Zwischen Bibliothek und Schreibtisch, zwischen all den Prüfungen und Hausarbeiten ist es gut und wichtig, sich auch einmal eine Pause zu gönnen und den Kopf frei zu bekommen, um dann mit frischem Elan und neuen Ideen weiterzumachen. Über die gesamte vorlesungsfreie Zeit werden sich deshalb webMoritz Redakteure aufmachen, um euch „Prüfungspausen“ vorzuschlagen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Museumsbesuch in Schwerin?
Schwerin hat nur ein Schloss mit starrköpfigen Politikern – so denken wohl viele in Greifswald. Außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns kennt schon nicht einmal mehr jeder die Landeshauptstadt. Und doch hat sie einiges zu bieten: Allem voran ein Kunstmuseum, das alles andere als provinziell ist. Der Journalist und Sammler Christoph Müller hat dem Museum jüngst 155 niederländische Gemälde aus dem 16. und 17. Jahrhundert geschenkt. Die Ausstellung „Kosmos der Niederländer“ zeigt sie noch bis Mitte Februar.
Seit knapp dreißig Jahren hatte Christoph Müller in namenhaften Auktionshäusern auf der ganzen Welt, darunter in Amsterdam, Wien, London und New York, Gemälde von flämischen und hollandischen Malern erstanden. Aber nicht den großen bekannten Künstlern galt seine Leidenschaft, vielmehr umfasst seine Sammlung eine „enzyklopädische“ Breite, die zum einen die Entwicklung der Malerei in dieser Zeit abbildet und zum anderen mit Landschaften, Stillleben, Marinemalerei und Historiengemälden eine ganze Palette an Stilrichtungen abdeckt. Abgesehen von einigen kürzeren Ausstellungen hingen die Gemälde in der Berliner Wohnung des Sammlers. Nun sind sie zur größten Schenkung von Altmeistergemälden in Deutschland nach 1945 geworden. In Schwerin weiß sie der ehemalige Eigentümer gut aufgehoben, sie ergänzen die bereits vorhandenen 600 niederländischen Bilder des Museums.
Die Ausstellung erleben
An Sonntagen führt Christoph Müller derzeit persönlich durch seine komplett ausgestellte Sammlung. Allerdings sind diese Führung meist restlos ausgebucht. Uns bleibt nur der Audioguide, der sich als passabler Ersatz erweist: Der Sammler hat ihn selbst besprochen. Und so stellt er eine Auswahl der Bilder mit einer ganz persönlichen Note vor, erklärt Kunstgeschichtliches in lockerer Sprache und macht auf interessante Hintergründe aufmerksam. Wer kennt schon die verworrenen Liebesaffären der griechischen Mythologie? Die Begeisterung für seine Bilder schwingt immer mit: während er bei einem Landschaftsbild „Ich liebe dieses Blau.“ gesteht, erklärt er bei Stillleben die Lichtreflexionen in den Früchten. „Sie dürfen erst weitergehen, wenn Sie die braunen Feldhasen gefunden haben!“ fordert er den Betrachter auf, sich einige Zeit einem anderen, überaus detailreichen Gemälde zu widmen. Banner in den thematischen Räumen ergänzen allgemeine Informationen zur Entwicklung der niederländischen Malerei.
Eines der ersten Bilder der Ausstellung ist „Holländische Bauernwirtschaft“. Die Szene im Stall wirkt konstruiert, der erschrockene Blick der Bäuerin scheint eingefroren zu sein. Auf dem Boden liegen Töpfe, die wie absichtlich platziert wirken, im Hintergrund winkt eines von zwei Mädchen. Ein halb auf einem Ziegenbock reitender Junge blickt den Betrachter frech an, sein Blick scheint die ganze Situation zu karikieren. Ein herausragendes Kunstwerk ist das Gemälde vermutlich nicht – und doch gelingt es dem Christoph Müller im Ohr Begeisterung zu wecken: eine eindeutige Geschichte erzähle das Bild nicht – „Denken Sie sich eine aus!“ fordert er stattdessen. Und eine kunsthistorische Einordnung gibt es außerdem: man erkenne die Weiterentwicklung der perspektivischen Malerei, aber der typische, grandiose Realismus der Niederländer sei schon da.
Witzige Details statt großer Namen
Einen Künstler, dessen Namen man auch ohne tiefes Interesse an der Kunst kennt – Rembrandt etwa – sucht man hingegen vergebens. Das jedoch ist kein Nachteil, denn es lädt ein, sich Gemälde anzusehen, die man sonst wohl übergangen hätte. Und so hat vor allem der Audioguide einen großen Anteil daran, dass man in vermeintlich „langweiligen“ Bildern witzige Details entdecken kann, für die es „eine Lupe oder Geduld und Liebe“ braucht.
Das Finale bilden die Marinegemälde von Booten beim Fischen oder Schiffen in dramatischen Stürmen und Seeschlachten – und über den Masten weht immer die niederländische Flagge. Wie im Flug vergehen so über zwei Stunden im Museum. Den Rembrandt, Marcel Duchamps und Jean Baptiste Oudrys „Rhinozeros“ der Dauerausstellung hingegen müssen wir auf einen zweiten Besuch in Schwerin verschieben.
Kosmos der Niederländer – bis 16. Februar 2014
Galerie Alte & Neue Meister Schwerin
Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr, 5€/ 3,50€ ermäßigt
Jeden Sonntag:
11 Uhr und 15 Uhr Führung mit Christoph Müller,
8 € / erm. 5,50 €. Anmeldung notwendig unter 0385-5958 115.Veranstaltungen:
- 6. Februar 2014 – Allmacht der Natur: Christoph Müller und der Maler Matthias Kanter im Gespräch über das Sichtbare des Erd- und Pflanzenreichs
- 13. Februar 2014 – Wasser, Wind und Wellen: Christoph Müller und Peter J. Harke, Redakteur des NDR, im Gespräch über das ständig vom Scheitern bedrohte Segelabenteuer
- 16. Februar 2014 – Finissage mit Christoph Müller ab 14 Uhr
Für die kostengünstige Anreise per Zug (ca. 2,5 Stunden) empfiehlt sich das Mecklenburg-Vorpommern-Ticket.
Gemälde: © Staatliches Museum Schwerin
Grafik & Fotos: Natalie Rath
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