Mahnend

Rampenlicht ist für Personen des öffentlichen Lebens ganz Gewöhnlich. Ein Buch über Privates auch. In vergangenen Jahren gehörte dies fast zum guten Ton. Gerade bei Politikern. Doch welche Erinnerungen helfen der Zukunft? Die Grenze zwischen Poltik und Privatssphäre zieht Claudia Roth in ihrem ersten, von Michael Friedman herausgegeben Buch. Der Kampf für die Rechte von Minderheiten, die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und der Eintritt von Menschenrechten zeigen einige private und öffentliche Sorgen der Grünen-Vorsitzenden. Selbst während Greifswalder Lesung ging sie der Verantwortung des Einzlnen im anschließenden Gespräch behutsam nach.

Geschrieben von Uwe Roßner

Tanz in drei Teilen

„Fascinating Rhythm“

Dieser Titel eines bekannten Gershwin-Songs inspirierte Ralf Dörnen zu der gleichnamigen Ballettaufführung, die am 6. Januar 2007 vorerst letztmalig auf Greifswalds Bühne zu sehen ist. Der Chefchoreograf des Theater Vorpommerns inszenierte drei eigenständige Ballette zu unterschiedlicher Musik.

Das Programm beginnt klassisch mit einer Komposition von Mozart, zu der das Ballettensemble in weißen Kostümen  geradezu stereotyp seine Pirouetten dreht. Die Tänzerinnen und Tänzer füllen die Bühne mit Sprüngen, Hebefiguren und kleineren Wacklern. Der eher weniger synchrone  Einstieg stört das vornehmlich ältere Publikum jedoch nicht. Im zweiten Teil des Stückes versuchen sich die Künstler an Gershwin Songs in der Interpretation von  Jazzlegende Ella Fitzgerald. Vor allem die männlichen Tänzer überzeugen mit lässigen Bewegungen in der improvisatorisch anmutenden Choreografie. Den Ballerinas liegt Jazz weniger, sie wirken wie Gefangene im Korsett ihrer traditionellen Ballettausbildung.
Das anspruchsvolle Finale des Abends bildet die Umsetzung eines von Leonard Bernstein vertonten Gedichts mit dem Titel „The Age of Anxiety“. Das Thema Angst spiegelt das Ensemble mit schauspielerischem Talent und modernem Tanz facettenreich wider.
„Fascinating Rythm“ ermöglicht einen  Einblick in verschiedene Ballettstile und begeistert auch Neulinge durch  Abwechslungsreichtum.

Geschrieben von Sarah Bechimer

Kino: Herz bei Fuß

George Millers „Happy Feet“

Eigentlich gibt es nur eine Regel in der Pinguin-Welt: Lass das Ei nicht fallen. In einer stürmischen Nacht passiert es dann doch. Vater Memphis lässt sein Ei fallen.

Einige Zeit später versucht sein Sohn Mumble, der Held des Films, sein persönliches Herzenslied zu finden. Doch anstelle seiner Stimme bebt sein Körper und die kleinen Füße fangen an, wie wild zu zappeln. „Lass das sein“, sagen alle, denn steppen ist nicht singen. Es ist unpinguinisch und macht ihn zum Außenseiter. Mumble hat ein Problem: Nur über das Herzenslied finden Pinguine den idealen Partner. Wie Mumble es dennoch schafft, sich selbst treu zu bleiben, neue Freunde – die Latino-Pinguine – zu finden, diverse Abenteuer zu bestehen, seine Herzensdame von sich zu überzeugen und seine Zivilisation vor dem Hungertod zu bewahren, wird liebevoll dargestellt.
„Happy Feet“ ist der neueste Animationsfilm in den Kinos und stellt mit seiner realitätsnahen Grafik die computeranimierten Vorgänger in den Schatten. Mit sehr viel Liebe zum Detail arrangiert, wirken die Bilder der Pinguine und der antarktischen Landschaft faszinierend. Die mitreißenden Tanzeinlagen der watschelnden Frackträger und ihre fröhlich vorgetragenen Popsongs geben dem Film seinen eigenen Charakter.  
Neben der Haupthandlung finden aktuelle Probleme wie achtloser, menschlicher Umgang mit der Natur und religiöser Fanatismus Eingang in das tierische Treiben. Leider lässt die anfangs mitreißende und stimmige Handlung zum Ende nach.
Der Plot des George Miller-Films ist weniger erwachsenenkompatibel als beispielsweise „Shrek“ oder „Findet Nemo“. Aber „Happy Feet“ ist ein audiovisuelles Highlight mit viel Witz und Charme. Fürs Herz einfach gut.

Geschrieben von Antonia-Madeleine Garitz

Kino: Pappmaché und Zuckerguss

Arno Sauls „Wo ist Fred?“

Nach „Barfuss“ hing die Messlatte für Til Schweiger hoch. Umso mehr überrascht die Handlung von Arno Sauls Streifen „Wo ist Fred?“.

Um den verzogenen Sohn seiner Angebetenen zu beeindrucken, spielt Fred (Til Schweiger) einen Behinderten – und wird prompt von Denise (Alexandra Maria Lara) für einen Imagefilm entdeckt. Eine Woche Drehzeit muss Fred durchhalten, dann winken sein altes Leben ohne Sprachcomputer und verdientes Liebesglück.
Trotz etwas konstruierter Handlung hat dieser Film das Zeug zu guter Comedy: Jürgen Vogel als Möchtegern-Krankenpfleger Alex und Christoph Maria Herbst als kamerageiler Rollstuhlfahrer Ronny wirken deutlich engagierter als das Dauernaivchen Denise und ihr rollstuhlfahrender Hauptakteur.
Ohne zu problematisieren, traut sich dieser Film Gags der anderen Art: hintersinnig-böse Sprüche im Pflegeheim, ein Baufahrzeug als Rolli-Cabrio – das ist endlich mal was Neues ohne erhobenen Zeigefinger. 

Das „Wo ist Fred?“-Drehbuch stammt von zwei US-amerikanischen Autoren und ließ sich auf den deutschen Handlungsort adaptieren. Benötigt die anscheinend ideenarme deutsche Filmwirtschaft wirklich den Import ausländischer – und im Herkunftsland unverkäuflicher – Filmdrehbücher?
Dem rauben abgegriffene Szenen wie die Zwillingsbruder-Doppelrolle und die amerikanisierte Geständnisszene dann der Herangehensweise leider alle Originalität. Mut zur doppelsinnigen Comedy bis zum Schluss hätte dem Streifen besser gestanden. Sonnyboy Til Schweiger ist nicht in Bestform: Fred überragt zwar eindeutig den Manta-Fahrer Bertie, nicht aber den bewegten Axel und schon gar nicht den Loser Nick Keller als Freund schuhloser Damen.

Geschrieben von Marlene Sülberg, Björn Buß

Kino: Sex- und Machtspielchen

Angelia Maccarones „Verfolgt“

Es handelt sich um eine Liebesgeschichte der skurrilen, aber nicht witzigen Art. Die beiden Protagonisten wären schon unter normalen Umständen ein komisches Paar. Elsa, Mitte 50, ist beruflich erfolgreich und lebt zusammen mit ihrem Mann in einem Hamburger Vorstadthäuschen.

Ihre Erscheinung weist deutliche Spuren des Alters auf. Jan, 16 Jahre alt, ist gerade auf Bewährung aus der Haft entlassen worden und mutterseelenallein. Mit seinen dunklen Locken und dem melancholischen Blick wäre er die optimale Besetzung für eine britische Indie-Hype-Band.
Aber Elsa ist Jans Bewährungshelferin. Jan ignoriert die für ihn in dieser Konstellation vorgesehenen Rolle. Statt ohnmächtig abzuwarten, ergreift er die Initiative und beginnt, Elsa zu beschatten. Immer unverholener bietet er ihr seine sexuelle Unterwerfung an. Elsa ist zunächst irritiert, lässt sich aber schließlich auf das Wagnis ein. Der Film schildert sehr sensibel, wie die beiden in einen sexuellen Kosmos gezogen werden, der unabhängig von ihren Lebenswelten zu existieren scheint. Hier kann Elsa sich von den institutionellen Fesseln der Bewährungshilfe befreien und ihren autoritären Impetus schlagend und befehlend zelebrieren. Auch Jan intensiviert die ihm in der Lebenswelt zugedachte Rolle als Objekt der staatlichen Hilfestellung, indem er sich gehorsam und geduldig unterwirft.
Diese gefühlvolle Inszenierung der Sehnsüchte von Jan und Elsa wird wiederholt mit brutalen Szenen aus dem wirklichen Leben kontrastiert. Jan treffen die üblichen Pubertätsprobleme doppelt hart: er lebt unverstanden in einer WG mit anderen jugendlichen Straftätern. Elsas Ehe kann man förmlich beim Zerbröseln zusehen. Langsam gerät alles außer Kontrolle. Das Ganze in Schwarzweiß und preisgekrönt (Goldener Leopard beim Cinéastes du Présent in Locarno 2006). Diese Liebesgeschichte, man ahnt es schon, kann einfach nicht gut ausgehen… .   

Geschrieben von Philip Rusche