Bewertung erwünscht!

Die Evaluation der Lehre an der Greifswalder Universität

Evaluationen dienen der Analyse und Bewertung des Bildungswesens. Rückblickend sollen die Leistungen nach vorher festgelegten Gütekriterien eingeschätzt werden. Natürlich sind Lehrevaluationen aufwendig, aber auch nowendig um im Konkurrenzkampf der Hochschulen zu bestehen. Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern verankerte diese im Landeshochschulgesetz (§§ 33, 93/Grundordnung §2, Abs. 6).

Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald reagierte auf den Entscheid des Landesparlaments in Schwerin und erließ im April 2005 eine für die Hochschule am Ryck geltende Evaluationsordnung. Eine institutionell betriebene Bewertung der Lehre an der Alma mater wird darin gefordert und die Grundsätze und das Verfahren der Bewertung der Lehrqualität werden dargestellt.
Die gesetzlich geregelte Möglichkeit der Evaluierung der besuchten Veranstaltungen sollten die Studierenden nutzen. Zwar kann man dem Dozenten auch außerhalb der Universität seine Meinung sagen – klein genug ist ja die Hansestadt Greifswald um sich privat über den Weg zu laufen. Doch der Aufwand der direkten Bewertung lohnt sich auch für den Einzelnen. Mittel- und langfristig reagiert die Hochschule auf die Ergebnisse der Auswertung.

Wenig erbaulich

Wer von sich behaupten kann, seinen Dozenten und dessen Lehrveranstaltung bewerten zu dürfen und können, darf sich glücklich schätzen. Vor allem die Medizinische Fakultät bedient sich dieser Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung der Lehre. In einem Pilotprojekt wurden Medizinstudenten mit Mobiltelefonen ausgestattet und gaben per SMS nach Ende einer Vorlesung ihr Urteil ab. Das Studiendekanat des Faches Humanmedizin befürwortet die Feedback-Möglichkeit der angehenden Ärzte sehr und reagiert auf das schlechte Abschneiden einzelner Veranstaltungen zügig. Das Gleiche gilt für die Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Auch in der Philosophischen Fakultät sitzen Verfechter der Lehrevaluation. Doch wenig erbaulich sind die während der Bachelor- und Master-Akkreditierungsgutachten entdeckten mangelhaften Evaluationsbemühungen in jener Fakultät.

Abhilfe

Mit dem System InstEval der Universität Mannheim möchte die Universität Greifswald deshalb Abhilfe schaffen. Auf einer Internetseite bewerten die Teilnehmer einer Lehrveranstaltung diese nach unterschiedlichen Kriterien. Der Online-Fragebogen betrachtet zuerst die Veranstaltung und den Dozenten im gesamten, bevor beide genauer benotet werden können.
In die Bewertung fließen auch die Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Raumtemperatur, die Beurteilung der Referate und der selbstkritische Blick auf die eigene Leistung in der jeweiligen universitären Veranstaltung ein. Um die Daten schnell auswerten zu können, stehen als Antwortmöglichkeiten die Schulnoten eins bis sechs zur Verfügung. Die bewertenden Studenten brauchen sich keine Sorgen um den Datenschutz machen und ihre Angaben werden anonym ausgewertet. So fordert es auch die Greifswalder Evaluationsordnung.

Online?

Der Rektor empfiehlt InstEval, denn diese Evaluationsmöglichkeit ist „testtheoretisch optimiert“, wertet die Daten automatisch aus und liefert sogleich die entsprechenden Ergebnisse. Alles dazu noch völlig kostenlos für die Greifswalder Hochschule.
Kritiker von Online-Befragungen weisen auf die niedrigere Beteiligungsrate an solchen Umfragen hin. Während einer Lehrveranstaltung sei der Rücklauf an ausgefüllten Evaluationsbögen gemessen an der gesamten Teilnehmerzahl höher.  Die Eingabe der durch die schriftliche Befragung erhobenen Daten in InstEval ist außerdem zeitaufwendig. Als weiteres Argument gegen eine Umfrage über das Internet wird die Möglichkeit der Face-to-Face-Kommunikation zwischen Lernenden und  Lehrenden über die Schwachstellen in der Lehre angebracht. Natürlich kann ein Dozent genauso dem Studierenden Feedback über dessen Leistung nahe bringen.
Den Kritikern kann mit den Nutzungsgewohnheiten der Stu-dierenden entgegnet werden: sowohl zum privaten Vergnügen, als auch zur Recherche, Online-Bestellung von Büchern, Kommunikation mit Dozenten, … – also für die universitäre Arbeit – wird das Internet genutzt. Warum sollten die technikaffinen Greifswalder Studenten nicht auch noch die Lehre ihrer Institute online bewerten?

Endeffekt

Die Lehrevaluation läßt sich auch durch andere technisch ausgereifte Lösungen bewältigen. Beispielhaft sind Hochleistungs-Dokumentenscanner mit angeschlossener Software zu nennen. Diese unterstützen die Eingabe schriftlicher Fragebögen. Die Software wertet diese danach aus und weist ebenfalls auf Stärken und Schwächen der Lehre hin. Diese Scanner können auch anderweitig benutzt werden.
Der Rektor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Prof. Rainer Westermann, bevorzugt aber lieber die InstEval-Lösung.
Egal ob die Lehre online oder auf Papier bewertet wurde. Egal wie die Auswertung stattgefunden hat; Hauptsache die Lehrqualität verbessert sich.

Geschrieben von Björn Buß, Uwe Roßner

Gut gesichert?!

Kampf dem Diebstahl von Fahrrädern

Wird nach dem preisgünstigsten und umweltfreundlichsten Nahverkehrsmittel gefragt, führt das Fahrrad die Rangliste der Antworten an. Jedenfalls in einer von der Einwohnerzahl kleinen Stadt wie Greifswald. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind in Taktfrequenz, dem Preis-Leistungs-Verhältnis und der Geschwindigkeit nach verbesserungswürdig. Im Berufsverkehr gewinnt der Radfahrer das Rennen gegen den Busfahrer. Nicht nur Studenten der Ernst-Moritz-Arndt-Universität schätzen diese Vorteile. Auch Dozenten treten in die Pedalen. Die Suche nach einem Parkplatz für das eigene Auto entfällt, ein Stellplatz ist schnell gefunden. Doch Obacht: nicht überall darf man sein Velo hinstellen bzw. anlehnen!

Sicherung

Der Besuch einer Lehrveranstaltung, abendliche Aktivitäten, … – Gründe gibt es genug, sich in Greifswald fortzubewegen. Hat man sich nun per Radel von A nach B bewegt  und dieses barrierefrei abgestellt, gilt  dennoch: vorbeugend abschließen! „Das Fahrrad sollte am besten an einen festen Gegenstand, wie einem Laternenmast oder Fahrradständer, angeschlossen werden“, sagt Kriminalhauptmeister Roland Käding von der Polizeiinspektion Greifswald. Ungeeignet zur Sicherung seines Eigentums sind Schlösser, die lediglich die Räder blockieren und  dünne Kabel- sowie Bügelschlösser. Für Diebe stellen diese kein Hindernis dar.
Obwohl man sein zweirädiges Gefährt mit einem guten Fahrradschloss an einen Gegenstand anschliesst, kann dies trotzdem entwendet werden. „Jeder Fahrradbesitzer sollte sich die wichtigsten Informationen wie Rahmennummer, Farbe und Model notieren“, sagt Käding. Diese Informationen sind bei der Aufklärung sehr hilfreich. „Wir finden viele Fahrräder, die wir aber der Anzeige nach nicht genau zuordnen können“, bedauert Käding. Da Bestohlene nicht alle zur genauen Identifikation nötigen Informationen wissen, tritt dieses Problem auf. Wer kann schon nach  der Auskunft „Mir wurde ein blaues Damenrad gestohlen” den Sachverhalt aufklären?

Heute schon codiert?

Besonders hilfreich ist neben der vorhandenen Rahmennummer für die Wiedererkennung eine zusätzliche Codierung am Fahrradrahmen.Der Präventionsrat der Hansestadt Greifswald ermöglicht die kostenlose Anbringung der Codiernummer. Dies dauert nur etwa fünf Minuten und ist im Foyer der Mensa von Montag bis Donnerstag in der Zeit von 9 bis 17 Uhr möglich. Mitzubringen sind der Eigentumsnachweis über den rechtmäßigen Besitz und der Personalausweis. Über diese Kennzeichnung ist die Wohnanschrift des Eigentümers erkenntlich. Der Code besteht aus dem örtlichen Kraftfahrzeugkennzeichen, dem Gemeinde- und Straßenschlüssel, der Hausnummer und den Initialen des Besitzers. „Codierte Fahrräder werden seltener gestohlen als Uncodierte und können auch leichert identifiziert werden”, freut sich Käding.
Auch der Greifswalder Fahrradfachhandel führt die diebstahlabschreckende Kennzeichnung durch.

Eigentumsübertragung

Bei Routinekontrollen entdeckt die Polizei regelmäßig als gestohlen gemeldete Drahtesel. Werden die Fahrer befragt, beteuern diese der Eigentümer des Rades zu sein. Sie hätten es für wenig Geld von einem Bekannten erworben. In diesem Moment glaubhaft nachzuweisen,  ein Käufer und kein Dieb zu sein, ist am besten durch einen Kaufvertrag möglich. Dieser muss auf jeden Fall den Namen des Verkäufers enthalten und über dessen Eigentumsnachweis sollte sich vergewissert werden. Am besten, man läßt sich den Personalausweis zeigen. „Mit einem Kaufvertrag ist man auf der sicheren Seite”, sagt Käding.    

Statistisch

Im Jahr 2004 wurden insgesamt 1433 Fahrräder bei der örtlichen Polizei als gestohlen gemeldet. Es gibt ungefähr 40.000 Velos in der Stadt am Ryck. Die meisten Diebstähle ereignen sich in der Greifswalder Innenstadt. Vor allem in der Nähe der Dompassage in der Langen Straße und an der Mensa am Schießwall werden Fahrräder entwendet. „Die Diebstähle an der Universitätsbibliothek am Berthold-Beitz-Platz sind dagegen in den letzten Jahren zurückgegangen“, berichtet Käding weiter.
Ende der Neunziger Jahre war die Hansestadt Greifswald im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern die Hochburg des  Fahrraddiebstahls. Im Spitzenjahr 1997 wurden 2772 Fahrräder gestohlen. Die Aufklärungsquote lag da allerdings nur bei 1,8 Prozent. Seitdem steht der Kampf gegen den Diebstahl von Drahteseln auf der Prioritätenliste der Polizei ganz oben. Die nun intensiveren Bemühungen, wie vermehrte Kontrollen, zeigen seit dem Jahr 2000 ihre Wirkung: Die Anzahl der angezeigten Verbrechen sank stark und die Aufklärungsquote stieg auf über zehn Prozent.
„Leider herrscht bei Fahrraddiebstählen ein geringes Unrechtsbewusstsein“, entnimmt Käding den Gesprächen mit gefassten Dieben. Fahrraddiebstahl ist aber kein Kavaliersdelikt und wird durch das Strafgesetzbuch in den Paragraphen 242 und 243 geregelt. „Fahrraddiebstahl ist Teil der Beschaffungskriminalität für Drogen und Konsumgüter“, erinnert Käding.
In diesem Jahr stellt die Greifswalder Polizei schon 66 Velos sicher, die eindeutig einer Straftat zuzuordnen sind, da bei der Anzeige des Diebstahls die Rahmennummer bekannt war. Aber auch in anderen deutschen Städten werden Drahtesel gefunden, die in Greifswald als gestohlen gemeldet wurden.

Geschrieben von Björn Buß

„Den Neuen unter die Arme greifen.“

Wie „alte Uni-Hasen“ ihre Ersti-Woche erlebt haben

Katja Gäbler

„Ja, wir hatten 535 Erstis im letzten Jahr. Das war eine Aufgabe für uns. Zum Glück hatten wir viele Helfer und so hat alles gut geklappt. Ich selbst hatte eine sehr schöne Erstsemesterwoche als ich hier angefangen habe. Die meisten Leute, mit denen ich heute noch Kontakt habe, kenne ich von damals.“

„Als Mitglied des Fachschaftsrats habe ich im letzten Jahr die Ersti-Woche von der anderen Seite aus miterlebt. Wir mussten vorher viel organisieren, doch es war eine tolle Belohnung, wenn man den Neuen bei ihren tausend Fragen weiterhelfen konnte.“

„Ich habe von meiner Erstsemesterwoche damals nur einen Tag mitgemacht und bin trotzdem gut zurecht gekommen. Das einzige, was ich im Nachhinein vermisst habe, sind die Partys, die angeblich ein Knaller gewesen sein sollen.“

„Meine Ersti-Woche war sehr schön. Als ich vor drei Jahren nach Greifswald kam, kannte ich noch niemanden, doch das hat sich durch die Woche schnell geändert. Die Geographen und der AStA haben einiges organisiert und auch beim Bau des Stundenplans geholfen. Damit war der Einstieg leichter und das hat mich auch dazu bewogen, ein Jahr später selbst Tutorin zu werden und den Neuen unter die Arme zu greifen.“

Geschrieben von Kai Doering

Baetke digital

Greifswalder Projekt ermöglicht elektronische Recherche in Standardwerk zur Altnordistik

Pünktlich zu Semesterbeginn schaltet die Universitätsbibliothek auf ihrer Internetseite ein Grundlagenwerk zur Nordischen Philologie frei: Ab dem 16. Oktober kann das ‚Wörterbuch zur altnordischen Prosaliteratur‘ von Walter Baetke kostenfrei heruntergeladen werden.

„Das hätte sich Herr Baetke sicher nicht träumen lassen“, sagt Prof. Hans Fix-Bonner mit einem Blick auf seinen Laptop, „dass wir heute so in seinem Buch recherchieren. Mit einem Klick auf die Seitenzahl kann man das gesuchte Wort sofort finden und sich anzeigen lassen.“

Korrigiert und erweitert

Fast zwei Jahre lang haben Fix-Bonner und seine Mitarbeiter am Lehrstuhl für Nordische Philologie des Mittelalters und Historische Sprachwissenschaft an der digitalen Ausgabe des altnordischen Wörterbuchs gearbeitet. Das Ergebnis ist nicht nur ein komplettes Faksimile des von 1965 bis 1968 in Berlin erschienenen Werkes, sondern vor allem ein fast 300 Seiten starker Index. Hier befindet sich neben einem Verzeichnis zu korrigierender Fehler und einer Reihe von Literaturhinweisen die interaktive Komponente des Wörterbuchs: ein vollständiges Stichwortverzeichnis mit 23.521 Einträgen, das beim Anklicken auf die Seitenzahl zur entsprechenden Stelle im gedrucken Werk wechselt und das gesuchte Wort anzeigt.

Der Clou: Während Baetke seine Einträge streng semantisch ordnete und flektierte Wörter so unter der jeweiligen Grundform erscheinen mussten (im Altisländischen ergeben sich dadurch häufig starke Verschiebungen im Alphabet), sind hier alle Stichworte alphabetisch sortiert. So können besonders Sprachlerner und Interessierte ohne umfangreiche Grammatikkenntnisse leichter die gesuchten Wörter auffinden.
Den neuen Erscheinungsort seines überarbeiteten Wörterbuchs kannte Baetke gut: Von 1930-1935 war er Mitglied des Akademischen Prüfungsamtes und 1933-1934 Lehrbeauftragter für Germanische Religionsgeschichte an der Uni Greifswald, bevor er nach Leipzig wechselte und dort an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften ab 1952 am ‚Wörterbuch zur altisländischen Prosaliteratur’ arbeitete. Aus Leipzig kam daher auch die Genehmigung für die Internetpublikation auf der Seite der Universitätsbibliothek.

Das digitale Wörterbuch ist nur eines von mehreren linguistischen Projekten, die mit denen sich die Altnordisten aktuell befassen. Im Gesamtprojekt zur altisländischen Morphologie, für das das Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg Software und Arbeitsplätze zur Verfügung stellte, entstehen bis Anfang 2007 ein altnordisches morphologisches Wörterbuch, in dem die Kompositionselemente eines Wortes aufgeschlüsselt werden sowie ein rückläufiges altnordisches Wörterbuch, das alle Wörter von der  Endung her auflistet. In das morphologische Wörterbuch mit 300.000 Lemmata (Schlagwörtern) fließt auch der Wortschatz des Wörterbuchs von Walter Baetke ein.

Weltweit erreichbar

Für seine Studenten, aber auch für die mit Deutschkenntnissen anderer Skandinavistischer Institute im In- und Ausland bedeutet die Digitalisierung nicht nur eine enorme Erleichterung beim Nachschlagen der altisländischen Wortformen, sondern, so hofft Fix-Bonner, auch eine Steigerung der Attraktivität des Fachs. „Ich denk, dass auch aus anderen Ländern bald Zugriffe auf die Seite erfolgen werden“, fügt er hinzu, „denn zur Zeit ist das Buch in Deutschland nur für beträchtliches Geld erhältlich. Nach unserer Onlinepublikation hingegen steht das Nachschlagewerk allen Interessierten uneingeschränkt zur Verfügung.“

Geschrieben von Marlene Sülberg

Arvids Kollumne: „Das bist Du!“ – Über die digitale Identität

Nach dem theatralischen Abschied im letzten Heft werden viele Leser verwundert zur Kenntnis nehmen, dass ich hier schon wieder eine ganze Seite mit meinen Gedanken fülle. Da bin ich meinem Ziel, „etwas kürzer treten zu wollen“, mal wieder nicht gerecht geworden. Allen „Erstis“ sei gesagt, dass hier ein Relikt des Magisterstudiums am Werk ist, das die ihm dadurch gegebenen Freiheiten der universitas literarum im Laufe der Semester (mehr oder weniger) intensiv genutzt hat. – So, nun in medias res.

„Arvid hat keine Freunde an der Uni Greifswald.“ – Diese nüchterne Aussage sprang mir als Erstes entgegen, als ich mich beim StudiVZ „einloggte“. Doch kaum eine Stunde später bekam ich die erste „Freundschafts-Einladung“. Die mit ihr verbundene Nachricht sah wie folgt aus: „Ich wusste gar nicht, dass du Zeit für so was hast.“ – Ja, eigentlich hatte ich die Zeit auch nicht, aber ich habe sie mir genommen. Es war einer der letzten heißen Tage im Juli – „bevor es dunkel wurde; vor dem August“ (um mal diesen Sommer zu charakterisieren) – und eigentlich wollte ich mich ja um meine Arbeit kümmern, was aber faktisch oft so aussah, dass man nur auf den blinkenden Cursor starrte, während „The End“ von den „Doors“ erklang und der Rettungshubschrauber überm Dach zum Landen ansetzte. Und so war ich gerne geneigt, mich „kurzweiligeren“ Dingen hinzugeben.
Bereits wenige Tage später war die Zahl der „Freunde“ zweistellig und es wurde zur täglichen Gewohnheit, einen Blick auf diese Seiten zu werfen, auch wenn man keine E-Mail mit „Neue Nachricht“ bekam – wobei es dann doch etwas nervig wurde, wenn es hieß „Arvid Sowieso hat eine Nachricht in der Gruppe ‚Alle Arvids’ hinterlassen“.
Auf „das wohl größte und am schnellsten wachsende Studenten-Netzwerk Europas“, wie es sich offiziell bezeichnet, aufmerksam gemacht wurde ich übrigens durch ein anderes Phänomen, das sich in diesem Sommer nicht nur bei Politikern großer Beliebtheit erfreute und das aufgrund seiner „eher physischen Ausrichtung“ der Jahreszeit eigentlich eher angepasst war: der Drachenbootsport. Um meine subjektive Befangenheit über das, faktisch utopische, Ideal des „objektiven Journalisten“ stellen, möchte ich hier explizit das Wettkampfteam „Hell-Fisk“ nennen, dem ich mich als dokumentierender Begleiter sehr verbunden fühlte.

Doch hier zeigt sich wieder einmal die temporäre Gebundenheit, die der Enthusiasmus mit sich bringt. Hauptintention vieler, die sich in die Gruppe „Hell-Fisk“ einschrieben, war es sicher, das Phänomen des „Teamgeistes“ in die digitale Welt zu übertragen, also ein lebendiges Forum für all die Anliegen zu schaffen, die diese Gruppe definiert. Doch die anfängliche Begeisterung für diese Lebendigkeit wurde bald transformiert – zu einer akribischen Systema-tisierung und Archivierung von Fakten. Was ich in der Juni-Kolumne noch selbstmitleidig angeprangert hatte, ist nun zur Profession geworden: In den „Fotoalben“ kann man eine Welt aufbauen, die sich jenseits des Bildschirms oder platonisch gesprochen „hinter einem“ verbirgt. Doch über die „Privatandacht“ hinaus ist es die „soziale Repräsentation“, die hier eine immense Aufwertung erfährt. Es entwickelt sich fast zu einer Art Politikum, ob man einen „Freund“ ablehnt oder bestätigt – wobei ich bisher noch niemanden abgelehnt habe und hier niemandem vor den Kopf stoßen möchte, aber als neulich anstatt 30 nur noch 29 Freunde da waren, kam mir spontan nicht in den Sinn, wer fehlen könne, bis ich erfuhr, dass es sich um „Stadt Greifswald“ handelte – „Stadts Freunde“ waren zuletzt über 200. Die Kündigung der Freundschaft kommt also einer damnatio memoriae gleich.
Eine derartige Entwicklung ist einem solchen System sicher zwangsläufig inhärent, doch fragt man sich, inwieweit eine derartige Detailfülle zur jeweiligen Person von Nöten ist. Vielleicht ist es ein zu „investigativer“ Drang meinerseits, der mich bereitwillig derartigen Informationen (wie z.B. der schulischen Vergangenheit) nachgehen lässt. Aber andererseits besteht offenbar auch der Wille, entsprechend viel „über sich“ zu sagen. Welche Folgen die Angabe des Geburtsdatums hat, ist vielen sicher anfänglich nicht bewusst.

Olfaktotrische Hasenjagd

Als Unterstützung „realer“ sozialer Kontakte mag das System ja durchaus angebracht sein, jedoch stellt sich die Frage, ob hier nicht Welten aufgebaut werden, die mitunter den Anspruch erheben wollen,  sich über diese Realität hinweg zu setzen – Wel-ten, die Hierar-chien neu definieren wollen, die Beziehungen entstehen lassen, denen letztendlich – wie man schweren Herzens erkennt – die Basis fehlt.
Denn auch wenn die digitale Technik mittlerweile schon bestrebt ist, eine Hasenjagd in einem Lavendel-
feld nicht nur audiovisuell, sondern auch olfaktorisch zu adaptieren, ist es doch immer noch die Welt „dort draußen“, in der wir uns begegnen müssen – denn was ist schon ein durchkalkulierter Generalstabsplan gegen die unbekümmerte Spontanität eines Lächelns … .

Geschrieben von Arvid Hansmann