Stephan Kosa
von Archiv | 17.10.2005
33 Streichhölzer stehen für jeden Tag, an dem Familienvater Emmett den Tag in der noch dunklen Stille mit einem Kaffee vor dem Kamin beginnt: „Als ich gestern hier Feuer machte, knipste ich eine Taschenlampe an, um zu sehen, was ich da tat. Das war ein Fehler. Man muss im Dunkeln Feuer machen: Es muss seine eigene Lichtquelle werden. Überhaupt muss man so viel wie möglich im Dunkeln machen, auch den Kaffee, denn wenn man Licht macht, wird das limbische System in die wache Welt gezerrt, und das will man ja nicht.“
Mit nur wenigen und einfachen Worten lässt Nicholson Baker Bilder entstehen wie diese: „Ich würde gern einmal die Fabrik besichtigen, die Zugsirenen macht, und fragen, wie sie diesen Akkord ewiger Traurigkeit hinkriegen. Die Verstimmtheit des Dreiklangs ist ein Teil seiner Schönheit.“
Ein Buch voller Schönheit.
Das Buch “Eine Schachtel Streichhölzer” von Nicholson Baker ist bei Rowohlt erschienen und kostet 7,90 Euro.
Geschrieben von Judith Küther
von Archiv | 17.10.2005
Der Titel dieses kleinen Büchleins macht neugierig. Doch genauso schmal wie dasselbe sind auch die Infos darin. Es verspricht Einblick in die Welt der Markenhersteller, die oftmals auch für Billigketten wie Lidl, Aldi, Penny und Co. produzieren.
Zu Beginn gibt’s noch einige interessante Fakten, anhand derer man generell Markenprodukte in Billigverpackung erkennen kann, allerdings folgt meist kurz darauf schon die Bemerkung, dass dies nicht immer zutreffe. Das Büchlein bezieht sich nur auf Lebensmittel und dann auch nur auf sehr wenige. Generell gilt die Veterinärkontrollnummer als Schlüssel zum Markenglück, aber auch nur für Milch-, Fleisch- und Fischprodukte. Ein weiterer Hinweis im Rätselraten kann der Firmensitz sein. Wer es weniger kompliziert mag, dem genügt der Blick auf die Zutatenliste, um zu entscheiden, ob das Produkt im Einkaufswagen landet oder nicht.
Das Buch “Welche Marke steckt dahinter?” von Martina Schneider ist beim Südwest-Verlag erschienen und kostet 5,95 Euro.
Geschrieben von Judith Küther
von Archiv | 17.10.2005
Mit dem siebten Band wird die Erfolgsbuchreihe über den Zauberlehrling Harry Potter enden. Wie es im Leben des erwachsenen Zauberers weitergeht, erzählt Michael Gerber. „Ohne jeglichen Anspruch auf Ähnlichkeit“ mit den Originalen von J. K. Rowling zerstört er gnadenlos jegliche romantisch-sentimentalen Vorstellungen, die die Leser von ihrem ach so braven Harry haben.
Erfolglos und tollpatschig trampelt Barry Trotter durch die Zauberwelt, begleitet von seiner Frau Ermine Cringer sowie seinen Freunden Genny, Lon, Ferd und Jorge Measly und He-Who-Smells Lord Valumart, der bis auf seine Korumpiertheit eigentlich gar kein so schlechter Kerl ist. Nachdem Barry versehentlich einen Verjüngungstrunk geschluckt hat, kehrt er zurück nach Hogwash, um ein Gegenmittel zu finden und nebenbei die Schulleitung zu übernehmen, da der Direktor Dorco Malfeasance überraschend eines nicht ganz natürlichen Todes gestorben ist.
Echte Fans werden überrascht sein, die dunklen Seiten ihres Helden kennenzulernen. Auch wenn das Buch weder einen Sinn noch ein zufrieden stellendes Ende hat, ist es einfach Pflichtlektüre für alle Anhänger der Reihe!
Das Buch “Barry Trotter und die überflüssige Fortsetzung” von Michael Gerber ist als Taschenbuch bei Goldmann erschienen und kostet 7,95 Euro.
Geschrieben von Julia Mai