von Archiv | 23.01.2006
Es waren hehre Motive, die eine Hand voll Kommilitonen leiteten, als sie im Handstreich das Rektorat besetzten und sich erst zum Abzug bewegen ließen, als ihnen die Uni-Führung Gespräche anbot. Kurz darauf begann dann auch ein Sitzungsmarathon, der nun im Januar nach fünf Treffen vorerst beendet wurde – Fortsetzung nicht ausgeschlossen.
Doch was haben die Gespräche gebracht? Es sollte eine Richtungsdebatte um den Weg der Geisteswissenschaften in Greifswald angestoßen werden. Ist davon etwas zu sehen? Auch sollten die Gespräche einen Denkanstoß geben, ob die Kürzungen sinnvoll sind. Doch braucht es dafür tatsächlich erst eine Besetzung öffentlicher Gebäude?
Am wichtigsten war den Besetzern jedoch eine Verlagerung der Debatte in die Öffentlichkeit. Sie wollten dem Rektorat die Position der Studenten mitteilen und forderten, dass diese Berücksichtigung finden solle. Die Frage darf erlaubt sein, ob zwanzig willkürlich zusammengefundene Kommilitonen tatsächlich die Meinung von über zehntausend Studierenden vertreten und ob eine Diskussion im Büro des Rektors die Hochschulöffentlichkeit bedeutet, die die Besetzer selbst gefordert hatten.
Die Besetzung hat Greifswald deutschlandweit in die Schlagzeilen gebracht. Dies ist ein Verdienst der Besetzer, auf das sie zu Recht stolz sein können. Doch abgesehen davon wären sie besser beraten, ihre Energie und ihre Ideen in den demokratischen Gremien der Universität einzubringen.
Geschrieben von Kai Doering
von Archiv | 23.01.2006
Wie geht es mit den Rektoratsbesetzern weiter?
Nein, sie seien nicht die Protestgruppe, stellen Grit Alter und Christopher Trippe gleich zu Beginn des Gesprächs klar. Stattdessen habe man sich spontan „Gewürzgurke“ getauft. Am 16. November besetzten 25 Spreewalder Grüngewächse das Rektorat, verbrachten zwischen Ölgemälden und Büromöbeln eine unruhige Nacht und handelten schließlich mit Rektor Rainer Westermann einen Kompromiss aus: Es gibt Gespräche zwischen Westermann und den Protestlern, dafür wird das Sit-in ausgesetzt. Inzwischen haben fünf Gesprächsrunden stattgefunden, die letzte vor Weihnachten fiel krankheitsbedingt aus. Die Gruppe ist inzwischen auf 10 Mitglieder zusammengeschrumpft.
moritz: Was haben die Gespräche mit dem Rektorat gebracht?
Grit: Wir haben dem Rektor unsere Empörung über seinen Umgang mit den Geisteswissenschaften mitgeteilt. Wir haben durch die Besetzung erstmals Öffentlichkeit für dieses Thema hergestellt – Westermann gab dann auch zu, dass die Kommunikation innerhalb der Uni nicht immer optimal laufe.
Was habt ihr konkret erreicht? Habt ihr Stellenkürzungen verhindert?
Christopher: Es ging uns gar nicht um das Verhindern von Stellenkürzungen, weil wir zu der Diskussion gar nicht in der Lage sind. Wir wollten mit der Debatte um die Geisteswissenschaften eines erreichen: Dass Rektor Westermann seine Meinung überdenkt.
Hat er sie überdacht?
Grit: Überdacht wohl schon, aber nicht geändert. Wir können dem Rektor ja nicht in den Kopf schauen . Wir wollten ihn dazu bewegen, auf das Land einzuwirken und den Verantwortlichen klar zu machen, dass die Hochschulen sich in eine Richtung entwickeln, die schlecht für M-V ist.
Rektor Westermann wundert sich, dass ihr mit diesem Anliegen spät dran seid.
Christopher: Seine Öffentlichkeits-arbeit war undurchsichtig. Er hat immer nur vage berichtet, ob er zu den Kürzungsvorschlägen Ministeriums konsequent Nein gesagt hat. Während der Gespräche mit uns hat er dann argumentiert, an diesem Defizit sei die unbesetzte Pressestelle Schuld.
Wie geht es mit der „Gewürzgurke“ weiter?
Grit: Eine Gesprächsrunde der „Gewürzgurke“ mit dem Rektor wird es vorerst nicht mehr geben.
Warum nicht?
Christopher: Wir müssen auch realistisch bleiben und können uns nicht gegenseitig totreden. Wir werden die Gespräche Revue passieren lassen und uns neue Aktionen überlegen – mit der Änderung des LHG steht uns ein noch größeres Problem bevor.
Geschrieben von Ulrich Koetter
von Archiv | 23.01.2006
Ist Deutschland noch immer das berühmte „Land der Dichter und Denker“ oder vielmehr die pisageplagte Republik der Sprachlosen und Denkfaulen?
Der 6. Poetry Slam, organisiert durch das Kulturprojekt „kunstleutekunst“, ließ diese Frage weitgehend unbeantwortet. Angekündigt war ein Dichterwettstreit – einziges Problem: es waren zu wenig Dichter anwesend. So musste Moderator Mischa Weggen das Publikum mit Hinweis auf nur drei teilnehmende Dichter vertrösten und auf einen improvisierten Abend vorbereiten. Einen wirklichen Dichterwettstreit bot der Abend im Folgenden also nicht, unterhaltsam war es jedoch allemal. So präsentierte ein Lehrer einer 5. Klasse Gedichte, die seine Schüler als „Artemis, Poseidon oder Hermes, der schnelle jugendliche Helle“ charakterisierten. Auch der Freestyler Willy aus Teltow wusste mit spontaner Wortakrobatik in dem Sinne „ich bin glücklich, indem ich erzähl und Wörter ganz spontan auswähl“ zu unterhalten. Höhepunkt das Abends waren jedoch zweifellos die Beiträge von Volker Strübing, dem deutschen Meister des Poetry Slam 2005. Viel gelacht, gestaunt oder zustimmend genickt wurde bei seinen Kurzgeschichten, die „Herpes als ästhetischen Super-GAU“, „Klone als Alternative zu Kindern“ oder die weibliche Argumentationstechnik als „Windmühlenflügel“ amüsant beschrieben. Nicht weniger beeindruckend waren Beiträge mancher Zuschauer, die Gedichte rezitierten und dafür Freigetränke erhielten. Abgerundet wurde der Abend schließlich durch einen „Worst Poem Contest“. Auch hierbei musste das Publikum aktiv werden und mit den Wörtern „Achseldackel, Raps, Pustekuchen und burschikos“ möglichst schlechte Gedichte schreiben. Dies gelang mühelos und so stand am Ende nicht der beste Dichter, sondern der schlechteste Poet fest. Aus der Not wurde letztlich eine Tugend. Für den nächsten Poetry Slam bleibt zu hoffen, dass mehr Dichter den Mut zur Teilnahme finden und beweisen helfen, dass Deutschland eben doch das „Land der Dichter und Denker“ ist.
Geschrieben von Grit Preibisch
von Archiv | 23.01.2006
Der Alltag schreit nach Arbeit, Stress, Theorie und Trockenheit. Wer kommt mit und entflieht dem Ganzen für ein paar Stunden? Es mag unheimlich klingen, aber der Weg führt tatsächlich über einen alten Schrank. Man braucht nur die Tür zu öffnen, ein bisschen daran zu glauben und schon findet man ein Land voller Magie, Fantasie und Abenteuer.
Dieses Land heißt Narnia und öffnet sich seit dem 8. Dezember 2005 dem mutigen Besucher als eine verschneite Welt, wie sie nur Kinderaugen erträumen könnten. Hat man sich erst einmal darauf eingelassen, erlebt man ein Genre, das im Hollywood- Wahn mit all den Jedi-Rittern, FBI-Agenten und scheinbar so mutigen Helden beinahe ausgestorben war.
„Die Chroniken von Narnia“ kommt gänzlich ohne Brutalität und Terror aus und überzeugt durch liebevolle Charaktere und eine ebenso wunderbare Landschaft, welche in beeindruckenden Bilder den Zuschauer fesselt. Die Figuren stammen aus der Feder von Clive Staples Lewis, welcher spätestens nach seiner „Narnia“-Chronologie als einer der größten britischen Schriftsteller der neuen Zeit gilt.
Die eine oder andere Parallele zu „Herr der Ringe“ ist erkennbar: Musste sich doch Neuseeland als Drehort einmal mehr als perfektes Märchenland beweisen. Wer außerdem alte Bekannte wie die Eiskönigin oder Väterchen Frost wieder zu erkennen glaubt, der liegt richtig.
Wem all diese Dinge zusagen, der kann in diesem Film ein Feuerwerk aus Kindheitsträumen und Erwachsenenwünschen finden. Ein wenig Vertrauen und ein bisschen Kinderdenken im Herz und man befindet sich im Abenteuerland, wo noch das Gute gegen das Böse siegt und die Kleinsten das Größte vollbringen. Wer sich dorthin erst einmal verirrt hat, möchte meistens nicht mehr zurück. Wie gut, dass alles mit den Büchern begann, die auch nach 50 Jahren noch zum Lesen einladen. Mit ihnen lässt es sich jederzeit schnell in die ferne Welt abtauchen und wieder ein Stück Kindheit genießen. Denn für ein bisschen Zauber ist man doch nie zu alt, oder?
Geschrieben von Jessika Wagner
von Archiv | 23.01.2006
Rektor Rainer Westermann über das Uni-Jubiläum, den neuen Internet-Auftritt und die Gespräche mit den Rektoratsbesetzern
moritz: 2006 – ein bewegendes Jahr. Worauf freuen Sie sich als Rektor?
Rainer Westermann: Auf Weihnachten.
Aber doch auch auf das Uni-Jubiläum, das Sie im Angesicht von Finanznot und Stellenkürzungen feiern werden?
Natürlich freue ich mich auf das Uni-Jubiläum! Was Stellenkürzungen und Finanznot betrifft, waren Prorektor Classen und ich gestern in Schwerin und haben die letzten Verhandlungen mit dem Bildungsministerium geführt.
Das Jahresmotto lautet „550 Jahre – Tradition und Zukunft an der Ostsee.“ Was verstehen angesichts des Jubiläums unter Tradition?
Eines der wesentlichen Merkmale einer guten Universität muss sein, dass sie sich einen Kern des Traditionellen, des Unabdingbaren bewahrt. Dieser Kern ist die Widmung unserer Arbeit der Wissenschaft. Das müssen wir verteidigen, uns aber auch immer wieder neuen Gegebenheiten anpassen.
Das Rektorat wirkt lustlos gegenüber dem Jubiläum. Sie sollen einen längeren Festumzug durch die Innenstadt abgelehnt haben. Schadet das nicht dem Alumni-Gedanken?
Das ist definitiv falsch. Wir haben in der Dienstberatung mit den Dekanen darüber gesprochen, ob wir so einen Marsch wie zum 500. Jubiläum machen wollen. Es war die durchgängige Meinung, dass dies keine zeitgemäße Form des Feierns einer wissenschaftlichen Einrichtung ist.
Solche symbolischen Handlungen haben ja ihren besonderen Wert.
Wir haben uns ja auch dafür entschieden, einige von ihnen aufrecht zu erhalten wie beispielsweise eine zentrale Festveranstaltung am 17. Oktober. Wir werden dann auch vom Hauptgebäude zum Dom und zurück ziehen, wahrscheinlich anschließend auch mit allen Ehrengästen zum Pommerschen Landesmuseum.
Rechtzeitig zum Jubiläum ist die Uni-Homepage überarbeitet, aber immer noch nicht fertig.
Das Projekt wird nie fertig sein. Das System ist darauf angelegt, dass die Benutzer es für ihren Bereich annehmen und es füttern, pflegen und aktualisieren. Wir haben den neuen Auftritt für Rektorat und Verwaltung eingeführt, aber noch nicht für die einzelnen Einrichtungen, Institute und Fakultäten. Das will ich bewußt nicht erzwingen, weil viele an ihrer Lehrstuhl- oder Instituts-Homepage hängen.
Welche Verbesserungsvorschläge gab es?
Ein Kollege schrieb, seine Klinik sei nicht schnell zu finden. Daraufhin wurde sofort der Zugang zu den Fakultäten erleichtert. Aber alles kostet Zeit, kostet Geld. Wenn man nicht viel Geld hat, kostet es mehr Zeit. Wir sind daher einfach noch nicht so weit. Gelobt wurde das freundliche und anmutige Design und die Tickerleiste auf der ersten Seite.
Wie verlaufen die Gespräche mit den Rektoratsbesetzern?
Ich kann verstehen, was die Studenten motiviert hat. Sie fühlten sich nicht informiert und plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Aber ich befinde mich seit drei Jahren durch unzählige Gespräche und Artikel im Diskussionsprozess.
Ist es für Sie überraschend, wenn die Besetzer behaupten, ihre Vorschläge seien nicht breit genug in der Öffentlichkeit diskutiert worden?
Ja, was heißt Öffentlichkeit? Erst einmal sind dafür die universitären Gremien zuständig, die ja hochschulöffentlich tagen und eine große Gruppe von studentischen Vertretern haben. Die Lokalpresse lesen die meisten Studierenden natürlich nicht. Ich wüßte nicht, dass ich etwas verheimlicht hätte.
Was haben die Gespräche mit den Rektoratsbesetzern ergeben?
Konkrete Ergebnisse haben wir nicht. Ein Gespräch vor Weihnachten ist krankheitsbedingt ausgefallen. Die Gruppe war sehr gut vorbereitet und hat sich sehr gute Gedanken gemacht.
Inwieweit werden Sie sich politisch von den Gesprächen beeinflussen lassen?
Ehrlich gesagt, die wesentlichen politischen Entscheidungen sind gefallen. Wir haben im letzten Senat vor Weihnachten einen Vorschlag über Zielvereinbarungen diskutiert, wo festgeschrieben werden soll, welche Fächerstruktur die Universität haben soll und wieviel Geld wir wofür in den kommenden Jahren bekommen. Wir haben gestern in Schwerin darüber das Abschlussgespräch geführt und werden bei der nächsten Senatssitzung die letzte Fassung der Zielvereinbarung präsentieren. Wenn der Senat dem zustimmt, ist der Prozess abgeschlossen. Wenn er nicht zustimmt, dann wird es sehr schwierig und unübersichtlich werden.
Dann entscheidet das Land nach der LHG-Änderung Ende des Monats über die Zukunft der Uni?
Wenn der Senat die Zielvereinbarung verabschiedet, wird das nicht passieren. In dem Moment, wo wir diese Zielvereinbarung mit dem Ministerium unterschreiben dürfen, wird es seine Verordnungsermächtigung gegenüber unserer Universität nicht anwenden.
Geschrieben von Uwe Roßner, Ulrich Kötter