Leave no one behind!

Leave no one behind!

Vom 04.–07.05. macht ,,Greifswald hilft!‘‘ unter dem Motto ,,Gleiches Recht auf Schutz und Gesundheit für alle! Institutionellen Rassismus jetzt stoppen!‘‘ auf die Situation von Geflüchteten in griechischen Lagern und in den Erstaufnahmeeinrichtungen in M-V aufmerksam. Die Mahnwachen werden jeweils von 11 bis 19 Uhr an der Europakreuzung abgehalten.

,,Greifswald hilft!‘‘ fordert:

  • die sofortige Evakuierung der Geflüchteten-Lager auf den griechischen Inseln und an der griechisch-türkischen Grenze
  • die schnelle Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Menschen aus diesen Lagern
  • eine schnelle finanzielle und humanitäre Unterstützung Griechenlands bei der Unterbringung der Geflüchteten
  • die sofortige Evakuierung der Erstaufnahmeeinrichtungen in Deutschland und die dezentrale Einzelunterbringung nicht-verwandter Geflüchteter
  • die schnelle Unterbringung besonders schutzbedürftiger Menschen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in leerstehenden Hotels oder Wohnungen

Die Zustände an den Grenzen und in den Lagern sind nicht erst mit der Pandemie menschenunwürdig geworden. Schon seit 2015 scheint die humanitäre Hilfe der EU nicht wirklich zu existieren und die viel besprochenen europäischen Werte sind anscheinend mit im Mittelmeer ertrunken. Europa schottet sich ab. Verantwortungen werden verschoben und mit diesem verschieben nicht wahrgenommen. An Frontex und NATO-Draht zerschellen die Menschenrechte und damit auch die Zuversicht der Geflüchteten auf Hilfe.

Viele Städte haben sich auch unter der jetzigen Pandemie dafür ausgesprochen Geflüchtete aufzunehmen. Vor ungefähr zwei Wochen hat Deutschland gerade einmal 47 minderjährige Geflüchtete aufgenommen, während weitere 20.000 unter katastrophalen Bedingungen leben müssen. Nun kann man sich sicherlich über diese 47 Menschen freuen, aber auch sie werden dadurch von ihren sozialen Kontakten und eventuell vorhandenen Familienangehörigen getrennt. Man kann davon ausgehen, dass die meisten Geflüchteten Traumata haben, dadurch wird eine erneute Trennung von bekannten Menschen rein in ein unbekanntes Umfeld und eine unbekannte Situation nicht gerade förderlich sein für ihre psychische Gesundheit.

Aufgrund der Pandemie musste auch die Seenotrettung erst einmal eingestellt werden. Das Anlegen der Schiffe, die sich noch immer auf offenem Meer befinden, wird ebenfalls durch hohe Corona-Sicherheitsauflagen drastisch erschwert. Was sich derzeit an den Küsten und auf dem Mittelmeer abspielt, möchte man sich lieber nicht vorstellen. Deswegen ist es so wichtig immer wieder eine Öffentlichkeit herzustellen und den Druck auf die Politik zu erhöhen. Und genau deshalb sind Mahnwachen, wie sie gerade von ,,Greifswald hilft!“ durchgeführt werden, so sinnvoll.

Erik Marquardt, ein junger Abgeordneter der Grünen im EU-Parlament, lässt das Thema nicht los. Regelmäßig berichtet er aus Flüchtlingslagern, um auf die Situation der Menschen aufmerksam zu machen. Um auf die aktuell zugespitzte Situation u.a. in Moria aufmerksam zu machen startete er mit anderen Aktivist*innen die Aktion #LeaveNoOneBehind. Unter https://leavenoonebehind2020.org/ kannst du dich an der Aktion beteiligen.

Manchmal braucht man visuelle Bilder, um sich der Lage bewusst zu werden. Daher hier ein Video vom UNHCR:

Auch leftvision hat die aktuelle Lage in Moria abgebildet:

Beitragsbild: Greifswald hilft e. V.

Auschwitz – Ein persönlicher Exkursionsbericht

Auschwitz – Ein persönlicher Exkursionsbericht

Jedes Semester bietet der Lehrstuhl von Herrn Dr. Fahl Studierenden die Möglichkeit, unterschiedliche Gedenkstätten des Holocausts zu besuchen und sich dahingehend anhand eines Referats mit verschiedenen Thematiken dem Thema zu nähern. Auch im Wintersemester war es wieder soweit und die Fahrt ging dieses Mal nach Auschwitz. In diesem Artikel versuche ich, Dir meine Eindrücke ein wenig zu schildern…

Auschwitz war nicht die erste Gedenkstätte, die ich besuche. Mein erster Gedenkstättenbesuch ging in der 8. Klasse nach Bergen-Belsen. Das ist das Konzentrationslager, in dem Anne Frank und ihre Schwester den Tod fanden. Mittlerweile studiere ich Geschichte und hatte so die Möglichkeit, auch nach Theresienstadt zu kommen. Wenige Monate vor Auschwitz war ich in Ravensbrück. Ich kann Dir sagen, dass jede Gedenkstätte komplett unterschiedlich ist. Nicht nur in ihrer historischen Aufarbeitung.

Auschwitz jedoch ist etwas diametral anderes. Alleine der Name ,,Auschwitz‘‘ steht in der deutschen und internationalen Erinnerungskultur stellvertretend für alle Konzentrationslager, in denen die Nazis Menschen systematisch ermordeten. Viele werden das Bild von dem Tor vor Augen haben und den Schienen, welche für über eine Million Menschen in Auschwitz in den Tod führten.

Ich kann bei mir nicht davon sprechen, dass die vergangenen Besuche in Gedenkstätten und die wissenschaftliche Auseinandersetzung im Geschichtsstudium mich ,,abgehärtet‘‘ hätten. Das Erlebte brannte sich in mein Gedächtnis.

Es war nicht die Auseinandersetzung mit dem Unvorstellbaren, sondern mit dem Elementarsten. Nach Auschwitz gibt es kein einfaches Weiterleben. Adorno schrieb einmal: ,,Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben ist barbarisch“. Ich füge hinzu: Nach Auschwitz weiter dahin zu leben ist unmöglich. Es gibt kein ,,normales‘‘ Weiterleben. Denn als Mensch in der Menschwerdung steht am Ende die Frage um gut oder schlecht. Handelst du menschlich, also gut, oder unmenschlich, also schlecht. Du entscheidest, ob Du ein Barbar bist. Es war eine bewusste Entscheidung, den Pfad der Menschlichkeit zu verlassen, begründet mit einer menschenverachtenden Ideologie, die das deutsche ,,Volk “ und die deutsche Nation über alle anderen Menschen stellte.

Der Wunsch, schnell zurück zur ,,Normalität‘‘ zu kehren, ist ein privilegierter, deutscher Wunsch. Wie sollten die Menschen nach ihren Erfahrungen, die sie in den Konzentrationslagern machten, aber auch schon in den Jahren zuvor, durch die schrittweise durchgeführte Entrechtung und dem grassierenden Antisemitismus zurück zur ,,Normalität‘‘ finden? Nicht einmal der elende Hunger konnte gestillt werden. Ihre Körper waren durch die jahrelange Unterernährung so destabilisiert, dass viele Menschen schlichtweg körperlich mit einer normalen Nahrungsaufnahme überfordert waren und daran starben. Wie sollte ,,Normalität‘‘ einkehren, wenn die Mitverantwortlichen wieder in hohen Positionen waren? Henker und Richter waren oft eine Person. Mit dem Selbstmord von Hitler verschwand die menschenverachtende Gesinnung nicht. Es stellte sich das Narrativ ,,Wir haben von Nichts gewusst‘‘ ein, um schnell zur ,,Normalität“ zurückzugelangen und das Schweigen begann. Schweigen als stärkste Form der Ablehnung und Gleichgültigkeit.   

Der Glaube, dass die Menschheit heute in irgendeiner Weise zivilisierter oder besser wäre, ist ein naiver Glaube. Aktuelle Beispiele aus der ganzen Welt widerlegen diese Ansicht. Utøya, Christchurch, Hanau rufen Erinnerungen in unserem Gedächtnis hoch. Wenn Menschen sich fast schon ritualartig an den Gedenktagen versammeln, um gemeinsam für ein ,,Nie wieder!‘‘ einzustehen, dann hat das einen gewissen Zynismus für viele Menschen, die von Antisemitismus betroffen sind. (Mehr zur Frage nach einer aktuellen Erinnerungskultur in den Literaturhinweisen findest du hier). Ich glaube zu wenige von denen, die da stehen und ,,Nie Wieder!‘‘ sagen, tun aktiv an den restlichen Tagen des Jahres etwas gegen Rassismus, Antisemitismus und die anderen Formen von Menschenverachtung. Das ,,Nie Wieder!‘‘ ist auch zynisch, da man sich fragen kann, wie weit es denn noch kommen muss. Antisemitismus ist für die meisten jüdischen Menschen Alltag. Das ,,Nie Wieder!‘‘ ist leider ein ,,Immer noch‘‘. Antisemitismus hat eine Kontinuität. Was tust Du gegen menschenverachtende Ansichten?

Ein Haus im Stammlager war historisch neu aufgearbeitet. Es packte mich sofort. Im Eingangsbereich wurden unter dem Gesang von Kindern hebräische Schriften an die Wand projiziert. Im nächsten Raum waren Filmausschnitte aus privaten Filmaufnahmen von jüdischen Familien und dem alltäglichen Stadtleben zu sehen. Menschen, die in der Stadt einkauften, Liebe fanden und Familien gründeten. Menschen, die glücklich waren und eine Zukunft sahen. Menschen, denen wenige Monate oder Jahre später all das genommen wurde. Im ersten Geschoss des Gebäudes waren dann Filmausschnitte aus den Reden von Hitler zu sehen. Versehen mit Untertiteln und in verschiedene Sprachen übersetzt, während wir diese Übersetzungen nicht brauchten, denn deutsch war die Sprache der Täter.

Am späten Nachmittag wurden immer Vorträge von Studierenden gehalten. Die meisten waren juristischer Natur, aber für mich als angehende Historikerin sehr interessant, da die Denkweise dann doch eine andere ist. Ohne das negativ zu meinen. Durch die Referate kamen wir auch darauf zu sprechen, dass es ja heute noch vereinzelt sehr alte Menschen gibt, die juristisch für ihre damaligen Taten belangt werden. Eine Frage, an der sich die Geister scheiden. Aber warum sollte man alte Menschen nicht verurteilen? Es gibt kein Gesetz, welches besagt, dass man ab dem Alter X nicht mehr bestraft werden darf. Meine Ansicht ist da eine klare. Wer Unrecht begangen hat, muss bestraft werden. Die Opfer haben keine Freiheit erfahren. Selbst wenn sie überlebt haben, haben sie ein Leben lang damit zu kämpfen. Die Täter*innen jedoch haben Jahrzehnte in deutscher Normalität gelebt. Gearbeitet und Familien gegründet, als wäre nichts gewesen. Eine Verurteilung zeigt den Opfern, dass sie einmal Recht erfahren. Von Gerechtigkeit an dieser Stelle zu sprechen, wäre übertrieben. Nicht einmal heutzutage werden deshalb viele antisemitische Vorfälle zur Anzeige gebracht und wenn doch kommt es zu oft nicht zu einem Urteil. (Ein Berliner Restaurantbesitzer berichtet hier). Gibt es eine angemessene Rechtsprechung im Land der Täter*innen?

In Polen war das Wetter zu der Zeit ziemlich verregnet. An dem Tag als wir Auschwitz-Birkenau besuchten, strahlte jedoch die Sonne. Es waren surreale Stunden auf dem Gelände. In meiner Vorstellung war Auschwitz-Birkenau immer grau und matschig. Nun war es ungewöhnlich warm für Polen in dieser Jahreszeit und die Wiesen des Geländes waren mit saftigem, grünem Gras bedeckt. Die Baracken sahen aus, als wenn sie gerade erst verlassen wurden. Eine dieser Baracken fungierte als Schule. Eine bunte Zeichnung an der Wand zeugt von der Bereitschaft der Menschen, im Lager für die Kinder eine alltägliche Atmosphäre zu schaffen. Sie auf ein Leben danach vorzubereiten. Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Wenn heutzutage in der Schule die Ermordung der Jüd*innen und der Nationalsozialismus thematisiert wird, dann besteht der Fehler oft schon darin, dass man jüdische Menschen dabei nicht zu Wort kommen lässt. Die wenigsten werden Holocaustüberlebende einladen oder Nachfahr*innen dieser. Gelehrt wird aus der Perspektive der Täter*innen. Das Bild ist unvollständig. Das hat auch damit zu tun, dass man als nicht-jüdischer Mensch nie ganz nachvollziehen werden kann wie es ist, jüdisch und damit leider nahezu täglich Antisemitismus ausgesetzt zu sein. Und zwar von allen Seiten. Links wie rechts und aus den unterschiedlichsten religiösen Richtungen. Sitzt man als jüdische*r Schüler*in in einer Klasse, so kommt es nicht selten dazu, dass die Lehrkraft einen fragt: ,,Du kannst uns doch sicherlich davon erzählen. Wie war das bei deinen Großeltern?‘‘ Aber was ist, wenn man darüber einfach nicht sprechen möchte? Solche Fragen implizieren einen unterschwelligen Antisemitismus. (Eine Erfahrung wird hier geschildert). Die fragenstellende Person geht davon aus, dass jüdische Menschen Expert*innen auf dem Gebiet sein müssen. Können oder wollen jüdische Menschen nicht antworten, so kommt es zur Irritation. Es ist ja schließlich ,,die‘‘ Geschichte ,,der‘‘ Jüd*innen. ,,Du Jude!“ wurde schon zur meiner Schulzeit als Schimpfwort benutzt. (Dr. Julia Bernstein zur ihrer Studie über Antisemitismus an deutschen Schulen siehst du hier). Warum ist es schlecht, jüdisch zu sein und fungiert deshalb als Schimpfwort?

Nach Auschwitz-Birkenau lagen wir noch lange wach im Bett und haben uns unterhalten. Es hat uns nachhaltig verändert. Ich bin noch kritischer geworden und das soll auch dieser Artikel widergeben. Die Stellen, die Du hinterfragst, sollen dich zum Nachdenken anregen. Denn weißt Du, man kann so viel nach Auschwitz schreiben und hat trotzdem nichts gesagt.

Literaturempfehlungen:
Czollek, Max, Desintegriert euch!, München 2018.
Jureit, Ulrike/ Schneider, Christian, Gefühlte Opfer. Illusionen der Vergangenheitsbewältigung, Stuttgart 2010.
Salzborn, Samuel, Kollektive Unschuld. Die Abwehr der Shoah im deutschen Erinnern, Berlin/Leipzig 2020.

Über Antisemitismus im akademischen Milieu: https://www.youtube.com/watch?v=6QMARCGHesk
So fühlen junge jüdische Menschen in Deutschland: https://www.youtube.com/watch?v=T5OV4XR3u-A
https://www.youtube.com/watch?v=JkXi038KjQo

Beitragsbild: Ada Berg

Für alle Frauen* da draußen – Gedanken zum Internationalen Frauen*kampftag

Für alle Frauen* da draußen – Gedanken zum Internationalen Frauen*kampftag

Heute ist es wieder soweit. Wir haben den 8. März. Weitläufig bekannt unter Frauentag, Weltfrauentag, Frauenkampftag oder wie ich am liebsten sage: Internationaler Frauen*kampftag (denn der Klassenkampf ist noch immer international und intersektional). Das sind meine Gedanken für alle Feminist*innen und die, die es vielleicht noch werden wollen und denen es nicht ausreicht, einmal im Jahr zum 8. März ihr T-Shirt mit dem Aufdruck ,,feminist‘‘ zu tragen. 

Bekanntlich sind wir mittlerweile im Jahr 2020 angelangt, doch in vielen Köpfen schlummern noch oder schon wieder die Gedanken aus dem 20. Jahrhundert. Angela Merkel ist gefühlt schon so lange Kanzlerin, wie ich am Leben bin, und diese Tatsache wird von vielen Wikipedia-Artikel-Feminist*innen schon für einen großen Erfolg gehalten. Aber fangen wir von vorne an. Was sind die großen Erfolge der Frauen*bewegung?

Seit 1908 dürfen Frauen* das Abitur machen und wurden auch an der Universität Greifswald das erste Mal zum Studium zugelassen. An Wahlen in Deutschland dürfen sie seit 1919 teilnehmen, was gleichzeitig auch einen demokratischen Schub bedeutete. Während der NS-Herrschaft passierte lange nichts, bis Frauen* 1949 nach dem Krieg formal gleichgestellt wurden. Wir alle kennen die Passagen im Grundgesetz Artikel 3 Absatz 1 ,,Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.‘‘ und Absatz 2 ,,Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.‘‘ Dass die Realität bis heute anders aussieht wissen wir auch, aber weiter im Text. In der BRD dürfen Frauen* seit 1958 eine Fahrerlaubnis erwerben, seit 1961 verhüten und seit 1962 ein eigenes Konto führen. 15 Jahre später durfte Frau* auch ohne die Erlaubnis des Ehemanns endlich selbst entscheiden, ob und als was sie arbeitet und wohlgemerkt ist erst seit 1997 (!) die Vergewaltigung in der Ehe eine Straftat. Übrigens sitzen viele der Abgeordneten, die Vergewaltigungen in der Ehe gut fanden, bis heute im Bundestag bzw. kriechen wieder aus der Versenkung. Friedrich Merz, der jetzt irrationale Kanzlerschaftsambitionen hegt, ist einer von ihnen und die Junge Union feiert ihn.

Frauenrechte sind Menschenrechte

Es gibt so viele Dinge, die noch zu verbessern sind. Frauen* verdienen immer noch weniger als Männer.* Haben schlechtere Einstellungschancen, wenn sie sich im gebärfähigen Alter befinden. Über 92% der Chefetagen werden von Männern besetzt, die nicht besser qualifiziert sind als Frauen*. Jede vierte Frau* wird Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt in einer Partnerschaft. Ungefähr jeden dritten Tag wird eine Frau* von ihrem Partner getötet. Femizide sind unsichtbar. Fast genauso unsichtbar sind Frauen* in den Parlamenten. Von 709 Abgeordneten im Bundestag sind gerade einmal 219 Frauen*. Dass dann Gesetze wie der Paragraph 218 und 219 bestehen bleiben, ist nahezu logisch. Frauen* wissen, dass ihr Körper ihnen nicht ganz gehört, ihr Uterus gehört dem Staat. Dass daran auch die Kirche einen großen Anteil hat, könnte ich erklären, aber das würde den Artikel sprengen. Ich bin auf jeden Fall für den Laizismus.

We live in a wonderful, misogyn (!) world

Ich könnte davon schreiben wie antifeministisch die Welt ist. Das würde aber das Problem nicht an der Wurzel packen. Die Wurzel des Übels heißt Misogynie. Es fängt bei der Nicht-Unterstützung von Frauen* an und hört beim Femizid auf. Auch Antifeminismus und Sexismus fallen darunter. Vereinfacht gesagt ist der grundlegende Gedanke, dass Frauen* weniger Wert sind als Männer. Dieser Gedanke hält indirekt Einfluss in unsere Erziehung und lässt sich in Glaubenstexten vieler Religionen und auch unseren Gesetzen ausfindig machen. Der Gender Social Norm Index (eine aktuelle Studie der UN) zeigt, wie weit dieses Denken weltweit verbreitet ist. 9 von 10 Menschen hegen Vorurteile gegenüber Frauen*. Ein Viertel aller Menschen denkt, es sei gerechtfertigt, dass Ehefrauen körperlich misshandelt werden. Du kannst die Studie gerne einmal weiterlesen. Es ist desaströs.

We are equal!

Frauen* sind nicht das schwächere Geschlecht. Frauen* können anziehen was sie wollen, ohne Männern gefallen zu müssen. Sie müssen sich selbst gefallen. Frauen* können alles was auch Männer können. Sie sind nicht die besseren, aber auch nicht schlechteren Menschen. Frauen* können Sex haben oder auch nicht, mit wem und so viel sie wollen. Sie sind keine Schlampen. Frauen* sind auch Frauen*, wenn sie keine Kinder wollen oder bekommen können. Sie sind mehr als Objekte der Fortpflanzung.

Es ist okay, dass Du eine Frau* bist. Es ist okay, dass Du ein Mann* bist. Wir sind Menschen, die zum ersten Mal leben und dann auch nur einmal. Wenn Ungerechtigkeiten in Gesetzen niedergeschrieben sind, dann können wir sie ändern. Wir müssen sie nicht akzeptieren. Vielleicht hast Du jetzt verstanden, warum Feminismus so wichtig ist. Der Internationale Frauen*kampftag ist nur einmal im Jahr. Sich für Geschlechtergerechtigkeit zu engagieren ist jeden Tag möglich. Es fängt mit Deinen Gedanken an, die Dir sagen: ,,Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.‘‘ (Art. 1 der Allgemeinen Erklärung des Menschenrechts.)

* In dem Artikel wurden die Männer bewusst nicht mit dem Gendersternchen gekennzeichnet. Das patriarchale Problem geht, insofern man den Faktor ,,Macht“ hinzuzieht, von weißen Cis-Männern aus.

Beitragsbild: miawicks9 auf Pixabay

retro.kolumne: Bands

retro.kolumne: Bands

Retro, retro, retro yeah! Die neue Kolumne über alte Dinge. Kennt Ihr diese Spiele, Filme, Accessoires noch? Aus der Kindheit, meist noch aus den 90ern, stammten sie und sind vielleicht ja doch noch ein Guilty Pleasure des ein oder anderen. Dieses Mal mit dem Thema: Bands

Rückblende: Wir befinden uns in den 90ern. Genauer gesagt im Jahr 1995. Denn genau in diesem Jahr erblickte ich das Licht der Welt. Mehr oder minder gehöre ich damit zur Generation der Millennials. Heute hat man schon fast vergessen, dass die Menschen damals an Silvester 1999 dachten, dass die Welt untergeht. In Anbetracht der heutigen umwelt- und klimapolitischen Lage ist diese Tatsache ein richtiger Schenkelklopfer. Aber weiter im Kontext…

Geprägt durch meine sehr viel ältere Schwester fand ich früh Kontakt zur Musik und zu den üblichen Fernsehsendern MTV und VIVA. Wenn ich eins vermisse, dann diese beiden Sender und zwar genauso wie sie Ende der 90er bis Anfang der 2000er waren. Nicht der Shit, der danach kam.

Music makes you lose control

Du wirst dir vielleicht denken, dass ich jetzt gleich von Tokio Hotel schreiben werde, aber nö. Diese Band war nicht so meins. Ich schreibe auch nicht von den Backstreet Boys. Es sollen keine traumatischen Erfahrungen geweckt werden. Gott, was war das damals für eine Katastrophe. Wo sie doch zuvor sangen ,,I’ll never break your heart“. Wir alle wissen spätestens nach unserer ersten Beziehung, dass dieser Satz eine Lüge ist.

Es ist für mich gar nicht so leicht eine Band zu finden, von der ich sagen würde, dass ich sie konsequent über die Jahre gehört habe. Nie habe ich ein Fan-Dasein gehegt. Fanszenen habe ich ehrlich gesagt nie so richtig verstanden. Dennoch gab es zwei Bands, die mich trotz ihres musikalischen Wandels immer wieder mit ihren Texten berührt haben.

Will eventually be a Memory of a time when…

Linkin Park hat sich im Jahr 1996 damals noch unter dem Namen ,,Xero“ gegründet. Die Band bedient ein weites Genrespektrum, welches von Electro Rock bis Post-Grunge reicht. Im Jahr 1999 gewann sie mit Chester Bennington ihren charismatischen Frontsänger hinzu und der Erfolg setzte prompt nach ihrem ersten Album ,,Hybrid Theory“ ein. Bis heute ist die Band eine der erfolgreichsten Bands des 21. Jahrhunderts. Am 20. Juli 2017 beging Chester Bennington Suizid. Für Millionen von Fans brach damit eine Welt zusammen. Durch seine Texte, die auch von Schwermut und Hoffnung geprägt waren, wird Chester aber dennoch in den Herzen seiner Fans am Leben gehalten.

Hier meine persönlichen Lieblingslieder:

  1. Crawling
  2. Bleed it out
  3. Faint
  4. Leave out all the rest
  5. Papercut

Please don’t put your life in the hand of a Rock’n’Roll Band

Zugegeben ist Coldplay keine Rock’n’Roll Band, sondern mehr eine britische Pop-Rock-Band. Ebenfalls wie Linkin Park gründete sich die Band im Jahr 1996. Anfang der 2000er Jahre fand Coldplay ihren kommerziellen Durchbruch mit ihrem ersten Album ,,Parachutes“. Mittlerweile hat die Band weltweit über 80 Millionen Tonträger verkauft. Aber ihr Erfolg ist ihnen nicht zu den Köpfen gestiegen. Seit mehreren Jahren unterstützt Coldplay soziale Organisationen wie Amnesty International und Oxfam.

Hier meine Lieblingslieder der Band:

  1. Shiver
  2. In my Place
  3. Don’t Panic
  4. Speed of Sound
  5. The Scientist

Welche Bands haben dich über die Jahre begleitet?

Mimimi-Mittwoch: Die Mär vom politisch Neutralen

Mimimi-Mittwoch: Die Mär vom politisch Neutralen

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier.

Seit ich hier an der Uni studiere, kursieren Begriffe wie ,,unideologisch‘‘, ,,unpolitisch‘‘ und ,,politisch neutral‘‘. Es ist die Pest. Setzen sich Studierende gegen Diskriminierung, Rechts oder sonstige menschliche Widerwertigkeiten ein, dann sind sie ideologisch. Meistens kommen diese Kampfbegriffe, die mehr dazu dienen, das politische Gegenüber zu entwaffnen, aus dem liberalen oder konservativen Spektrum. Dabei ist nichts ideologischer als der Konservativismus, der Politik mit Religion vermischt, um seine Ansicht von der Ungleichheit der Menschen zu verbreiten. Wenn das im Islam geschieht, dann geht natürlich gleich das Abendland unter und alle kleinen Provinz-Politiker*innen fühlen sich berufen, vor ihrer Provinzpresse den Satz ,,Der Islam gehört nicht zu Deutschland‘‘ zu sagen.

Aber auch der Liberalismus ist nicht besser. Vom ursprünglichen Gedanken der Französischen Revolution – wir erinnern uns: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – abgewichen, dient er heute mehr als Bettvorleger des Kapitalismus. Anhänger*innen dieser Ideologie beten den Satz ,,Der Markt regelt alles‘‘ von morgens bis abends runter. Studierende der Wirtschaftswissenschaften, die im Studium aufgepasst haben, werden wissen, dass das eine Utopie ist. Unter schwarz-weiß Christian Lindner aka. Gott für alle, die die ,,Männlichkeit‘‘ anders als bei Anhänger*innen von Bernd Höcke schon gefunden haben.

Halten wir also fest: sowas wie ,,unideologisch‘‘ gibt es nicht. Jeder Mensch hat irgendwelche Werte und Normen, glaubt an eine Religion oder zumindest an die Vorstellung, dass alle Menschen gleich viel wert sind oder eben nicht. Denn Ideologien sind am Ende des Tages nur Weltanschauungen, die entweder darauf aus sind zu töten oder Menschen miteinander zu verbinden.

Das Private ist politisch

Auch die Erzählung vom vermeintlich ,,Unpolitischen‘‘ ist unlogisch. In meinem bisherigen Leben bin ich noch nie auf einen Menschen getroffen, den ich als unpolitisch bezeichnen würde. Nicht alle sind parteilich organisiert oder sitzen jeden Abend vor ihren Flimmerkisten um drittklassige Polittalkshows zu gucken, die nicht der Ermündigung der Menschen dienen sondern vielmehr der semikritischen Betrachtung des Politikbetriebs mit Politiker*innen, denen es neben Leidenschaft auch oft an Augenmaß fehlt. In den späten 60er Jahren, als es noch Menschen mit Haltung gab, machten diese Sendungen auch noch Spaß – heute sitzen Menschen mit Haltung vor Gericht, weil sie sich an geltendes Menschenrecht gehalten haben und Menschen vor dem sicheren Tod im Mittelmeer gerettet haben.

Und wie steht es um die ,,politische Neutralität‘‘?

Ja, wenn du nicht gerade im Sinne des Staates also als verbeamtete Person arbeitest, ist auch diese Phrase ganz großer Quatsch. By the way heißt das übrigens nicht, dass Lehrkräfte keine politische Einstellung haben dürfen. Sie dürfen und sollten für bestimmte Grundwerte stehen. Jedoch sollten sie dabei keine Parteipolitik verbreiten.

Fazit: Die Begriffe ,,politische Neutralität‘‘, ,,unideologisch‘‘ und ,,unpolitisch‘‘ sind nicht nur dämlicher Sprech aus liberal-konservativer Seite, sie verhindern auch den gesellschaftlichen Diskurs über wichtige politische Anliegen. Wenn Personen wie Greta Thunberg zum Beispiel auf ihren Asperger Autismus oder wahlweise ihr Alter reduziert werden, dann hat das nicht nur damit zu tun, dass wir von vielen alten, weißen, verbitterten Männern der Wirtschaftswunderjahre regiert werden (man könnte auch den Begriff Patriachat droppen) – nein, dann hat das auch damit zu tun, dass sie durch Personen wie Greta vorgesetzt bekommen, wie mittelmäßig sie sind. Wenn Leute unserer Generation jetzt bewusst für 24h nach Malle fliegen, weil Malle heutzutage mehr als einmal im Jahr ist, dann hat das damit zu tun, dass wir insgeheim alle wissen, wie verloren wir sind. Nicht einmal die Pariser Klimaziele, insofern diese erreicht werden sollten, werden einen Temperaturanstieg von weniger als 1,5 Grad verhindern können. Und dieses unterbewusste Schwarmwissen lähmt uns. Deswegen neigen einige Personen dazu unter dem Mantra ,,Live fast, die young‘‘ zu leben, während andere ,,ideologisch‘‘ bei Fridays for Future mitprotestieren. 

Beitragsbild von Jannik Texler auf Pixabay
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