Grünen-KV-Marco-Wagner-ArtikelbildUnter dem Dach des Grünen Kreisverbandes Vorpommern-Greifswalds brodelt es ordentlich. Die Stimmung ist während der Kreismitgliederversammlung vom 17. Januar angespannt.

Gleich zu Beginn der Sitzung wird ein weiterer Tagesordnungspunkt beantragt: Aufnahme von Mitgliedern in den Kreisverband. Grundsätzlich entscheidet bei den Grünen der Kreisvorstand über die Aufnahme von Mitgliedern. Kurz vor den neuen Vorstandswahlen gingen sechs Eintrittsanträge ein. Zwei werden angenommen, vier werden vertagt.

Streit um Aufnahme von Mitgliedern

„Bei den vier Abgelehnten handelt es sich um Personen, die dem derzeitigen Vorstand nicht genehm sind“, erzählt Gregor Kochhan. In Gesprächen mit zahlreichen Mitgliedern der Grünen wird immer wieder von zwei „Lagern“ gesprochen. Während Kritiker des bis vor kurzem amtierenden Vorstandes die Lager in „laut“ und „unbeharrlich und leise“ einteilen, handelt es sich im Wesentlichen um eine Frage des politischen Stils.

Das sogenannte „laute“ Lager, ist jenes, das Politik nicht nur in Kreistag und Bürgerschaft machen will, sondern das der Auffassung ist, dass Politik in die Gesellschaft hineinwirken soll. Konkret ist damit die aktive Unterstützung sozial-, kultur-, oder antifaschistischer politischer Initiativen gemeint. Zudem geht es diesem Lager um das Setzen klarer Positionen und kontroverser Meinungen, um Diskussionen um gesellschaftlich relevante Themen zu entfachen.

Jenes Lager, dass von Kritikern als „leise und unbeharrlich“ bezeichnet wird, legt den Arbeitsschwerpunkt hauptsächlich auf parlamentarische Arbeit, Gremienarbeit und Überarbeitungen von Satzungen und Ordnungen, wie von Parteimitgliedern zu erfahren ist. Beide Lager stehen sich zur Zeit fast unversöhnlich gegenüber. Bei den vier Personen, dessen Antragsaufnahme vertagt worden ist, handelt es sich um Vertreter des aktivistischen Lagers. Zwei von ihnen beabsichtigten, für den neuen Vorstand zu kandidieren.

Ehemalige wollen wieder rein

Unter den vier Ablehnungen befinden sich mit Ausnahme Britta Heinrichs ehemalige Mitglieder der Grünen, so beispielsweise Ruth Terodde und Anne Wolf. „Es wurden uns bislang noch keine Gründe dafür genannt, weshalb noch nicht dem Beitritt zugestimmt worden ist“, erzählt Terodde; Vorstandsmitglied Alexander Krüger behauptet derweil das Gegenteil.

Es gibt innerhalb der Kreissatzung der Grünen drei Gründe, die eine Ablehnung von Mitgliedsanträgen legitimieren. Hierbei handelt es sich um eine nicht offengelegte rechtsextremistische Vergangenheit, eine Doppelmitgliedschaft sowie ein eklatanter Verstoß gegen Grüne Grundsätze.

Massive Bedenken

Projektleiterin des FrauenKarriereTages

Erkennt keinen hinreichenden Grund für eine Nichtaufnahme: Ruth Terodde.

„Warum soll ich also nicht aufgenommen werden? Ich wüsste nicht, wo ich eklatant gegen Grüne Grundsätze verstoßen hätte. Ich habe das Grüne Projekt immer unterstützt und bin vor einem Jahr ausgetreten, weil ich mich mit der Zusammensetzung des Vorstandes nicht identifizieren konnte“, macht Terodde sich ihrem Ärger Luft. Inzwischen sei sie jedoch so unzufrieden mit der Entwicklung des Grünen Kreisverbandes, dass sie beschlossen hat, wieder in die Partei einzutreten.

Der Austritt ist es wiederum, was Stefan Fassbinder meint, wenn er sagt, dass es aufgrund der Vorgeschichte „massive Bedenken“ gäbe, die ausgeräumt werden müssten. „Das hätte man genau so in der Kreismitgliederversammlung machen können. Deshalb haben wir ja den Antrag auf Aufnahme der vier Mitglieder gestellt. Sie hätten dann Stellung nehmen können und die Möglichkeit bekommen, Bedenken auszuräumen“, meint derweil Kochhan. Als der Antrag gestellt worden ist, die vier Beitritte zu besprechen und dann die Kreismitgliederversammlung entscheiden zu lassen, ist bereits zu erahnen, was als nächstes folgen wird.

Tumultartige Stimmung

„Eine Verschiebung von Mitgliedsaufnahmen sieht die Satzung nicht vor. Die Aufnahme muss am Tag der Beantragung erfolgen. Im Falle einer Nichtaufnahme muss diese auch schriftlich begründet werden“, wird mit Nachdruck erklärt. In der Gegenrede werden derweil verschiedene Gründe genannt, die eine Verschiebung rechtfertigen. Dabei wird unter Anderem auf Ulrich Rose, ehemaliges Vorstandsmitglied und Vertreter der Aktivisten, verwiesen: „Außerdem geht es bei den vier Mitgliedsanträgen darum, eine Hausmacht zu etablieren und Uli Rose zu unterstützen…“ – „Das ist eine Unterstellung!“ – „Das stimmt nicht! Als die Eintrittsanträge erfolgt sind, war das mit Uli Rose noch gar nicht klar!“, kommt es fast zeitgleich. Die Abstimmung verläuft derweil zu Ungunsten der Antragstellenden.

„Aufgrund der von Gregor geschilderten Sachverhalte verlasse ich jetzt die Versammlung. Die Mitglieder hätten jetzt aufgenommen werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, sind alle folgenden Beschlüsse, die gefasst werden, ebenfalls satzungswidrig. Ein solches Verhalten möchte ich nicht durch meine Anwesenheit legitimieren!“, wird in einer persönlichen Erklärung protestiert. Plötzlich verlassen mehrere Mitglieder besonders ruppig den Raum; die Stimmung wird für einen kurzen Moment leicht tumultartig.

Ulrich Rose droht Parteiausschluss

Florian Geyder

Florian Geyder

Am Ende der Sitzung wird dann zu hören sein, dass es „erstmals möglich gewesen sei, angstfrei und ungezwungen in der Kreismitgliederversammlung zu sprechen; nachdem  die Anderen den Raum verlassen haben.“  Mit den „Anderen“ ist unter Anderem Ulrich Rose gemeint, dem im Rahmen der inzwischen vollzogenen Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens unter anderem vorgeworfen wird, angstfreies Diskutieren nicht mehr zu ermöglichen. In der Sitzung ist gleich zwei Mal ein Antrag auf Nichtbehandlung gestellt worden. Und er wurde gleich zwei Mal abgelehnt.

„Die zwei Lager gab es schon immer und ich habe mitbekommen, dass es Konflikte gibt. Ich habe versucht, zwischen den beiden Lagern auszugleichen. Scheinbar ist mir das nicht gelungen“, meint Florian Geyder von der Grünen Jugend. Er kann die Kritik am Verfahren nachvollziehen, allerdings sollte man sich dem Diskurs stellen und nicht entziehen.

Kritik am Verfahren zurückgewiesen

Alexander Krüger, ehemaliges und wieder neu gewähltes Mitglied im Kreisvorstand, zeigt sich im Anschluss der Sitzung überrascht, dass Kochhan die Argumente nicht auf der Vorstandssitzung eingebracht habe. „Er war da und hätte seine Meinung äußern können, hat aber nichts Deutliches gesagt“, meint Krüger. Überdies geht er davon aus, dass der Kreisvorstand insgesamt „satzungskonform gehandelt“ habe.

Historiker

Stefan Fassbinder verteidigt die Auffassung des Vorstandes

Stefan Fassbinder ergänzt, dass diese Frage in der Satzung des Kreisverbandes nicht ganz klar geregelt sei und deshalb die Landessatzung greife. Gregor Kochhan sieht hingegen keine Unklarheiten. Schließlich würden jene Absätze, auf die sich der Vorstand beruft, eindeutig für den Fall einer Zurückweisung des Mitgliedsantrages gelten. In diesem Fall wurden jedoch Mitgliedsanträge nicht abgelehnt, sondern vertagt.

Und es ist doch ein Richtungsstreit

Was für den Vorstand ein normaler Vorgang im Rahmen der geltenden Satzung ist, ist aus Sicht der Betroffenen, die auf einen Satzungsverstoß verweisen, hingegen Ausdruck der Missachtung demokratischer Grundsätze. Dies wird umgekehrt wiederum Ulrich Rose vorgeworfen.

„Man sollte die Situation nicht überbewerten. Die Wogen werden sich wieder glätten; niemand im Vorstand will einen Keil zwischen den Kreisverband treiben“, beschwichtigt Vorstandsmitglied Timo Pfarr derweil. Dass der 2012 gewählte Vorstand eben genau dies beabsichtige, und versuche, die Aktivisten aus der Partei herauszudrängen, wird derweil von Vorstandskritikern behauptet.

Grünen tief gespalten

In der Kreismitgliederversammlung ist vor allem eines deutlich geworden: Es gibt einen tiefen Graben innerhalb des Grünen-Verbandes. Er verläuft in etwa entlang der Grenze jener, die sich dem politischen Establishment zugehörig zu fühlen scheinen und jener, die möglichst aktiv in alle Bereiche der Gesellschaft, auch außerparlamentarisch, hineinwirken wollen. Der neugewählte Vorstand steht somit vor einer schweren Aufgabe. Eines steht bereits jetzt fest: Bleibt die Lagerspaltung bestehen, bedeutet dies langfristig eine Schwächung der Grünen im Kreis.

Insofern bleibt zu hinterfragen, ob das eingeleitete Parteiausschlussverfahren gegen Rose die bestehende Wunde nicht sogar noch vergrößert hat, anstatt zusammenzunähen, was zusammengehört.

Fotos: Marco Wagner (Artikelbild), Privat (Florian Geyder ohne CC-Lizenz), Pressefotos (Ruth Terodde, Stefan Fassbinder, ohne CC-Lizenz)