von Archiv | 13.04.2007
Viele Wähler gehen zu einer demokratischen Wahl: Denn seine Stimme abzugeben ist ein Wert an sich und die gewählten Organe sollen die Interessen der gesamten Wahlberechtigten vertreten. Nur eine hohe direkte Partizipation sorgt somit für Legitimation der Gewählten um die unterschiedlichen Interessen der Wähler artikulieren, repräsentieren und integrieren zu können.
Die vorhandene Unzufriedenheit der Wahlberechtigten mit der Politik, den politischen Akteuren und dem gesamten System äußert sich in der Nichtbeteiligung. Studentische Gremien weisen keine hohe Wahlbeteiligung auf. In allen drei Bereichen liegen die Ursachen der Wahlenthaltung. Diese Unzufriedenheit herrscht sowohl bei den hochschulpolitischinteressierten Studenten, als auch den Desinteressierten. Studentischen Parlamenten fehlt somit die Legitimation. Nur viele Wählende erzeugen diese.
Geschrieben von Björn Buß
von Archiv | 13.04.2007
Beteiligung an StuPa-Wahl auf Tiefstand
Die Wahl der Mitglieder des Greifswalder Studierendenparlaments (StuPa) für die im April 2007 beginnede einjährige Legislaturperiode fanden im Januar statt. Insgesamt stellten sich 35 Kandidaten den 10.954 stimmberechtigten Studenten der Ernst-Moritz-Arndt-Universität zur Wahl.
Nach der erst im letzten Jahr beschlossenen Vergrößerung des StuPa von 21 auf 27 Mitglieder kommt theoretisch ein Mitglied des Parlaments auf 405,7 Studierende. Bezieht sich das Verhältnis aber nur auf die Wählenden, dann sinkt es auf 34,4 : 1. Denn die Wahlbeteiligung betrug nur 8,5 Prozent der Wahlberechtigten.
Die Wahlen zum StuPa fallen nie durch eine hohe Wahlbeteiligung auf. Europa-, Bundes-, Länder- oder Kommunalwahlen veranlassen bedeutend mehr Wähler an die Urnen zu gehen als die jährlichen Wahlen des studentischen Gremiums. Und das Problem der geringen Beteiligung ist nicht nur an der Greifswalder Hochschule vorhanden. Deutschlandweit besitzen die Wahlen der Organe der studentischen Selbstverwaltung wenig Anziehungspotential zu partizipieren.
Wenn die Anzahl der Wählenden drastisch sinkt – 30 Prozent weniger Abstimmende gegenüber der Wahl 2006 – ist die Mobilisierung der Studenten zur direkten hochschulpolitischen Teilnahme misslungen.
Trennung von Amt und Mandat
Christian Bäz erhielt 190 Stimmen. Gegenüber dem hochschulpolitische Veteranen erscheinen die 15 Kreuze für den Kandidaten Sören Sölter wenig.
Doch durch die ebenfalls in der letzten Legislatur beschlossenen Trennung von Amt und Mandat könnten sogar alle Nachrücker im StuPa Platz nehmen. Denn um Interessenkonflikte zu vermeiden wurde beschlossen, dass diejenigen Mitglieder des studentischen Parlaments ihr Amt ruhen lassen, solange sie ein Amt im Allgemeinen Studierenden Ausschuss (AStA) inne haben.
Allein acht Mitglieder des neuen StuPa waren in der letzten Legislatur AStA-Haupt- oder Co-Referent. Dass alle Kandidaten der Nachrückerliste einmal als Stimmberechtigte Mitglieder im StuPa Platz nehmen dürfen ist durch die Rücktritte von studentischen Parlamentariern während der letzten Amtszeiten noch realistischer. Proforma scheint die Wahl in diesem Jahr stattgefunden zu haben. Denn der Wettbewerb zwischen den Kandidaten ist gleich Null, wenn alle Willigen auch in das Parlament kommen.
Ursachenforschung
Ist es Desinteresse an der Wahl zum Studierendenparlament oder Wissen über die Bedeutungslosigkeit des Gremiums? „Es ist ein Vermittlungsproblem der Bedeutung des StuPas“, meint Justus Richter, Hochschulpolitischer Sprecher des AStA. Nicht nur um Hochschulpolitik drehen sich die Diskussionen des Parlaments. Soziale und kulturelle Themen stehen ebenfalls auf der Tagesordnung. „Das nichts durch das StuPa bewegt wird, ist falsch“, so Richter.
Die nächste Wahl
„Der Wahlablauf muss besser organisert werden“, sagt der kommissarische AStA-Referent selbstkritisch. Flexiblere Öffnungszeiten der Wahllokale, eine höhere Anzahl selbiger und ein offensiveres Ansprechen der Studenten – auch durch die Kandidaten selbst – kann sich Richter vorstellen. Als Motivationshilfe findet er die in Hessen praktizierte Verknüfung des Haushalts des Studierendenschaft an eine mindestens erreichte Beteiligung bei Wahlen der studentischen Selbstverwaltung nicht: „Missbrauch wäre möglich.“
Die Legimationsschwäche durch die geringe Partizpation und den niedrigen Wettbewerb sollte aber begeget werden, bevor hessische Verhältnisse eintreten.
Geschrieben von Björn Buß
von Archiv | 13.04.2007
Wiederholte Nullrunde für Empfänger
Seit Januar steht es fest. Der zweijährige BAföG-Bericht war zum 17. Mal fällig und so richtig überraschend kommt das Ergebnis wohl für niemanden. Nullrunde heißt es wieder einmal für die Studierenden. Auch die Freibeträge für die Eltern bleiben faul auf ihrem bisherigen Leistungsniveau sitzen.
Für die Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat sich die Sache mit dem Beschluss des Bundeskabinetts wieder einmal schnell und glücklich erledigt. Für Studenten, die wahrscheinlich sowieso am Existenzminimum nagen, nicht. Seit 2001 zum letzten mal eine Anpassung der staatlichen Ausbildungsförderung erfolgte, steigen lediglich noch die Lebensunterhaltungskosten und die Bildung muss zugunsten des Staatshaushaltes immer wieder verzichten. Dabei weißt der BAföG-Beirat, der sich aus Auszubildenden, Lehrenden sowie Vertretern aus entsprechenden Behörden und dem Deutschen Studentenwerk (DSW) zusammensetzt, in seinem Bericht mit harten Fakten auf die Situation des durchschnittlichen, BAföG empfangenden Studenten hin. Im Punkt drei heißt es konkret: „Um im Jahr 2007 wieder das Förderniveau des Jahres 2002 und damit den Stand nach der letzen Anpassung zu erreichen, müssten die Freibeträge damit insgesamt um rund 8,7% oder etwa 125 Euro und die Bedarfssätze um rund 10,3 % , also etwa 48 Euro für Studierende bzw. 36 Euro für Schüler erhöht werden.“ Das kann nicht schön geredet, wohl aber von den durchgesetzten Reförmchen in die Beachtungslosigkeit gestürzt werden. Denn immerhin, Studierenden mit Kindern, ausländischen Studierenden und Deutschen mit Auslandsstudium wird eine gewisse Verbesserung gewährt, die im Nachhinein allerdings leider als geschicktes Täuschungsmanöver enttarnt wird. So bekommen Eltern im Studium zukünftig einen monatlichen Zuschuss von 113 Euro für Kinder unter zehn Jahren. Dumm nur: Der bisherige Rabatt bei der Rückzahlung entfällt. Die Förderung ausländischer Studierender wird nicht mehr davon abhängen, wie viele Jahre die Eltern in der Bundesrepublik gearbeitet haben. Sie müssen lediglich beabsichtigen dauerhaft im Land zu bleiben. Und auch die Deutschen können künftig eher Landflucht begehen. Jetzt soll ein Auslandsstudium auch ab dem ersten Semester und nicht erst nach einem einjährigen deutschen Studium gefördert werden. Die Bildungsministerien erfreut sich an den neuen familienfreundlichen Regelungen. Und weißt Kritiker auf den Studienkredit hin. Warum nicht noch mehr Schulden machen? BAföG sei nie zur vollständigen Finanzierung des Lebensunterhaltes gedacht gewesen. Der Studienkredit allerdings auch nicht. Der wurde in den Ländern zuerst eingeführt, die begannen von ihren Studenten Studiengebühren zu fordern und war dazu gedacht, diese abzudecken. Das führt die wachsende Front der Kritiker unvermeidlich zu dem Argument der sozialen Gleichberechtigung. Bis auf die CDU und Teile der SPD sind das sämtliche Bundestagsparteien, die Bildungsgewerkschaft GEW und vorsichtig der Beirat für Ausbildungsförderung. Dem Ziel, mehr junge Leute zu einem Studium zu bewegen stehe die erneute Nullrunde kontraproduktiv gegenüber. Die Chancengleichheit werde durch ein weiteres Festfrieren der Förderbeträge ebenso wenig erhöht, wie die Motivation potentieller Studenten aus sozialschwächeren Familien. Schon jetzt erhalten fast die Hälfte von derzeit etwa 345.000 studentischen Geförderten den Höchstsatz von 585 Euro. Ein winziger Hoffnungsschimmer bleibt für die Optimistischen unter den Studenten: Bevor sich das BAföG noch bequemer auf dem aktuellen Leistungsniveau einnistet, soll es 2008 eine neue Diskussion geben. Das stellt Ulla Burchardt (SPD), Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, in Aussicht.
Geschrieben von Maria Trixa
von Archiv | 13.04.2007
Glosse
Geht Mensch im „Senfladen“ auf Greifswalds Flaniermeilchen einkaufen, kann ihm folgendes passieren: Er kauft sich belustigt den so genannten Trabi- oder den Einstein-Senf.
Oder er steht leicht irritiert und sinnierend zwischen Bratwurstgeruch und Familienvätern und rätselt und rätselt. Dann nämlich hatte er gerade ein Glas mit der Aufschrift „Schlesien-Senf“ in der Hand. Schlesien? Oder den „Preußen-Senf – preußisch-scharf“. Was war noch mal mit Preußen? Spätestens aber, wenn er den guten „Sudetenland-Senf“ gesehen hat, ahnt er, woher der Wind weht.
Deutschland ist groß und Karl Jungbeck hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Oder: Deutschland hat seine Grenzen aufgedrückt bekommen und Jungbeck scheint das zu glauben. Er ist Inhaber der Altenburger Senffabrik in Sachsen, die im Franchise-System die „Senfläden“ Deutschlands betreiben lässt.
Wie kommt das nun? Ein Unternehmer nimmt ein so delikates Thema wie den Grenzverlauf im Nachkriegsdeutschland in Form von Senf in sein Produktsortiment auf? Soll eine neue deutschnationale Revolution im Sternmarsch von allen Senfläden in Richtung Berlin stattfinden? Fackelzüge mit Bratwurst? Oder Stockbrot? Was wird dann aus der Kapitalismuskritik aus nationalistischer Richtung, wenn Nazis stolz ein Glas Sudetenlandsenf aus einem Franchise-Laden erstehen? Am besten gleich mit einem Deutschländerwürstchen aus dem Kettensupermarkt. Oder will Jungbeck einfach nur den Kundenkreis völkischer Spinner abgreifen?
Wohl auch nicht, denn auf der Firmenhomepage bezieht man ein wenig Stellung. Wirklich wundervoll unseriös wird dort die Unternehmensgeschichte erzählt. Man sieht Jungbeck direkt vor sich, als grantigen Opa mit Gehstock, der seinem Enkel mal was von der Wahrheit erzählt: „Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der Teilung Deutschlands hießen die damaligen Besitzer der Senffabrik Uhleman & Koch. Die Firma hieß: „Ulko – Senf“. Durch das Diktat der neuen in der DDR wurde die Firma „Ulko-Senf“ 1953 enteignet. Ab dieser Zeit war es ein so genannter VEB Betrieb, […]“ Aber es wird noch besser: „So wurden nach der Wende bis Anfang 1992 von einstmals 180 Mitarbeitern 170 entlassen. Die restlichen 10 Mitarbeiter hatten ebenfalls die Kündigung bereits in der Tasche.“ Das geht vielleicht noch als Kapitalismuskritik durch, nachdem der Sozialismus sein Fett bereits weggekriegt hat. Am schärfsten ist jedoch das Schlusswort: „Die Gründerzeit war sehr hart, vieles ist zwischenzeitlich vergessen, manchmal müsste man sagen „leider vergessen“.“ Noch einmal zur Erinnerung: So stellt sich das Unternehmen Altenburger Senffabrik selber auf.
Ob das naiv ist oder ernst gemeint lässt sich nicht sicher sagen. Soll Mensch das jetzt in Kontext zu Senfsorten setzen? Ist Karl Jungbeck ein ganz blindes Huhn oder latent revisionistisch? Vielleicht sollte es einem schwer an die Nieren gehen. Aber der Senf schmeckt eh nicht, vielleicht löst sich das Problem ja von alleine.
Geschrieben von Stephan Kosa
von Archiv | 13.04.2007
Laut Cyril Northcote Parkinson werden in Diskussionsgremien jene Fragen am heftigsten diskutiert, zu welchen die Teilnehmer die meiste Ahnung (zu) haben (glauben). Daneben behauptet Parkinson, dass Beratungsgremien zunehmend ineffektiv werden, wenn sie über 5- 8 Mitglieder anwachsen. Das Studierendenparlament der vergangen Legislatur gab sich alle Mühe Parkinsons Gesetze zu bestätigen.
Debatten dienten dem möglichst lauten Darstellen von Meinungen, statt einer zielgerichteten oder gar zielführenden Diskussion. Selten waren einzelne StuPisten bereit von vorgefertigten Meinungen abzuweichen und verharrten in starrer Verteidigungshaltung. Traurige Höhepunkte dieser Inszenierungen bildeten eine zehnminütige Diskussion über die korrekte Interpunktion innerhalb eines Antrages und der eher flehende als drohende Einsatz von Ordnungsrufen durch das Präsidium um besonders „enthusiastische“ Diskussionsteilnehmer an die zu wahrenden Umgangsformen zu gemahnen.
Einige der gefassten Beschlüsse scheinen, im Nachhinein betrachtet denn auch eher durch erhitze Gemüter als durch kühle Köpfe verabschiedet worden zu sein, und bestehen sozusagen auf Abruf, bis sich neue Mehrheiten finden lassen.
Zum Glück schien man sich mit Beginn des Wintersemesters im StuPa darauf zu besinnen, dass Parkinson seine Gesetzte eher humoristisch als ernst verstanden haben wollte.
Die Mitglieder des Studierendenparlamentes zeigten, dass es anders geht und vor allem, dass sie selbst es auch anders können. Die Debatte zur Trennung von Amt und Mandat zeigte, wie es geht Probleme klar anzusprechen Lösungsvorschläge zu erarbeiten, sie rational gegeneinander abzuwiegen und zu einer Entscheidung zu finden.
Hoffen wir, das die zurückliegende Legislatur ein Lehrjahr war und jene alten /neuen StuPisten welche am 17. April zusammentreten uns beweisen, dass Parkinsons Gesetz definitiv nicht gilt.
Geschrieben von Carsten Mielsch