knäckebröd-TitelbildWenn man so ein paar Jahre in Greifswald studiert, könnte man den Eindruck gewinnen, irgendwie hat jeder zweite schon einmal für ein Erasmus-Semester in Schweden studiert: in Lund, vielleicht in Växjö, oder war es Umeå? Der Eindruck trügt: der größte Teil der Studenten zählt lieber seine Regelstudienzeitsemester und bleibt im schnöden Vorpommern. Ganz verkehrt ist das ja auch nicht, doch in Zeiten, in denen ein gewisser Peer „Gerechtigkeit“ und „Teilhabe“ predigt, sollte doch jeder ein bisschen Schweden abbekommen dürfen!

Für den Webmoritz schreibe ich deshalb von nun an jeden Montag eine Kolumne aus Uppsala, wo ich in den kommenden fünf Monaten studiere.

Schweden im Januar und „Peer“ – oder frei abstrahiert „kalt“ und „sozial“ sind auch gleich die Stichwörter für heute. Das es hier im hohen Norden tatsächlich kalt ist, wird wohl keiner bestreiten, in den letzten Tagen waren es meist zwischen -8°C und -20°C, da stößt auch meine sportliche Winterjacke schnell an ihre Grenzen. Nach meiner ersten Woche glaube ich nun, dass die Schweden das nur dauerhaft aushalten können, weil sie die Kälte durch soziale Wärme kompensieren. Dazu haben sie sich in einem flauschigen Wohlfahrtsstaat gebettet: von Kleinkind bis Rentner sind alle abgedeckt, Eltern, Schüler und Studenten brauchen keine Angst haben, kalte Füße zu bekommen. Und ein ziemlich sozialer Ort ist gleichzeitig der wärmste: die Sauna.

Dank der Taten warmherziger Schweden müssen sie nicht länger frieren.

Dank der Taten warmherziger Schweden müssen sie nicht länger frieren.

Ihre Wärme behalten sie aber nicht nur für sich. Ganz im Gegenteil: jedem Gast im Land wird sie zuteil. Ich bekam das erstmals zu spüren, als ich hier meinen Wohnheim-Schlüssel abholen wollte. Am „Housing Office“ warteten etwa 60 Leute, ins Haus passte nicht einmal die Hälfte. Ein gut gebräunter Australier aus Perth stand auch mit draußen – in Stoffschuhen. Offensichtlich sah und spürte er das erste Mal Schnee, aber er brannte darauf, Snowboard fahren zu lernen. Daraufhin erzählte eine schwedische Betreuerin feurige Geschichten aus ihrem Winterurlaub –  schon war es nur noch halb so kalt. Außerdem wurden reichlich „Godis“ verteilt und wer in Bio aufgepasst hat, der weiß: Zucker=Energie=Wärme. An einem der nächsten Tage habe ich die Kathedrale besichtigt. In unseren Breiten ist es in Kirchen eigentlich immer kalt, oder? Hier ist es warm, bestimmt 20°C. Geht man davon aus, dass Kirchen immer auch soziale Orte sind, dann passt das doch ins Bild! Und dann ist da noch die herzerwärmende Freundlichkeit der Schweden: immer nett, gut gelaunt und hilfsbereit; ganz zu schweigen von den heißen schwedischen Mädchen…rundherum also soziale Wärme!

Nun offenbarte mir mein schwedischer Mitbewohner, man sei hier oben zwar freundlich, aber sonst ziemlich verschlossen, und der Sozialstaat sei auch nicht mehr das, was er mal war. Ist damit meine ganze Theorie dahin? Ich jedenfalls werde mir das nun ein Semester lang genauer ansehen – ihr könnt ja derweilen bei Peer nachfragen, was er von sozialen Heizpilzen hält.
Hej så länge!

Fotos/ Grafik: Anton Walsch

Diese Kolumne ist Teil der Reihe „Biss ins knäckebröd“. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.