Zwölf Jahre war er der Dekan der hiesigen Universitätsmedizin: Professor Heyo Klaus Kroemer. Er verließ Greifswald zum 1. September und leitet nun die Universitätsmedizin Göttingen. Mit moritz blickt er zurück und nach vorn.
Wie sah die Situation der Medizinischen Fakultät aus, als Sie nach Greifswald kamen?
Greifswald war 1998 in der Medizin noch nicht sehr gut aufgestellt, um das mal ganz vorsichtig zu sagen. In den Kliniken gab es vielfach keine leitenden Ärzte, weil die Berufungsverfahren nicht funktioniert hatten. Die Gesamtbedingungen der Medizin waren sehr, sehr schwierig. Man hat ja 1999 in dieser Not überlegt, diese Medizin zu privatisieren, sich dadurch der Investitionsmaßnahme zu entledigen und die Verantwortung jemand Privatem zu übergeben. Es wurde seinerzeit vom damaligen Rektor, Kanzler und ärztlichen Direktor betrieben. Ich glaube schon, dass man, bei allem Respekt vor den damaligen Kollegen sagen kann, dass die Medizin nur zum kleinen Teil wettbewerbsfähig gewesen ist. Wobei man auch sagen muss, und das ist das kleine Wunder an Greifswald, dass diese Medizin durch die Wende gekommen ist. Da gab es hier ein paar Leute, die es geschafft haben, dass die Landesregierung sagte: Wir machen die Medizin in Greifswald nicht zu, obwohl wir zwei Standorte im Land haben. Das ist das eigentliche, worüber man staunen kann, dass wir das OK aus Schwerin bekommen haben, die Medizin hier weiter zuführen.
Was war Ihre schwierigste Aufgabe als Dekan?
Durch den großen Zusammenhalt in der Medizin und der Universität konnte man Dinge, die sehr problematisch sind, in gemeinsamer Arbeit sehr gut erledigen. Wir haben zweimal die Rechtsformen weiterentwickelt: Früher war die Universitätsmedizin so was wie die Bibliothek. Dann wurde daraus eine Anstalt öffentlichen Rechts, die wirtschaftlich beweglicher war. Und nun im nächsten Schritt die Universitätsmedizin. Das waren schon größere Dinge. Was uns über die ganzen Jahre im Vorstand beschäftigt hat, war der komplette Neubau der universitären Medizin. Wenn Sie sich da in Deutschland umschauen, gibt es nicht so viele Standorte, die einen kompletten Neubau bekommen haben. Was ich auch glaube, was fundamental wichtig war: 1998 war es das Schlimmste, was Ihnen passieren konnte, wenn nach Hause ein Brief kam und sie hatten einen Medizinstudienplatz in Greifswald bekommen. Ja, es war der größte anzunehmende Unfall. Dadurch, dass der Studiendekan Klaus Heideke das ganze Studium sehr schnell umgestellt hat und wir uns wirklich intensiv um die Studierenden bemüht haben, ist die Nachfrage nach Studienplätzen wirklich explodiert.
Vor circa fünf Jahren bekamen Sie einen Ruf nach Hamburg und haben abgelehnt. Sie sind damals angeblich deshalb geblieben, weil ein neues Institut für Sie gebaut wurde, das Center of Drug Absorption and Transport. Kaum ist es fertig geworden, gehen Sie. Gefällt es Ihnen doch nicht mehr?
Die Situation und die Position zwischen Göttingen und Hamburg sind nicht direkt vergleichbar. Ich bin in der Tat damals in Greifswald geblieben, unter anderem deshalb, weil mich Rektor Westermann mit dem Versprechen, ein neues Institut zu bauen, ohne dass ich das verlangt hatte, in einer Gesprächssituation überzeugt hatte. Das Institut wurde nun gebaut, und ich hatte von meiner Seite aus keinen Veränderungswunsch. Ich hatte das gar nicht auf dem Plan, hier wegzugehen. Ich bin jetzt 52 und hätte mir gut vorstellen können, in Greifswald bis zum Ruhestand zu arbeiten. Ich habe mich deshalb nirgendwo beworben und bin aus Göttingen sehr aktiv und sehr geschickt angesprochen worden. Göttingen ist noch einmal eine größere Einrichtung mit anderen Rahmenbedingungen, sicherlich schwierigere Dinge, anderen Möglichkeiten. Ich mache das Dekanat hier zwölfJahre. Man kann sich immer fragen, ob es sinnvoll ist, sehr lange dieselben Leute in denselben Führungspositionen zu haben. Dann kommen private Gründe dazu. Wir haben drei Kinder, die hier in Greifswald sehr glücklich aufgewachsen sind. Der Jüngste hat im Oktober 2011 sein Studium angefangen. Wir sind ein alterndes Ehepaar ohne Kinder zu Hause. Wir sind auf einmal wieder beweglich, was wir vorher nie konnten. Ich habe mich auf keinen Fall in irgendeiner Weise gegen Greifswald entschieden, sondern dafür, die letzten zwölf Jahre meines Berufslebens an einem anderen Ort ein bisschen etwas anderes zu machen.
Sie werden in Göttingen mit dem Organspendeskandal empfangen. Können Sie abschätzen, was da auf Sie zukommen wird?
Mein Eindruck ist, dass es in Göttingen von Seiten der zukünftigen Kollegen im Vorstand ein sehr intensives Bemühen gibt, die Sache komplett aufzuklären und die Ergebnisse dann komplett zu veröffentlichen. Man kann im Interesse aller Beteiligten hoffen, dass die Aufklärung, die öffentlich gemacht wird, dann einen Neuanfang ermöglicht. Dass das insgesamt für alle Beteiligten eine schwierige Situation ist, darüber braucht man sicherlich nicht zu streiten. Ich kann nicht sagen, wie weit das jetzt die eigene Arbeit berühren wird.
Wenn Sie nach Göttingen kommen, werden Sie Dekan, Sprecher des Vorstandes der Medizinischen Fakultät und auch das Ressort Forschung und Lehre bekleiden. Bleibt da noch Zeit für eigene Forschungen?
Ich habe hier 14 Jahre die Pharmakologie gemacht und 12 Jahre parallel das Dekanat. Es ist immer deutlicher geworden, dass man das fast nicht mehr nebeneinander machen kann. Zu Anfang war das ganz gut zu managen. Aber die Aufgabenintensität hat so zugenommen, dass die wissenschaftlichen Vorstandsfunktion nur noch im Hauptamt zu machen sind. Man wird sich auch hier in Greifswald überlegen, wie man das mittelfristig gestaltet. Insofern habe ich in Göttingen die Möglichkeit zu forschen. Aber wenn man das mal realistisch sieht: Ich bin wissenschaftlicher Vorstand und Dekan und Sprecher für die gesamte Unimedizin. Ich gehe mal davon aus, dass man da ausreichend zu tun hat.
Was passiert mit den Doktoranden, die dachten, noch ein, zwei Jahre bei Ihnen forschen zu können?
Ja, das ist immer eine schwierige Situation, wenn jemand wechselt. Ich hatte meine Abteilung, die Allgemeine Pharmakologie so organisiert, dass ich eine zweite Reihe von ganz erfahrenen Post-Docs habe. Die Doktoranden sind jeweils den Post-Docs zugeordnet. Deren wissenschaftliche Arbeit kann somit nahtlos weiter geführt werden. Man ist mir da auch von Göttinger Seite weit entgegen gekommen: Ich kann in der ersten Zeit des Vertrages immer anderthalb Tage in Greifswald arbeiten und zum Beispiel die Doktorprüfungen abnehmen, damit gewährleistet ist, dass die Doktoranden keine Nachteile durch meinen Wechsel haben. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam gut hinbekommen.
Gibt es etwas, was Sie an oder aus Greifswald vermissen werden?
Ja klar, da gibt es vieles. Greifswald ist schon eine ganz besondere Stadt: Es ist so überschaubar, man kann sich eigentlich überhaupt nicht aus dem Weg gehen. Ich glaube, dass nur eine bestimmte Sorte Leute hierher kommt, die sich untereinander sehr gut verstehen. Ich habe noch nie an einem Ort so viele Freunde und Freundschaften gefunden wie hier und es ist mir noch nie so schwer gefallen, irgendwo wegzugehen.
Ein Interview von Florian Bonn und Katrin Haubold, mit Fotos von Johannes Köpcke (C-DAT) und Florian Bonn (Kroemer)
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