von Archiv | 15.11.2005
Kita-Umfrage des Studentenwerks ausgewertet
„Die Studienzeit ist günstig, um Kinder zu bekommen“, ist Claudia Klasen vom Studentenwerk überzeugt. Um Studierenden mit Kind unter die Arme zu greifen, hatte sie deshalb bereits im Juni eine Kindertagestätte, die sich am Studienalltag und an den Vorlesungszeiten orientiert, angekündigt. Als erster Schritt auf dem Weg dorthin hat das Studentenwerk gemeinsam mit einigen Kommunikationswissenschafts-Studenten zwischen dem 20. Juni und dem 24. Juli eine Umfrage durchgeführt (siehe moritz 50), an der sich 328 Personen beteiligten. Inzwischen liegen erste Ergebnisse vor.
Die Auswertung ergab, dass 54,9 Prozent der Befragten ein oder mehrere Kinder haben, deren Alter in den meisten Fällen zwischen ein und zwei Jahren (45 Prozent) beziehungsweise drei bis sechs Jahren (42,7 Prozent) liegt. Darüber hinaus gaben 39,3 Prozent der bisher Kinderlosen an, ein Kind zu erwarten oder in naher Zukunft zu planen.
Dreh- und Angelpunkt ist die Betreuung des Nachwuchses. Nur 44,4 Prozent aller Befragten gaben an, dass der Bedarf an Kinderbetreuung bei ihnen gedeckt sei, 51,7 Prozent hingegen sehen hier massive Probleme. Das Gros (66 Prozent) greift bei der Betreuung auf den Kindergarten zurück, doch entstehen auch hier Probleme. Ein gutes Drittel (34,4 Prozent) derjenigen, die keinerlei Kinderbetreuung nutzen, gab als Grund an, dass das Kind zu jung oder zu alt sei. Bei 16,1 Prozent steht jedoch der Kostenaspekt im Vordergrund. Sie können sich einen Krippenplatz schlichtweg nicht leisten. Im Umkehrschluss wurden „niedrige Kosten“ in der Kinderbetreuung von 94 Prozent der befragten Studenten als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ eingestuft. Darüber hinaus spielen auch flexible Öffnungszeiten der Einrichtung eine entscheidende Rolle.
Studieren mit Kind ist also nicht einfach, auch wenn sich gewisse Vorteile, wie etwa eine Grundsicherung, ergeben. Knapp 70 Prozent der Studenten mit Kind rechnen zumindest mit einer Verzögerung ihres Studiums.
Geschrieben von Kai Doering
von Archiv | 15.11.2005
moritz sprach mit zwei Geisteswissenschaftlern über Kürzungswahn, gescheiterte Studiengänge und eine Universität am Abgrund
Über die Professoren Hartmut Lutz und Jürgen Klein vom Institut für Anglistik/Amerikanistik brechen die Kürzungswellen inzwischen im Halbjahresrythmus herein. Inzwischen vermittele ihr Institut den Eindruck eines Steinbruchs, aus dem man sich bedienen könne, schildert Hartmut Lutz, obwohl weder fachliche Gründe noch die zurzeit etwa 900 Studierenden am Institut dafür sprächen. Doch weder Spitzenrankings noch Studierendenzahlen finden bei den Verantwortlichen Gehör.
Die Philosophische Fakultät steht nach Lutz‘ Einschätzung bald vor dem Scherbenhaufen ihrer eigenen Politik. Seit Einführung des Bachelors und des Masters gebe es riesige Probleme, weil die erhoffte Globalisierung im Bildungsbereich ausgeblieben sei. „Wir ahmen das englische System nach“, pflichtet ihm sein Kollege Jürgen Klein bei, „allerdings schlecht und undifferenziert.“ Lutz führt aus, dass es eine international anerkannte Stärke der alten Abschlüsse gewesen sei, dass die Leute aus einer Universität kamen, an der unabhängig von wirtschaftlichen Zweckabsichten über Probleme des menschlichen Miteinanders, der Kultur nachgedacht werden konnte. „Heute“, so Lutz, „hat sich die Sprache der Wirtschaft an unserer Universität festgesetzt. Es gibt eine Linie vom Ministerium über das Rektorat und den Dekan bis zu uns, die dieses Denken forciert.“
„Handelt es sich bei den Streichungen denn wirklich um politische Erfordernisse?“ fragt Jürgen Klein. „Nein“, beantwortet er die Frage gleich selbst, „es werden Interessen als Naturgesetze verkauft.“ Am Geld mangelt es in Greifswald anscheinend nicht mehr so stark, nur dessen Verteilung ist umstritten. „Daran wie es verteilt werden soll, sieht man, was diese Leute für eine Idee von der Universität haben“, führt Klein aus, „ich glaube, sie haben gar keine, weil sie nicht wissen, was das für ein geistiger Zusammenhang ist und wie dieser in die Gesellschaft hineinwirkt.“ Etwas werde in den aktuellen Debatten unterschlagen, nämlich dass der Prozess Langzeitwirkungen auf die Region habe und der Tod der Philosophischen Fakultät einhergehe mit dem Tod der Region. „Wir müssen hier in Greifswald eine komplexe Durchdringung und Bearbeitung der europäischen Wissenschaft und Kultur leisten“, fordert Klein, „ansonsten schneiden wir uns von der allgemeinen Entwicklung ab und werden eine Provinzuniversität.“
Sein Kollege Hartmut Lutz sieht ein grundsätzliches Problem in der zunehmenden Entfremdung der Geisteswissenschaften von den Naturwissenschaften. „Sie sprechen zwei verschiedene Sprachen“, erläutert Lutz. Das mühsame Suchen von Daten sei zwar eine wissenschaftliche Leistung, der auch die Geisteswissenschaftler bedürften, dies allein helfe aber bei interkulturellen Zusammenhängen und Wirkungsabsichten, die hinter den Daten stünden, nicht weiter.
Lutz fragt sich inzwischen, was überhaupt mit der Universität geschehen solle, wenn sie keinen geisteswissenschaftlichen Nachwuchs mehr habe. „Das, was in Zukunft in Greifswald gemacht werden soll, kann auch an einer Fachhochschule stattfinden, dazu braucht es keine Universität des wissenschaftlichen Dialogs und der eigenständigen Forschung.“ Jürgen Klein ergänzt, dass bei den Zukunftsplänen keinerlei Rücksicht auf die wissenschaftliche Konstitution eines Faches genommen werde: „Je nachdem wie die konjunkturellen Winde wehen, sollen die Wissenschaften zurecht gestutzt werden. Wenn das gemacht wird, dann ist die deutsche Wissenschaftstradition am Ende!“
Geschrieben von Ulrich Kötter
von Archiv | 15.11.2005
Interview mit Prof. Manfred Bornewasser, Dekan der Philosophischen Fakultät
moritz: Sie sollen in universitären Gremien gegen Beschlüsse der Fakultät agiert haben.
Prof. Manfred Bornewasser: Das kann nur den einen Beschluss zur Lehrerbildung betreffen. Der Fakultätsrat hatte sich äußerst knapp für deren Erhalt ausgesprochen. Ich sehe einen starken Konflikt, wenn wir die Lehramtsstudiengänge und die Bachelor- sowie Master-Studiengänge fortführen wollen.
Man hat Sie aufgefordert, zurückzutreten. Warum sind sie das nicht?
Ich habe eine Idee und will etwas ändern, weil die Erhaltung alleine nicht gut ist. Auch wenn ich nur von der Hälfte des Fakultätsrates unterstützt werde, sind wir kurz davor, diese Idee umzusetzen.
Steuern wir auf eine Philosophische Fakultät ohne Lehrerbildung zu?
Es gibt ja jetzt schon einige Institute an der Philosophischen Fakultät, die keine Lehrerbildung mehr betreiben. Die übrigen haben zurzeit je zur Hälfte Lehramtsstudenten und zur Hälfte Magister-, Bachelor- und Masterstudenten. Wenn die Lehrerbildung wegfällt, dann brauchen wir an unserer Fakultät attraktive, neue Studiengänge, die sich an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes und der Forschung orientieren.
Darf man sich bei so grundsätzlichen Entscheidungen zu Studiengängen von wirtschaftlichen Gedanken leiten lassen?
Wir haben uns schon über Jahre die geringe Effizienz des Magisters geleistet, mit enorm hohen Abbrecherquoten und wenigen Absolventen. Man muss doch fragen, wofür die Leute eigentlich ausgebildet werden. Niemand wusste bisher in der Wirtschaft, was die Leute wirklich können.
Nun wurden die neuen Studiengänge noch nicht akkreditiert, unter anderem, weil in Ihrem Dekanat Unterlagen verloren gegangen sein sollen.
Die Sache ist vielleicht nicht optimal gelaufen, ich habe aber keine Unterlagen zurückgehalten. Die Akkreditierungsagentur verlangte vielmehr vom Rektorat eine Erklärung, in welche Struktur der Fakultät die Fächer einzuordnen seien. Deswegen hatte sie Bedenken bei der Akkreditierung.
War es nicht vielmehr so, dass das Rektorat die Agentur um Schließungsvorschläge gebeten hat und sich die Gutachter nicht instrumentalisieren lassen wollten?
Davon weiß ich nichts. Wir werden allerdings die Akkreditierungsanträge für den Master of Education nicht weiter verfolgen, nachdem der Senat am 19. September dessen bedingter Abschaffung zugestimmt hat.
Geschrieben von Ulrich Kötter, Kai Doering, Stephan Koser
von Archiv | 15.11.2005
Um die Geltung der eigenen Person bemüht und sich inhaltlich wiederholend. So wirkte die Vielfalt und Qualität der Beiträge, die nach einer runden Stunde Diskussion im StuPa noch vorgebracht wurden. Die grundsätzlich berechtigten Fragen und Antworten wurden wiedergekäut, dass es einer Schwarzbunten alle Ehre gemacht hätte.
Als wäre dies noch nicht genug gewesen, schaukelte man sich sodann bis zu aggressiven Tiraden hoch, die man sich ungeschickt an den Kopf zu werfen verstand. „Persönlich angegriffen“ fühlte sich eine AStA-Referentin. Waren es persönliche Aversionen, die da aufbrachen? War es die unübersichtliche Debatte oder die schier endlos wirkende Rednerliste, die Missverständnisse provozierte?
Es blieb dem Zuhörer oder StuPa-Mitglied nichts weiter übrig, als das Ganze resignierend über sich ergehen zu lassen. StuPa-Präsident Simon Sieweke, mit nachdrücklichen „Entschuldigung!“-Rufen um die Disziplinierung des Saales bemüht, ließ abstimmen, ob nicht die Rednerliste geschlossen werden sollte. Da aber jeder nochmal drankommen wollte, wurde der Vorschlag abgelehnt. Es wirkte ein wenig wie die Grundschulstunde nach den Ferien, in der niemand genug davon bekommen kann, von seinen Urlaubserlebnissen zu erzählen. So wurde dann auch konsequent dazwischen geredet. Es war fast schon wieder lustig. Simon Sieweke setzte seinem „Entschuldigung!“ hin und wieder ein würziges „Du bist jetzt nicht dran!“ hinzu und die Veranstaltung versank endgültig in den Tiefen der Strukturlosigkeit.
Wer sehen will, wie ein viel zu wichtiger Haufen von StuPisten selbst die sachlichste Debatte zu einem Schmierentheater verkommen lässt, sollte sich einmal dienstags zu so einer Sitzung bewegen. Außer Geduld und Nerven wie Stahl sollte man sich auch ein paar Kekse und eine Kanne Kaffee mitbringen. Das macht es wenigstens gemütlich.
Geschrieben von Stephan Kosa
von Archiv | 15.11.2005
Das Studierendenparlament (StuPa) beschäftigte sich in den ersten beiden Sitzungen nach den Semesterferien zweimal mit Grundsätzlichem, und das beinahe auch noch auf ein und derselben Sitzung.
Am 18. Oktober zog StuPa-Präsident Simon Sieweke seinen angekündigten Antrag zu Nebentätigkeiten von Mitgliedern der studentischen Selbstverwaltung aus der Tasche – und ließ ihn gleich wieder verschwinden; stattdessen beschäftigte sich das StuPa mit der Senatssitzung am folgenden Tag.
Schwerin hatte Ende September weitere Kürzungen für Greifswald angekündigt. Bereits im Vorfeld der Senatssitzung war klar, dass Rektor Rainer Westermann das Gremium um eine weitreichende Vollmacht bei anstehenden Stellenkürzungen bitten würde, die weit über das Senatskonzept vom 18. Mai hinausgingen. Das Bildungsministerium hatte die Lehrerbildung sowie die Institute für Anglistik/Amerikanistik und für Altertumswissenschaften ins Gespräch gebracht.
Die StuPa-Debatte bewegte sich zwischen den Polen Blockadehaltung und Kompromissbereitschaft gegenüber den Kürzungen, erstere ging von den StuPisten aus, letztere von den studentischen Senatoren. Einerseits dürfe man sich nicht gegen geltende Beschlüsse der Vollversammlung stellen, andererseits verpuffe eine Blockadehaltung im Senat.
Man darf die gewählten Vertreter dennoch zu Recht fragen, wessen Interessen sie wann und wo vertreten und ob sie das ihren Wählern auch vermitteln. Alt-StuPist Maik Harfmann merkte an, dass die Betroffenen vor dem Scherbenhaufen ihrer eigenen Politik stünden. „Das StuPa darf sich nicht gegen Beschlüsse der Vollversammlung stellen“, forderte er, „andererseits ist es endlich Zeit, dass studentische Vertreter ihre verschiedenen Positionen auf der Vollversammlung vertreten.“
Nach der Senatsdebatte verschwand der noch vorgesehene Antrag zu den Nebentätigkeiten wieder in der Schublade; die sich betroffen fühlenden AStA-Referenten mäkelten, dass sie so lange hätten ausharren müssen.
Um dies beim zweiten Anlauf zu verhindern, brachten Patrick Leithold als betroffener AStA-Referent den Antrag in der nächsten Sitzung vorsichtshalber selber ein und skizzierte die zentralen Fragestellungen: Hängt der Erfolg der Mitarbeiter in der studentischen Selbstverwaltung von einer Nebentätigkeit, beispielsweise in einer Partei, ab? Besteht ein erheblicher Interessenkonflikt, wenn AStA-Mitglieder Werkverträge mit Parteien schließen?
Er sehe den Interessenkonflikt nicht, erwiderte StuPist Christopher Trippe, weil augenscheinlich gut gearbeitet wurde. Im Einzelfall könne man den Betroffenen ja das Misstrauen aussprechen oder ihre Aufwandsentschädigung kürzen. Simon Sieweke erläuterte, dass es ihm nicht um Einzelpersonen sondern um ein Problem genereller Natur gehe und man durchaus fragen könne, inwieweit sich beispielsweise AStA-Referenten durch Parteigremien beeinflussen lassen. Die AStA-Referenten Zoran Vasic und Patrick Leithold widersprachen, hier solle aktiv in das Privatleben von AStA-Referenten und anderen eingegriffen werden.
StuPist Eric Kibler zeigte sich enttäuscht, dass die betroffenen AStA-Referenten ihre Parteiämter dem StuPa nicht angezeigt hätten. Sein Kollege Philipp Kohlbecher pflichtete ihm bei, schätzte sich aber zugleich glücklich, dass die Ämter in der studentischen Selbstverwaltung in Greifswald noch nicht über Parteizugehörigkeiten verteilt würden.
Am Ende wurde die Debatte vertagt – dennoch zeichnete sich als Kompromiss ein Vorschlag des StuPisten Kai Doering ab: Man könne die AStA-Referenten nicht überwachen, ihnen aber eine Art „Ehrenkodex“ bei der Wahl abverlangen. Ein Passus dieses Kodex könnte sein, dass die Arbeit in der Studierendenschaft immer Vorrang habe, ergänzte sein Kollege Maik Harfmann.
Geschrieben von Ulrich Kötter