Das große Kind Greifswalds

Über das Leben und Schaffen Caspar David Friedrichs

Greifswald 1787 – nach Hilfe schreiend, versucht sich Christoffer Friedrich aus dem eisigkalten Gewässer zu befreien. Um ihn herum erstreckt sich eine Eisdecke, die bei seinen Versuchen auf ihr Halt zu finden, nachgibt. Seine Arme rudern durch die Luft, er schafft es nicht sich über Wasser zu halten, bis schließlich die letzten Luftblasen an die Oberfläche dringen.

Der 13-jährige Caspar David Friedrich steht vor Kälte schlotternd am Ufer und muss dabei zusehen, wie sein eigener Bruder vor seinen Augen ertrinkt, bei dem Versuch ihn zu retten.

Schon früh verläuft das noch junge Leben Caspar David Friedrichs nicht wie im Bilderbuch. Dennoch schaffte er es zu einem der bekanntesten Künstler der Romantik zu werden. Wahrscheinlich nicht zuletzt wegen seiner Schuldgefühle gegenüber seinem Bruder, die ihn dazu bewegten sich mit dem Sterben und der Vergänglichkeit des Menschen auseinanderzusetzen. Wohlmöglich brachte dieses Trauma seine einzigartige Kunst hervor, die in seine Zeit irgendwie nie so richtig passte.

Die Anfänge seiner Kunst

„Friedrich brach alle Kunstregeln, die man zu dieser Zeit auch nur brechen konnte“, meint auch Prof. Dagmar Lißke, Dozentin am Caspar-David-Friedrich Institut. Den Anfang seines späteren künstlerischen Schaffens macht in Friedrichs Leben Johann Gottfried Quistorp. Dieser war Zeichenlehrer in der damals kleinen Universität Greifswald. Ungefähr 100 Studenten aus der Umgebung besuchten die Lehrstätte um sich für ein Jahr weiterzubilden. Friedrich dagegen lernte vier Jahre lang das Zeichnen von Quistorp. „Offiziell eingeschrieben war er jedoch nicht. Zumindest haben wir keine Matrikelnummer von ihm gefunden.“, so Lißke. Als einziger der zehn Geschwister, der keinen handwerklichen Beruf ausübte, versuchte er als Künstler seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei lebte er in Kopenhagen oder Dresden, besuchte seine Heimat aber immer wieder auf. Vor allem bei seinen vielen Spaziergängen machte sich Friedrich Skizzen um sie später für seine Bilder zu verwenden.

Eigene Arbeitsweise

Abgeschieden von der Außenwelt schuf Friedrich in seinem Atelier anhand der Entwürfe seine Bilder. Ganz nach seinem Geschmack war es ihm möglich diese zu entwickeln, da er zu den ersten freien Künstlern zählte, die sich ausschließlich durch den Verkauf ihrer Bilder finanzierten. Wie ein Regisseur setzte er seine Werke zusammen, die selten der Wirklichkeit entsprachen. Doch genau dies machte sie so einzigartig. „Er benutzte eine Montagetechnik, die erst später im 20. Jahrhundert üblich war. So wie wir es aus dem Kino kennen.“, erklärt Lißke. Diese einzelnen Teile zeichnete er sehr genau und schaffte somit ein Wirklichkeitsgefühl, auch wenn das Dargestellte nie so zu finden war. Friedrich verzichtete außerdem auf Dramatik und obwohl die Kunst zu dieser Zeit durch den sonnigen Süden dominiert wurde, sträubte er sich dagegen nach Italien zu fahren und schlug sogar eine Einladung nach Rom aus. Lieber zeichnete er seine ihm bekannte Landschaft von Norddeutschland.

Von Kritik zu Lob

Freunde machte sich der gebürtige Greifswalder allerdings nicht immer. Sein zeitgenössischer Kritiker Basilius von Ramdohr verstand seine neue Art der Kunst nicht. Auch Ludwig Richter, ebenso wie Friedrich Künstler dieser Zeit, hinterließ in seinem Tagebuch keine freundlichen Worte über seinen Kollegen. „…die Bilder sind von kranker Schwermut durchdrungen und es geht von ihnen ein Fieberreiz aus, der den Betrachter verunsichert…“. Ja, er verstand es mit seinen Bildern für Verwirrung zu sorgen. Insbesondere seine unzähligen Rückenfiguren, die oftmals seine Ehefrau Caroline Bommer darstellten, werfen in dem Betrachter Fragen auf. „Man weiß nie, wo genau er gestanden hat. Es ist eine komische Perspektive und schafft keine Klarheit“, empfindet auch Lißke.

Neben seinen Kritikern fand Friedrich auch Begeisterte für seine Kunst. Einer seiner Fans war beispielsweise der preußische Kronprinz und auch Russland interessierte sich für seine Werke.

Bescheidenes Leben

Seine rasche Popularität änderte seine Lebensweise allerdings nicht. Einfach und bescheiden führte er ein Leben fernab des weltlichen Genusses, vor seiner Heirat mit Caroline lebte er beinahe wie ein Mönch. Zeitgenossen Friedrichs erlebten ihn als introvertierten und teils depressiven Künstler mit dem Hang zur Melancholie, die auch nicht bei seinen Bildern verborgen bleibt. Zu gern unternahm er bei Sonnenuntergang oder auch bei Nacht einsame Spaziergänge um sein Lieblingsmotiv „Nacht“ immer wieder aufs Neue zu verarbeiten.

Auch sein Atelier wurde als Mönchszelle beschrieben, in der sich während seiner Arbeit kein einziger Gegenstand befinden durfte. Die Utensilien, die er benötigte, bewahrte er in einem Nebenraum auf, da sie sonst, so Friedrich, das Aufsteigen der inneren Bilder ins Bewusstsein stören würden.

Verzweiflung und Franzosenhass

Seine Freunde verfrachtete Friedrich jedoch nicht in einen Nebenraum. Hin und wieder suchte Goethe ihn in seinem Atelier auf, welcher sich zwar anfangs lobend über Friedrich äußerte, aber später auch kritisch seine Stimme gegen ihn erhob.

Unfehlbare Treue beschied ihm allerdings sein alter Jugendfreund Ernst-Moritz-Arndt, der ihn in Dresden besuchte und sich mit ihm via Briefwechsel über politische Fragen austauschte. Beide Männer hegten tiefe Feindschaft gegen die französischen Besatzer in Dresden. Der Umgang mit Arndt bestärkten die nationalistischen Gefühle des Malers soweit, dass er eine patriotische Ikonographie schaffen wollte und der Krieg zwischen Deutschland und Napoleon stürzte ihn so in Verzweiflung, dass er in Reisen durch sein Heimatland Zuflucht suchte.

In Vergessenheit geraten

Doch nach dem schnellen Erfolg kam der schnelle Abstieg. Der Realismus hatte Friedrich überrollt und die Romantik verdrängt. Ändern wollte er seinen Stil nicht und an die neue Zeit anpassen schon gar nicht. „Es verhielt sich mit Friedrich damals nicht anders als heute mit der Musik oder Mode. Wenn etwas nicht mehr in ist, verschwindet es vom Markt“, räumt Lißke ein.

Schnell geriet er in Vergessenheit bei seinen Zeitgenossen und wurde erst im 20. Jahrhundert wieder entdeckt. Doch zunächst wurden neun seiner Bilder bei dem Brand im Münchener Glaspalast 1931 vernichtet und in der Nachkriegszeit verstaubten seine Werke in den Kellern der Museen. Diese 120 jährige Missachtung des Künstlers gehört jedoch zu einem einzigartigen Fall in der Geschichte der Malerei. Heute gilt er nun als wichtigster Maler der deutschen Romantik und neben Deutschland bekunden sowohl das europäische Ausland als auch Amerika und Asien Interesse an ihm. „Verständlicherweise ist Friedrich bedeutungsvoll für den asiatischen Raum, denn er entspricht ihrem Gedanken der Einfachheit mit seinen Bildern“, findet Lißke.

Friedrich neu entdeckt

Entgegen seiner Zeitgenossen, wird heute versucht das Erbe Friedrichs zu erhalten und nicht wieder in einer vergessenen Ecke verkommen zu lassen. An vielen Orten und Stellen ist Friedrich gegenwärtig in Greifswald zu finden. 1998 wurde die Caspar-David-Friedrich Gesellschaft hier gegründet und in der alten Seifensiederei seines Vaters entstand das Caspar-David-Friedrich Zentrum. „Der Anfang war jedoch schwer. Denn wo man zunächst glaubte, es würde Geld fließen, blieb dieses dann doch aus“, berichtet Lißke, Mitbegründerin der Gesellschaft.

Dank Friedrich, der auf seinen Zeichnungen Datum und Ort hinterlassen hat, ist dieses Jahr ein Bildweg von seinen Werken geplant, die er über Greifswald gezeichnet hat. „Anhand der Perspektiven der Zeichnungen können wir so Wegweiser aufstellen, wo Friedrich gestanden hat, um zu zeichnen“, meint Lißke.

Doch auch die fernere Zukunft bezieht Friedrich in die Planungen Greifswalds ein. „Es ist angedacht, ein Museum über Friedrich auf der Erweiterungsfläche vor dem Pommerschen Landesmuseum zu errichten. Die Finanzierung ist noch nicht gesichert, so ist es eigentlich zu früh darüber zu sprechen. Das Land hat aber das Projekt an erste Stelle auf der Liste für die vom Bund mitgeförderten Leuchtturm-Projekte gesetzt.“, so die Kuratorin Dr. Birte Frenssen.
Zuletzt reiht sich zur Traditionserhaltung der seit 2001 verliehene Caspar-David-Friedrich Preis ein, um den großen Künstler in Erinnerung zu halten und sich mit seiner Position aktiv auseinanderzusetzen. Zum dritten Mal erhielt eine Studentin aus Greifswald den Künstlerpreis, der außerdem auch in Dresden und Kopenhagen verliehen wird. Denn Friedrich war mehr als ein melancholischer Romantiker. Vielmehr schaffte er seine eigene deutsche spirituelle Landschaftsmalerei, wie auch der französische Bildhauer David d´Angers fand: „Friedrich! Der einzige Landschaftsmaler, der es bislang vermochte, alle Kräfte meiner Seele aufzurühren, der Maler, der eine neue Gattung geschaffen hat: die Tragödie der Landschaft.“

Geschrieben von Katja Graf

CD: Bekannt – Orange but Green

?Bob.Foc?

„Body of baywatch, face of crimewatch“ – ein Top-Körper, dazu ein hässliches Gesicht und aus ist es. Hohe Erwartungen weckt ein solcher Titel nicht. Er stellt eher ein ernstes Hindernis auf dem Weg zur Anlage dar. Ob die drei Dortmunder Jungs nun clever waren, oder ihnen die ausgeschriebene Variante einfach nur zu lang: Das erste professionell produzierte Album von „Orange but Green“ heißt schlicht „BobFoc.“

 Und weil Oli, Kai und Jörn so lustig auf dem Plattencover herum turnen, bekommen sie eine Chance. Ein erster Hörgang lässt Zeit für Nebenbeschäftigungen. Angenehm am Ohr vorbei, plätschern die 13 Songs in einem Wisch durch. Inspiriert wurden die Jungs, als Axel Rose noch voller Zerstörungswut „Welcome to the Jungle“ durch die Musikwelt schrie. Sollten die Kindergartenfreunde Oli und Kai geplant haben, deshalb eine deutsche „Guns N‘ Roses“-Adaption zu gründen, ist dies schief gegangen. Sehr gut. Keine das Gehirn belastenden  Endlos-Kreischschlaufen animieren zu Hörpausen. Vielmehr wird die Wiederholtaste gedrückt, um vielleicht ein oder zwei Songs für den späteren Gang zum Vorlesungssaal im Kopf zu behalten. Was sich als nicht sehr schwer herausstellt. Denn irgendwie kommen einem die Melodien des öfteren verdächtig bekannt vor. 1979 beherrschte der Franzose Patrick Hernandez schon mit „Born to be Alive“ fünf Wochen die deutschen Charts. Auch andere Werke heben sich trotz Ohrwurmcharakter nicht durch ihre Innovativität hervor, sondern erinnern an eingängige Klänge, zu denen schon tausend Mal im Club abgehottet wurde. Sie sind frisch und sie rocken, klar. Doch neu ist das nicht.

Geschrieben von Maria Trixa

CD: Trunken – Children of Bodom

?Bloodrunk?

Nach zwei Jahren Wartezeit melden sich „Children Of Bodom“ nun mit ihrem siebten Album „Blooddrunk“ zurück. Und was passiert? Einmal gehört. Nichts. Noch mal gehört. Wieder nichts. Kein Mähneschütteln oder Sprech-Chöre brüllen? Schon seltsam.

 Denn eigentlich erwartet man von den Finnen um Alexi Laiho knackige Gitarren-Sounds und Songs zum Mitgrölen. Stattdessen: Einheitlich dahindröhnende Stücke und Keyboard-Lines, die sich eher nach Nightwish-Orgler Tuomas Holopainen als nach Janne Wirman anhören. Eine Eingängigkeit wie auf den vergangenen Alben fehlt. Die erste Hälfte geht einem gänzlich zum einen Ohr hinein, dreht eine Runde im Hirn und verlässt dieses, ohne bleibenden Eindruck, zum anderen Ohr. Laihos Gitarren-Soli, die sich mit Wirmans Keyboard duellieren, sind prägnant wie immer, aber spärlich eingesetzt. Auch sein Gesang lässt zu wünschen übrig, obwohl sich an dem sogar Kollege Peter Tätgren zu schaffen gemacht hat. Dahin gehen also potentielle Hits wie der Titel-Song oder „Lobodomy“. Doch, oh Wunder, ab der zweiten Hälfte wendet sich das Klangbild zum besseren. Mit „Banned From Heaven“ liefern die Finnen einen melancholischen Midtempo-Hit ab. Und endlich. „Roadkill Morning“ lässt die Whiskey-geölte Stimme des Fans zum Einsatz kommen. Nach ein paar Bier mag dann auch das Haupt des geneigten Hörers wohl gesonnen nicken. Und als krönenden Abschluss schunkelt man dann mit einem alten Seemannslied in die Abenddämmerung. „Blooddrunk“ ist wie immer bestens produziert. Doch nicht ganz ausgereift, bleibt es hinter den hohen Erwartungen zurück.

Geschrieben von Julia Obst (radio 98eins)

CD: Vergesslich – Guillemots

?Red?

Wer kann sich erinnern? In den 90ern gab es Chartstürmer namens Loona, Magic Affair und Technohead. Und in den 80ern stürmten MC Miker G & Deejay Sven oder Kaoma die Singlecharts. Wer das noch abrufen kann, wird zu seinem Wissen in heuer eine englische Band akkumulieren – die alle anderen bereits im Herbst 2008 wieder vergessen haben werden.

Das liegt nicht daran, dass Guillemots  mit „Red“ keine eingängige Musik vorlegen – au contraire. Aber es bleibt dabei recht seichter Pop, drapiert mit einigen Klang-Anhängseln aus der Ethno-Kramkiste. Man spürt die Halbwertzeit in den Boxen rieseln, wenn die sehr schönen, oft ins Diskofalsett bugsierten Melodien von Sänger Fyfe Dangerfield ertönen, untermalt von Synthiebeats- und Streichern. Beim Opener „Kriss Kross“ kommt gar ein Rave-Orchester zum Einsatz – das löblich schnell von einem Pet-Shop-Boys-Melodie-Klon abgelöst wird.  Die Beats auf Track 2, „Big Dog“, hat man so auch schon bei den Sugababes gehört. Immerhin frohlockt der Song fast wie eine aufgedrehte Phoenix-Nummer. Spätestens im Novembernieselregen wird der Sound von „Red“ aber nach lang-lang-ist’s-her klingen. Vieles auf den elf Tracks gründet  auf 80er und 90er Dancefloorhymnen,  etwa zwischen D. Duran und R. Williams. Heißt also nicht, dass man dazu nicht tanzen möchte. Für mehr reicht es bei den Guillemots aber diesmal leider nicht.

Gegen das Vergessen hilft vielleicht noch diese eine Eselsbrücke: Guillemot ist englisch für Trottellumme – kleine pinguinartige Klippenbrüter, deren Eier so geschickt geformt sind, dass sie nicht in den Atlantik stürzen. Oder war‘s der Pazifik?

Geschrieben von Robert Tremmel

CD: Abhauen – Girls in Hawaii

?Plan your Escape?

„Girls in Hawaii“ sind fünf Jungs aus Belgien und haben mit Hula, Strand und Mädchen rein gar nichts zu tun. Also eigentlich sind sie genau das Gegenteil von dem, was der Bandname uns suggerieren möchte.

Das ist aber die einzige Enttäuschung, die man eventuell bei dieser Band erleben kann. Denn sonst gibt es bei ihnen alles, was Musik immer so besonders macht: wunderschöne Melodien, etwas kryptische Texte und Musik, bei der man weiß, dass dort Menschen mit Herz hinter den Instrumenten stehen. Schon das Vorgänger (Debüt!)Album „From here to there“ war in dieser Hinsicht mehr als eine Offenbarung und hat große Erwartungen für das Nächste geschürt. Glücklicherweise sind diese erfüllt worden. In den 14 Songs des Albums erlebt man gefühlsmäßig mehr als in einem Zweistundenfilm. Tiefe Depression (Fields of Gold) wechselt sich mit leichtfüßiger Dramatik (Suns of The Sons, Bored) und großer Sommerromantik (Summer Storm) spielend ab: Der perfekte Soundtrack für einen langen Tag mit Freunden jenseits des Vorlesungssaals. Nicht umsonst heißt das kleine Meisterwerk auch „Plan your Escape“, denn es beschreibt wunderbar das Gefühl, wenn alles möglich und die absolute Freiheit nur einen Schritt aus der Tür heraus zu finden ist. Wenn der Drang da wäre auszureißen, dann wäre „Plan your Escape“ auf jeden Fall ein Album, das sich wunderbar auf den Straßen dieser Welt machen würde. Auch wenn es nicht ums Abhauen geht, sondern nur um eine Reise mit dem Zug: Dieses Album kann ein wenig Trost spenden, wenn der Blick nach Hause doch mal intensiver wird.

Geschrieben von Esther Müller-Reichenwallner (radio 98eins)